12.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 52 / Tagesordnungspunkt 1

Johannes KahrsSPD - Schlussrunde Haushaltsgesetz 2015

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da hätten bei der CDU/CSU eben ein paar mehr klatschen können, nicht wahr, Norbert Barthle, Bartholomäus Kalb?

(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ich hab geklatscht! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Mal schauen, ob es sich lohnt! – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Bei der Linken?)

– Jetzt rede ich, da könnten alle zuhören.

Wir haben in den letzten Tagen gehört, wie sich die Opposition diesen Haushalt vorstellt. Zur Erinnerung – kleiner Sprung zurück –: Am Dienstag haben wir eine grundsätzliche Debatte geführt. Da gab es zwischen allen hier vertretenen Fraktionen Einigkeit darüber, dass wir keine neuen Schulden machen wollen. Ich fand das gut, ich fand das bemerkenswert; da haben wir alle geklatscht. Dann habe ich mir die anderen Tage angeguckt: Mittwoch, Donnerstag und heute. In jeder dieser Debatten hat die Opposition erklärt, wofür sie dringend mehr Geld ausgeben möchte.

(Zuruf der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE])

Ehrlich gesagt kann ich das teilweise sogar nachvollziehen; ich finde das alles gut. Es gibt immer gute Begründungen, mehr Geld für Bildung, für Schulen, für Kitas und für Entwicklungshilfe auszugeben.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht auf Ihrem Niveau!)

Im Einzelfall fällt mir immer eine gute Begründung dafür ein. Am Ende gibt es stets viele Gründe, Schulden zu machen. Die Frage ist: Will man am Ende Schulden machen? Diese Frage sollte man ehrlich beantworten.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Wenn man keine neuen Schulden machen will, dann kann man nicht am Dienstag und auch am Freitag sagen, man wolle keine neuen Schulden machen,

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dazu sage ich gleich etwas!)

aber in der Diskussion über jeden Einzelplan tränenreich, mit etwas Pathos in der Stimme und mit viel Elan mehr Geld fordern. Das passt nicht; das ist unglaubwürdig.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! Dazu sage ich gleich etwas!)

– Dass der Kollege Kindler jetzt mit „Oh“ anfängt, ist schön. Aber Kollege Kindler, Ihre Grünen waren hierbei vorneweg, und Sie werden höchstwahrscheinlich gleich auch nichts anderes sagen.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben eine Gegenfinanzierung! – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind diejenigen, die regieren!)

Es ist doch so: Die Bundesregierung, wir alle, SPD und CDU/CSU, haben einen Haushalt vorgelegt, der im Kern solide ist, der viele Aufgaben beinhaltet und der durchfinanziert ist.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Nicht nur im Kern, sondern er ist grundsolide!)

– Auch grundsolide! Ich lasse den Kampfwert meiner Rede gern durch Anregungen des Koalitionspartners steigern, vom Kollegen Kauder sowieso gerne.

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Also, der Haushalt ist grundsolide. Da sind wir uns doch wieder einmal einig. So einfach geht das in der Koalition. Davon könnte sich Herr Dobrindt einmal eine Scheibe abschneiden.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Im Ergebnis ist es so: Wir haben einen grundsoliden Haushalt. Jetzt wird beklagt, dass wir hier und da nicht mehr Geld ausgeben. Ich kann hier klar sagen: Es ist nicht so, dass wir nur gespart haben; wir haben auch investiert. Das ist immer der Zweiklang. Es sind Investitionen in Höhe von 23 Milliarden Euro vorgesehen, und am Dienstag habe ich durchdekliniert, wofür wir dieses Geld vernünftig und sinnvoll ausgeben und was wir in diesem Jahr in den entsprechenden Jahresscheiben dafür tun. Ich glaube, das hat auch jeder verstanden. Dieser Regierung kann man deswegen positiv ins Stammbuch schreiben, dass sie einen grundsoliden Haushalt aufstellt und dass sie gleichzeitig da investiert, wo es notwendig ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Natürlich kann man immer noch mehr verlangen. Das verstehe ich; das hat die Opposition auch gemacht. Aber das war ein fades Gemeckere. Angesichts der Presseresonanz kann man feststellen: So richtig gejubelt haben die Zeitungen nicht, und so richtig nachvollziehbar fanden sie das Gemecker auch nicht. Man muss sich diesen Haushalt einfach ansehen, durchlesen – ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung – und kann dann feststellen: Alles in Ordnung!

Da ich aber meinen geschätzten Koalitionspartner immer lobe,

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Zu Recht!)

mit Norbert Barthle sehr gut zusammenarbeite

(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ja!)

und auch die Reden von Steffen Kampeter immer gern höre,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

sei es mir jedoch erlaubt, dass ich die Stellen, an denen es schwierig wird, aufgreife. Der Kollege Brinkhaus hat wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen in den letzten Tagen Nordrhein-Westfalen kritisiert.

(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Zu Recht!)

Er hat gesagt, dass die dortige Haushaltspolitik schwierig sei.

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Genau! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das war noch sehr freundlich!)

Auch der Kollege Steffen Kampeter hat das heute gemacht und erklärt, dass es in NRW eine Haushaltssperre als Ausweis für unsolides Wirtschaften gebe.

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Ja!)

Kollege Steffen Kampeter hat aber eine Haushaltssperre für den Bund für das Jahr 2014 durchgesetzt, unter der alle Ministerien leiden.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Was?)

Selbst der Kollege Ole Schröder kriegt gerade das Grinsen nicht aus dem Gesicht.

(Heiterkeit bei der SPD)

Das heißt also: Wenn man argumentiert, Steffen Kampeter, dann muss man sauber argumentieren. Halte Dich an uns. Wir können das.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Im Ergebnis muss man einfach einmal klar sagen: Nur weil die Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU die Niederlage in NRW immer noch nicht verschmerzt haben

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Nein!)

und weil sie sehen, was Rot-Grün dort macht – es wird ein solider Haushalt aufgestellt und die Misswirtschaft von fünf Jahre Schwarz-Gelb wird korrigiert –,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

und weil klar ist, dass Norbert Walter-Borjans einen guten Job macht, müssen sie nicht jedes Mal eine gute Rede dadurch versauen, dass sie einen koalitionsfeindlichen Schlenker einbauen. Das kann doch keiner wollen.

(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wir machen keinen verfassungswidrigen Haushalt!)

Deswegen bitten wir inständig, diesen Unsinn zu lassen, damit wir weiterhin völlig konstruktiv im Bund zusammenarbeiten können, was wir immer gerne wollen.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Als Theater war das gut!)

Der Kollege Steffen Kampeter – wenn er in Fahrt kommt, kommt er halt in Fahrt – hat gesagt, dass Private alles das machen müssen, was man sich so wünscht. Ehrlich gesagt – auch du warst einmal ein anständiger Haushälter –, das alles kann man tun. Das Problem bei der Sache ist nur: Am Ende muss es sich rechnen. Beim Rechnen darf man nie ganz vergessen: Wenn Private investieren, dann wollen sie meistens eine Rendite von 3 bis 4 Prozent. Die sei jedem gegönnt.

Man kann sich aber auch fragen, wie viele Zinsen der Bund zahlt, wenn er Geld aufnimmt. Wenn es am Ende stimmt, worauf sich CDU, CSU und SPD geeinigt haben, nämlich dass sich betriebswirtschaftlich für den Bund jede einzelne Maßnahme rechnen muss, dann sollte man jetzt nicht mit großem Getöse etwas ankündigen oder wie ein Tiger losspringen, nur um am Ende als Bettvorleger zu landen. Das heißt, wir müssen uns das genau anschauen, wir müssen genau nachrechnen. Ich persönlich finde es gut, wenn wir das hinbekommen; aber wir müssen genau aufpassen, dass alles solide ist. Ansonsten bekommen wir einen Haufen Ärger.

In den letzten Tagen gab es – das war zu hören und zu lesen – einen Haufen Scheindebatten. Es wird gesagt, Schäuble wolle den Soli abschaffen und dafür anderweitig Steuereinnahmen erzielen. Heute wird ihm unterstellt, er habe gesagt, die Schuldenbremse aufweichen zu wollen. Man kann dazu feststellen, dass weder der Bundesfinanzminister noch sein getreuer Knappe hier

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

je irgendetwas Zitierbares zu diesem Thema gesagt haben. Das heißt, die Presse schreibt irgendetwas, ohne dass es belegt ist. Das heißt, wir sind im Stadium der Spekulation.

Der Hintergrund ist allerdings ernsthafter. Wir müssen die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu sortieren. Darüber sind wir gerade in ersten Gesprächen. Deshalb halte ich es für unschön, wenn immer wieder kleine Versuchsballons gestartet werden, um zu schauen, über wessen Kopf sie denn zerplatzen. Deswegen ist es in Ordnung, dass das Finanzministerium ganz sauber spielt und weder der Finanzminister noch der geschätzte Kollege Steffen Kampeter irgendetwas zu dem Thema sagen. Vielmehr werden wir intern eine Debatte vorbereiten, die am Ende für Bund und Länder gleichermaßen vernünftige Ergebnisse zeitigen muss; denn wir alle wissen, dass die Länder und die Kommunen Finanzprobleme haben.

Der Bund hat sie aber auch. Wenn man sich den Bundeshaushalt anschaut, dann stellt man fest: Der ist grundsolide. Aber auch grundsoliden Dingen wohnen manchmal Risiken inne. Schauen wir uns doch einmal die momentanen Zinsen an, und überlegen wir uns, wie hoch die Zinsen vielleicht in drei, vier oder fünf Jahren sind. Wenn sie dann so hoch sind, wie es im Durchschnitt der vergangenen 20 Jahre üblich war, dann bekommen wir ein Problem mit unserem Bundeshaushalt.

Gleichzeitig müssen wir in Rechnung stellen, dass auch die wirtschaftliche Entwicklung nicht immer gut verläuft. Das heißt, bei all dem, was wir hier tun, müssen wir immer darauf achten, dass wir nicht nur die Wünsche der Kommunen und der Länder befriedigen, sondern dass der Bund auch seine Handlungsfähigkeit bewahren muss. Das ist etwas – das haben wir alle gesagt –, was wir richtig und wichtig finden. Deswegen muss die Debatte, die in diesem und im nächsten Jahr zu führen ist, hochseriös und ernsthaft geführt werden; denn wenn man dem Bund zu viele Lasten aufbürdet und der Bund am Ende handlungsunfähig ist, dann ist das weder für die Länder noch für die Kommunen gut.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Abschließend sei mir noch eine Bemerkung erlaubt: Wir alle, die wir hier sitzen, egal in welcher Partei wir sind, kennen die Länderhaushalte unserer Bundesländer. Die meisten sind einmal kommunal aktiv gewesen, wir alle kennen Kommunalhaushalte. Wir alle kennen Ministerpräsidenten oder Erste Bürgermeister, die einem sagen, was sie so erwarten. Wichtig ist, dass man als Bundestagsabgeordneter nicht vergisst, dass man in erster Linie eine Verantwortung für den Bund hat. Ich glaube, das ist etwas, was hier keiner vergessen darf, bei aller Sympathie für Kommunen und für Länder. Wir haben die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, diesen Haushalt dauerhaft grundsolide aufzustellen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. Auch dass Sie grundsolide Ihre Redezeit eingehalten haben, ehrt Sie.

Nächster Redner in der Debatte: Sven-Christian Kindler für Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3859634
Wahlperiode 18
Sitzung 52
Tagesordnungspunkt Schlussrunde Haushaltsgesetz 2015
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