Manfred ZöllmerSPD - Europäische Bankenunion
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein kluger Mann hat einmal gesagt: Für jedes komplexe Problem gibt es eine einfache Lösung, und die ist falsch. – Liebe Frau Wagenknecht, mit billigem Talkshowpopulismus aus der Phrasendreschmaschine kann man komplexe Probleme nicht lösen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: So ist das!)
Die Probleme, mit denen wir es zu tun haben, sind wirklich komplex. Ich darf noch einmal daran erinnern: Von 2008 bis 2012 musste das Finanzsystem in Europa mit 1,5 Billionen Euro vor dem Kollaps bewahrt werden. Die Finanzkrise hat eine tiefe Rezession ausgelöst, deren Folgen in vielen Ländern im Süden bis heute nicht überwunden sind. Die Arbeitslosigkeit ist auf Rekordniveau gestiegen. Viele Menschen haben dramatische Wohlstandseinbußen erlitten. Von der Finanzkrise ging es dann nahtlos über in die Staatsschuldenkrise. Das Vertrauen in die Stabilität des Finanzsystems ist bei vielen Menschen nach wie vor erschüttert. Deswegen ist es so wichtig, Problemlösungen zu präsentieren.
Die Lehre, die wir aus der Finanzkrise gezogen haben, war: Eine solche Krise darf sich nicht wiederholen, die Finanzmärkte müssen eingefangen werden, sie brauchen Leitplanken, und nie wieder soll der Steuerzahler die Zeche für die Gier von Bankern zahlen müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Sahra Wagenknecht [DIE LINKE]: Dann stimmen Sie jetzt auch dagegen?)
Die Banken waren, wie man das auf Englisch sagt, „too big to fail“, also zu groß, um pleitezugehen, weil damit unkalkulierbare Risiken für das gesamte Finanzsystem verbunden waren und damit Risiken für alle Menschen.
(Dr. Sahra Wagenknecht [DIE LINKE]: Die sind doch heute noch größer!)
Das hat mit Marktwirtschaft nichts zu tun, aber viel mit zu großer wirtschaftlicher Macht. Diese Banken haben sich der nationalen Kontrolle entzogen; denn sie agieren europaweit und weltweit. Wir hatten damals eine nationale Bankenaufsicht. Dies war nicht mehr vernünftig. Die Bankenaufsicht konnte die Funktion nicht adäquat erfüllen. Die Krise hat das mit aller Deutlichkeit gezeigt.
Deshalb sollte, deshalb musste eine Bankenunion in Europa errichtet werden. Das war von Anfang an die Forderung von uns Sozialdemokraten. Der Kollege Schick hat eben deutlich gemacht, dass der Weg dahin etwas holprig war, aber jetzt haben wir sie. Der Bankensektor musste stabilisiert werden, damit die Folgen von wirtschaftlichem Fehlverhalten beherrschbar bleiben. Nicht der Steuerzahler, sondern der Eigentümer und der Gläubiger sollen und müssen zukünftig die finanziellen Folgen tragen. Das haben wir als Sozialdemokraten von Anfang an gefordert.
Mit dem vorliegenden Gesetzespaket soll diese Forderung nun schrittweise umgesetzt werden. Eine grundlegende Neugestaltung des Regulierungs- und Aufsichtsrahmens des Finanzsektors soll nun Realität werden. Es geht dabei um eine gemeinsame Bankenaufsicht sowie um einen gemeinsamen Rahmen für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Bankenunion ist ein wirklicher Quantensprung der Integration der Finanzmärkte, ein neues Stück Europa,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
eine wirkliche Integrationsrevolution. Sie war vor zehn Jahren noch völlig undenkbar.
Die Bankenaufsicht für systemrelevante große Institute soll zukünftig von der EZB übernommen werden. Der Finanzminister hat eben ausgeführt, dass es nicht ganz einfach ist, Geldpolitik und gleichzeitig Bankenaufsicht zu betreiben. Wir brauchen eine adäquate Trennung dieser beiden Bereiche, und wir brauchen die Perspektive, dass die Bankenaufsicht in Zukunft wieder aus der EZB herausgelöst und in eine eigenständige Behörde überführt wird.
(Beifall bei der SPD)
Die Bankenaufsicht muss so gestaltet werden, dass sie schlagkräftig ist, dass sie leistungsfähiger ist und über den notwendigen Biss verfügt. Dazu ist eine enge Kooperation mit den nationalen Aufsehern notwendig. Dazu brauchen wir klare Schnittstellen sowie klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten auf beiden Seiten. Das gilt für die EZB, das gilt in Deutschland für die BaFin und genauso für die Bundesbank.
Wer Banken sanieren und abwickeln muss und will, braucht dazu Geld, im Regelfall viel Geld. Wir wollen, dass dieses Geld zukünftig nicht mehr vom Steuerzahler aufgebracht wird. Ein zentrales Instrument in diesem Zusammenhang ist der Bankenhaftungsfonds. Er soll von Beiträgen der Banken gespeist werden. Der Fonds soll nach einer Übergangsfrist in acht Jahren mit einem Volumen von 55 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Die Ausgestaltung der Beiträge, die die Banken zu leisten haben, wird durch einen delegierten Rechtsakt auf europäischer Ebene festgelegt. Ohne ein faires System der Bankenabgabe – das sage ich hier mit aller Deutlichkeit – wird es allerdings keine Zustimmung meiner Fraktion zu dem Gesamtpaket geben. Das ist für uns ein ganz wichtiger Punkt.
(Beifall bei der SPD – Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, eine rote Linie!)
Banken mit hohem Risiko müssen den Löwenanteil der Mittel aufbringen. Wer höhere Risiken hat, muss höhere Abgaben zahlen. Das bedeutet auch, dass diese Beiträge – ein Kollege hat vorhin darauf hingewiesen – nicht von der Steuer abgesetzt werden dürfen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Auch hier muss die Eigenverantwortung der Institute und darf nicht der Steuerzahler das Maß aller Dinge sein.
Wir haben gehört, dass es eine Haftungskaskade gibt. Bevor diese Mittel in Anspruch genommen werden, müssen die Anteilseigner und Gläubiger die Verluste bis zu einem Gesamtvolumen von 8 Prozent der gesamten Verbindlichkeiten nebst Eigenmitteln tragen. Mit dieser Haftungskaskade wird das Ziel einer Entlastung des Steuerzahlers umgesetzt. In Deutschland wird die Finanzmarktstabilisierungsanstalt die Sanierung und Abwicklung für eine Übergangszeit durchführen. Danach wird das Ganze in die BaFin überführt und dort als sogenannte Anstalt in der Anstalt angesiedelt.
Wir werden im Beratungsprozess dieser Gesetzentwürfe über eine ganze Reihe von Fragen zu diskutieren haben. Dabei geht es um die Frage eines möglicherweise zwangsweisen Rechtsformwechsels in einer Krisensituation. Das betrifft Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Wir werden uns mit diesem Thema intensiv auseinandersetzen und dies prüfen müssen.
Zusammenfassend möchte ich deutlich machen: Mit diesem Gesetzespaket wird eine neue Ära eines reformierten Finanzsektors begonnen. Er wird sicherer und stabiler sein. Im Falle einer Krise werden zukünftig der Eigentümer und der Gläubiger und wird nicht mehr der Steuerzahler zur Kasse gebeten. Auch Banken können dann abgewickelt werden. Dieser Bereich wird dann keine marktwirtschaftsfreie Zone mehr sein, und das ist auch gut so.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der Kollege Sarrazin bekommt als nächster Redner das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3907355 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 54 |
Tagesordnungspunkt | Europäische Bankenunion |