25.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 54 / Tagesordnungspunkt 4 + ZP 2,3

Claudia Roth - Freihandelsabkommen der EU mit USA und Kanada

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren einmal mehr über TTIP und über CETA. Diese Debatte ist gut, weil wir das, was in der Öffentlichkeit diskutiert wird, sehr ernst nehmen. Ich will ausdrücklich unterstreichen, dass wir diese öffentliche Debatte brauchen und all denjenigen, die sich kritisch äußern, zurufen: Meldet euch! Wir wollen mit euch diskutieren.

Was schlecht ist, ist die Grundlage der heutigen Debatte, nämlich die drei uns vorliegenden Anträge. Einer ist von der Fraktion Die Linke. Er zeichnet sich dadurch aus, dass man das, was auf dem Parteikonvent gesagt wurde, als Steinbruch genommen hat, sich genau die Passagen herausgesucht hat, die einem passen, sie zusammengeschrieben und zu einem Antrag formuliert hat. Das, liebe Fraktion der Linken, ist Kindergarten, große Gruppe.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Etwas einfach nur abzuschreiben, keine eigenen Ideen vorzutragen und vor allen Dingen dann auch noch den eigentlich entscheidenden Punkt wegzulassen, ist für ein solches Haus eigentlich nicht akzeptabel. Das sollten Sie in der Zukunft unterlassen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Was meine ich damit? In der öffentlichen Debatte kommt es zuallererst darauf an, zu berichten, warum wir ein solches Abkommen überhaupt abschließen wollen, warum es diese Verhandlungen gibt. Wir müssen zunächst deutlich machen, dass wir die Handelsräume zusammenführen, die sogenannten nichttarifären Handelshemmnisse, diese unsäglichen unterschiedlichen Normen und Standards, abbauen und die Verfahren für Mittelstand und Großindustrie erleichtern wollen. Wenn wir das kommuniziert haben, dann sollten wir auch sagen, wo die roten Linien sind. Genau das tun Sie nicht. Sie suchen immer wieder Gelegenheiten und Sie suchen – wie in einem Steinbruch – Textbausteine, um deutlich zu machen: An dieser Stelle mit uns nicht. – Ich bitte Sie, irgendwann ausdrücklich zu erklären: Wir wollen keine Freihandelsabkommen. Wir wollen TTIP nicht. Wir wollen CETA nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

In diesem Fall würde Ihr Antrag aus einem Satz bestehen. Dann könnte man ihn viel einfacher verstehen und natürlich viel einfacher ablehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Das Gleiche gilt im Übrigen aber auch für den Antrag der Grünen. Ich habe in den Gesprächen, die wir nicht zuletzt auch im Ausschuss miteinander geführt haben, gelernt, dass Sie offensichtlich nicht zu der Fraktion gehören, die Freihandelsabkommen grundsätzlich ablehnt.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

– Willkommen im Klub! Das ist gut. – Sie machen das Gegenteil von dem, was die Linke tut. Aus den roten Linien, also dem, was wir in den Verhandlungen verhindern wollen, greifen Sie sich nur einen Teil heraus – wahrscheinlich den, der ganz besonders populär ist.

Sie sprechen nicht davon, dass wir verhandeln wollen, dass die ILO-Kernarbeitsnormen in einem Kapitel ihren Widerhall finden müssen. Sie sprechen nicht davon, dass es uns um öffentliche Daseinsvorsorge geht. Sie sprechen nicht davon, dass wir die Standards nicht absenken wollen, sondern dass wir die US-Standards und die europäischen Standards auf das jeweils höchste Niveau heben wollen. Sie sprechen nicht davon, dass wir bei Kultur und Medien aufpassen wollen, dass beispielsweise die Buchpreisbindung nicht unter die Räder gerät.

Das alles spielt keine Rolle, weil es in der Diskussion kein so schlagkräftiges Argument ist. Sie beziehen sich nur auf einen Teil. Deshalb also meine Bitte: Reden Sie Klartext. Stehen Sie zu den Verhandlungen. Stehen Sie dazu, dass wir die Vorteile für den Mittelstand, für die Industrie, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nutzen und dass wir alles Erdenkliche tun wollen, dass diese Abkommen zum Abschluss kommen. Oder stellen Sie sich auf die andere Seite, die alles grundsätzlich ablehnt.

Ich will es hier noch einmal ganz deutlich sagen:

Aber kurz.

Die sozialdemokratische Fraktion wird alles dafür tun, dass sowohl CETA als auch TTIP keinen Investorenschutz und keine Schiedsgerichtsklausel enthalten, dass die ILO-Kernarbeitsnormen ihre Verankerung finden, dass die Standards nicht abgesenkt werden, dass der öffentliche Dienst nicht gefährdet wird, dass es keine genmanipulierten Nahrungsmittel gibt. Das sind unsere Ziele. Diese werden wir durchsetzen, und zwar auf unserem Wege.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege, erlauben Sie kurz vor Schluss noch eine Zwischenfrage?

Sehr gerne. – Die ist nicht von mir bestellt; aber ich freue mich über die Verlängerung der Redezeit.

(Beifall bei der SPD)

Das glaube ich, dass die nicht von Ihnen bestellt ist. – Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Kollege Tiefensee. – Weil Sie gerade sagten, dass die Abkommen gut für den Mittelstand seien, wollte ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass der Bundesverband mittelständische Wirtschaft die Verhandlungen ablehnt.

(Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Das hatten wir doch gerade gehört! Waren Sie da noch nicht im Plenum?)

Wenn Sie das wissen, wieso behaupten Sie dann hier das Gegenteil?

(Beifall bei der LINKEN – Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Zuhören!)

Da fragen Sie jetzt gerade den Richtigen. Gemeinsam mit Ihrem Kollegen Gysi und anderen – Cem Özdemir zum Beispiel – habe ich die große Ehre, Mitglied im politischen Beirat des BVMW zu sein. Ich sitze also als Berater im Vorstand. Wir haben darüber diskutiert, wie es um TTIP bestellt ist. Ich bin dem Wirtschaftsminister sehr dankbar, dass er den BVMW an den Tisch des Beraterkreises geholt hat und dass er sich direkt mit ihm austauscht. Die Situation stellt sich folgendermaßen dar: Das Präsidium des BVMW sagt: Wir werden, genauso wie das die Parteien der Koalition machen, auf eine ganze Reihe von Dingen achten müssen. – Diese habe ich vorhin aufgezählt. Wir erhoffen uns Vorteile bei der Beseitigung nichttarifärer Hemmnisse.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Was ist das denn?)

Weil Sie mich danach fragen, Herr Ernst, darf ich ein Beispiel nennen.

Herr Kollege, machen Sie es bitte kurz, sonst kriege ich Ärger.

(Thomas Oppermann [SPD]: Er hat doch eine Frage gestellt!)

Wenn Sie eine Maschine bauen, die Zucker herstellt, dann müssen Sie berücksichtigen, dass Zucker im letzten Verfahrensschritt explosiv ist. Aus diesem Grund muss die Maschine explosionssicher sein. Es gibt dafür einen deutschen Standard. Der Maschinenbauer, der diese Maschine baut und nach Amerika exportieren will, baut sie zuvor noch einmal auseinander – andere Kabel, andere Schellen, andere Einzelteile –, um sie dann, neu zusammengebaut, nach Amerika zu liefern, damit die Maschine dort den Test besteht. Genau das will der Mittelstand nicht. Genau das will der BVMW nicht. Diese nichttarifären Handelshemmnisse müssen abgebaut werden, damit Kosten gespart werden, Arbeitsplätze entstehen bzw. Arbeitsplätze erhalten werden. Sie werden sehen: Wenn wir all diese roten Linien nicht überschreiten und die Vorteile in die Verhandlungen eingebracht haben, werden am Ende der BVMW und der Mittelstand genauso wie der DGB zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Danke, Herr Kollege Tiefensee. – Nächster Redner in der Debatte: Alexander Ulrich für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3909387
Wahlperiode 18
Sitzung 54
Tagesordnungspunkt Freihandelsabkommen der EU mit USA und Kanada
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