Dirk WieseSPD - Freihandelsabkommen der EU mit USA und Kanada
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zunächst drei Anmerkungen. Erstens. Die von der Fraktion Die Linke vorgelegten Entschließungsanträge sind vor allem eines:
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Gut!)
Gysi-Plag im Deutschen Bundestag, alles abgeschrieben und geklaut, Copy-and-Paste in Reinform, kein Zeugnis von einer eigenen sachlichen und kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema.
(Beifall bei der SPD)
Zweitens. Den Gegnern aufseiten der Linken geht es doch nicht um Arbeitnehmerrechte, Sozialstandards und Verbraucherschutz. Denn wenn es um ein Freihandelsabkommen mit Putins Russland ginge, dann würde sich Klaus Ernst als Erster eine Schürze umbinden und im Bundestag Chlorhühnchen brutzeln.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sie würden auf eine Vertragsunterzeichnung drängen.
Erlauben Sie eine Rückfrage vom „Chlorhühnchen“ Klaus Ernst?
(Heiterkeit)
Ja, selbstverständlich.
Es freut mich, dass Sie hier noch für Stimmung sorgen. Aber sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass es hier gar nicht um ein Handelsabkommen mit Russland geht? Weil das so ist, möchte ich außerdem fragen: Glauben Sie tatsächlich, dass ich als Oberbayer eine ganz besondere Affinität zu Russland habe? Das müssten Sie mir schon einmal nachweisen.
Ich möchte noch etwas sagen. Ich erlebe in dieser Debatte permanent gegenseitige Diffamierungen, ohne dass auf den Inhalt eingegangen wird. Da noch mehrere Redner von der Koalition sprechen werden, möchte ich Sie bitten, auch ein wenig zum Inhalt zu sagen. Ich habe heute gehört, wir seien Nationalisten. Außerdem habe ich gehört, wir seien fast so wie die AfD. Dann höre ich berechtigterweise den Hinweis, man solle doch bitte schön ein bisschen vorsichtig sein und auf die gegenseitige Glaubwürdigkeit achten. Glauben Sie nicht, dass es angesichts der langen Redezeit, die den Regierungsfraktionen noch zur Verfügung steht, sodass wir Ihnen noch zuhören dürfen, auch sinnvoll wäre, ein wenig auf den Inhalt einzugehen und sich den Unfug mit Russland zu sparen?
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sehr geehrter Kollege Ernst, ich nehme das gerne zur Kenntnis. Ich schaue auf die Uhr und stelle fest, dass ich gerade einmal 37 Sekunden geredet habe. Insofern komme ich auf die Inhalte noch zu sprechen. Deshalb bitte ich Sie an dieser Stelle um ein bisschen Geduld.
Was ich mit diesem Vergleich deutlich machen möchte – das sage ich hier ganz offen –, ist, dass es Ihnen nicht um die Details des Abkommens geht.
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Natürlich!)
Ihnen geht es nicht darum, was später drinstehen wird. Es geht Ihnen nur darum, mit wem das Abkommen geschlossen wird. Das ist ganz klar.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sie fahren genauso fort, wie Sie begonnen haben!)
An dieser Stelle sind Sie geschlossen und geeint in Ihren Reihen: Amerika ist schlecht. Mit den Amerikanern macht man keine gemeinsame Sache. – Zu dieser Aussage stehe ich auch an dieser Stelle.
(Beifall bei der SPD)
Drittens. Selbst wenn wir bei den Abkommen – an dieser Stelle werde ich polemisch – die sofortige Verstaatlichung von Schlüsselindustrien und die Einführung des Sozialismus beschließen würden, die Linke würde nicht zustimmen. Das Gleiche gilt beim Verbraucherschutz. Hierzu nenne ich Ihnen ein Beispiel. Fettige Pommes aus Europa sind Ihres Erachtens gut – die essen Sie auch –, fettige Pommes bei McDonald’s lehnen Sie aber ab. Dies ist nur ein Beispiel.
(Beifall bei der SPD)
Es ist eigentlich sinnlos, auf die Vorwürfe und Verzerrungen der Opposition einzugehen. George Orwell hat aber einmal zu Recht gesagt:
Das will ich als Mitglied des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft gerne machen.
In Europa gilt das Vorsorgeprinzip „farm to fork“. In den USA gilt dieses Prinzip nicht. Meine klare Einschätzung ist, dass wir hier nicht zusammenfinden; denn was für die Europäer ein amerikanisches Chlorhühnchen ist – da gebe ich Ihnen recht –, betrachten die Amerikaner bei uns zu Recht als europäisches Salmonellenhühnchen. Die finden unseres nicht gut, wir finden ihres nicht gut. Dann kommen wir nicht zusammen. Dann kommt es eben hier nicht auf den Teller und dort auch nicht. Ich persönlich glaube, dass das Wort „Chlorhühnchen“ – gestatten Sie mir an dieser Stelle die Anmerkung – 2014 das Unwort des Jahres wird.
Gerade im Bereich von Lebensmitteln und Landwirtschaft wird der Markt für Chlorhühnchen, genveränderte Lebensmittel oder hormonbehandeltes Rindfleisch zubleiben. Das führt aber in den Verhandlungen dazu, dass wir ein Geben und Nehmen haben. Wir müssen vielleicht darüber nachdenken, den Markt für nicht hormonbehandeltes Rindfleisch zu öffnen oder den USA zu sagen, dass Käse und Milch aus Europa gar nicht so schlecht sind; denn sie haben dort ein paar Vorurteile.
Wichtig ist nur, dass es zu keiner Absenkung von Standards kommt. Lassen Sie uns nicht immer von einer Absenkung von Standards reden. Lassen Sie uns einmal darüber reden: Warum setzen wir uns nicht alle gemeinsam dafür ein, unsere hohen europäischen Standards zum Exportschlager zu machen? Lassen Sie uns diese Debatte einmal andersherum führen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Glauben Sie mir, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linkspartei: Die gesamte SPD diskutiert sehr intensiv über ein Für und Wider des Abkommens. Viele berechtigte Kritikpunkte finden sich im von Ihnen geklauten und zudem unvollständig vorgelegten Beschluss des Parteikonvents. Wir sehen aber auch die Chancen. Wichtig ist mir als Mitglied des Deutschen Bundestages – ich glaube, hier kann ich für alle Kolleginnen und Kollegen sprechen –, dass es ein gemischtes Abkommen ist, dass wir am Ende mitentscheiden. Das ist das Wichtige. Wir tragen Mitverantwortung. Darauf kommt es mir an.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Wiese. – Nächster Redner in der Debatte ist Dr. Hans-Peter Friedrich für die CDU/ CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3909447 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 54 |
Tagesordnungspunkt | Freihandelsabkommen der EU mit USA und Kanada |