Hans-Peter FriedrichCDU/CSU - Freihandelsabkommen der EU mit USA und Kanada
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Verlauf der Debatte zeigt, wie wichtig es ist, dass wir hier im Deutschen Bundestag sicher nicht zum letzten Mal über diese wichtige Frage reden. Bei diesem Abkommen mit den USA handelt es sich um eine der wichtigsten wirtschaftspolitischen Entscheidungen, wahrscheinlich für die nächsten Jahre.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sollten uns darüber im klaren sein – das wurde heute schon mehrfach gesagt –: Unsere Stärke, der Wohlstand unseres Landes beruhen darauf, dass es offene Märkte gibt, dass es freien Handel gibt. Sie, Kollegen von den Linken, sollten nach 25 Jahren langsam einmal lernen, dass man Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand nicht schafft, indem man Mauern um Länder baut, sondern indem man Märkte öffnet. Das ist der entscheidende Punkt, und deswegen ist es hier so wichtig.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir haben eine Verantwortung, die über Deutschland hinausgeht. 25, 26 Millionen Arbeitslose in Europa haben mit einem Freihandelsabkommen jetzt die Chance auf geschätzt zwischen einer halben und anderthalb Millionen neue Arbeitsplätze. Ich glaube, diese Chance dürfen wir uns nicht entgehen lassen.
Wir sind ein Land, das eine Exportquote von 40 Prozent hat. Kollege Tauber hat schon darauf hingewiesen: Experten haben ausgerechnet, wenn wir keine offenen Märkte hätten, dann hätten wir in Deutschland nur noch die Hälfte unseres Wohlstands. Das heißt, jeder hätte Monat für Monat nur noch die Hälfte des Einkommens in der Tasche. Ich glaube, das zeigt, welche Bedeutung offene Märkte und freier Handel haben.
Lassen Sie mich ein Wort zu den Grünen sagen: Ich verstehe, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, dass Sie keine richtigen Themen mehr haben. Die Kernenergie ist Ihnen weggenommen worden. Sie haben keine Botschaft mehr. Ich bitte Sie, wenn Sie neue Themen suchen, nehmen Sie nicht die falschen. Werden Sie bitte Ihrer Verantwortung gerecht. Hier geht es um viel für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für die Verbraucherinnen und Verbraucher, für die Menschen in Deutschland und Europa. Ich bitte Sie um eine differenzierte Diskussion und nicht um eine holzschnittartige, wie wir sie hier erlebt haben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Wolfgang Tiefensee [SPD])
Natürlich – der Bundeswirtschaftsminister hat darauf hingewiesen – gibt es im Zusammenhang mit diesem Abkommen auch Herausforderungen. Es ist natürlich ein Unterschied, ob man ein Freihandelsabkommen mit einem Entwicklungsland macht, wo die Strukturen relativ einfach, überschaubar sind, oder ob hochentwickelte Industriegesellschaften zusammen ein Freihandelsabkommen machen, weil dort die Komplexität der Neben- und Auswirkungen viel größer ist. Deswegen muss man da sorgfältig herangehen und differenziert diskutieren. Deswegen ist der Stil und die Art und Weise, wie diskutiert wird – holzschnittartig, schwarz und weiß –, der falsche Weg. Wir müssen die Chancen nutzen und die Risiken minimieren. Das ist auch unsere Aufgabe als gewählte Parlamentarier in diesem Haus.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich möchte gerne auf den Kern dieses Freihandelsabkommens – eigentlich jedes Freihandelsabkommens – eingehen. Es geht zum einen darum, dass keine Zölle mehr erhoben werden. Zölle führen dazu, dass die Verbraucher in den Ländern, in die geliefert wird, mehr zahlen müssen und die Waren nicht in einem fairen Wettbewerb stehen; das beste Produkt, das in der Regel aus Deutschland kommt, setzt sich vielleicht nicht durch, weil es durch Zölle benachteiligt wird. Deswegen ist der Abbau von Zöllen immer wichtig.
Nun wird eingewendet – sicherlich zu Recht –, die Zölle in Richtung USA seien gar nicht so hoch. Aber wir haben an dem Beispiel, das Kollege Tauber vorhin genannt hat, gesehen: In einzelnen Branchen und Bereichen sind die Zölle höchst relevant. Wenn die Zölle in der Summe 20 bis 27 Prozent betragen, dann sind sie für eine Branche natürlich ein Nachteil. Deswegen ist der Abbau von Zöllen wichtig.
Der eigentliche Kern dieses Freihandelsabkommens besteht aber in etwas anderem, nämlich in der Chance, dass Europa und Amerika künftig in der Lage sind, bei neuen Technologien gemeinsam die Normen zu setzen, die dann weltweit gelten. In der EU und den USA leben gerade einmal gut 820 Millionen Menschen, aber dort werden 50 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet. Diese 820 Millionen Menschen haben die Chance, die Standards für die restliche Welt – für China, Afrika, Südamerika – zu setzen, die dann dort befolgt werden müssen. Diese Chance müssen wir wahrnehmen.
Ein Experte hat einmal richtigerweise gesagt: Normen sind die Sprache des Welthandels, und wer die Normen setzt, in dessen Sprache wird der Welthandel stattfinden. – Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Wenn wir in Europa jetzt die Chance verpassen, zusammen mit den USA die Normensetzer für neue Technologien der Zukunft zu werden – da geht es gar nicht mal um die bisher bestehenden Normen der Vergangenheit, sondern um neue Technologien, die tagein, tagaus erfunden werden und häufig auch wichtig werden –, dann machen wir einen entscheidenden und großen Fehler.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ein deutscher Mittelständler hat es einmal so formuliert: Die technischen Normen sind die Reisepässe für Waren und Güter. – Wir, die Europäer, und die Amerikaner können diejenigen sein, die die Reisepässe ausstellen, und das ist ein Riesenvorteil auch für unsere mittelständischen Unternehmer. Das muss man doch begreifen, anstatt immer über Konzerne zu schwadronieren; das ist der falsche Weg. Unsere Mittelständler werden von diesem Abkommen und der Normensetzung am allermeisten profitieren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es geht nicht um die Absenkung von Standards; das ist sowohl in den USA als auch in Europa immer wieder von höchster Stelle erklärt worden. Meine Damen und Herren, weder die europäische noch die amerikanische Wirtschaft hat es nötig, Standards einzuführen, um damit Dumping auf anderen Märkten zu betreiben; beide haben es nicht nötig, und beide brauchen es nicht.
Im Übrigen: Bei Umfragen in den Vereinigten Staaten sagen die Verbraucher dort, dass die amerikanischen Sicherheits- und Gesundheitsstandards selbstverständlich viel höher als die europäischen sind. Sie können die Umfrage machen, wo Sie wollen: Jeder glaubt, dass er die höchsten Standards hat. Wir werden in diesem Abkommen keine Mechanismen akzeptieren, die zur Absenkung von Standards im Umweltbereich, im Sozialbereich, im Gesundheitsbereich – wo auch immer – führen. Das ist, glaube ich, Konsens, auch in diesem Haus. Umgekehrt sage ich aber auch: Wir können nicht erwarten, dass die Amerikaner akzeptieren werden, dass das Betriebsverfassungsgesetz morgen auch in den USA gilt. Ich bitte darum, die Erwartungen, was das angeht, vielleicht etwas zu senken.
Das Thema Dienstleistungen muss angesprochen werden; denn Dienstleistungen machen inzwischen ein Drittel des Handels zwischen Deutschland und den USA aus. Das ist ein wichtiger Punkt. Vor allem Logistik- und Unternehmensdienstleistungen sind zentrale Themen. Bitte hören Sie auf, zu behaupten, die Dienstleistungsfreiheit, die in diesem Abkommen vorgesehen ist, würde zur Privatisierung der Daseinsvorsorge führen. Solch einen Unfug habe ich überhaupt noch nie gehört.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Handelsvorschriften führen nicht zu einem Zwang zur Privatisierung. Wer so etwas behauptet, redet den Leuten einfach Dinge ein; das hat einen Zweck, der nicht mit dem zu vereinbaren ist, was wir als Abgeordnete und als Parlamentarier letzten Endes zu verantworten haben.
Ich will etwas zum Thema Finanzdienstleistungen sagen; das ist ein wichtiger Punkt. Beim Thema Finanzdienstleistungen müssen wir sehr genau hinschauen, um zu wissen, worum es da geht. Den Rahmen – das hat Kollege Lämmel vorhin angedeutet – bilden im Grunde die G 20; auf dieser Ebene wurden sehr viele Regulierungen im Bereich der Bankenaufsicht vorgenommen. Aber es gibt bisher noch wenig Konsistenz bei der Umsetzung. Wir könnten versuchen, gemeinsame Standards der Vereinigten Staaten und Europas bei der Regulierung der Finanzmärkte und der Wertpapier- bzw. Bankenaufsicht zu etablieren. Das kann eine große Chance sein. Auch hier gilt unser Credo: Wir werden keine Absenkung und keine Lockerung der Regulierung und der Standards im Bereich Finanzdienstleistungen und Banken zulassen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ein letztes Wort zum Investitionsschutzabkommen. Denklogisch ist es nicht notwendig, dass ein Freihandelsabkommen ein Investitionsschutzabkommen hat. Man kann das eine ohne das andere machen; das ist überhaupt keine Frage. Auf der anderen Seite wissen Sie, dass Deutschland die Investitionsschutzabkommen erfunden hat, weil man verhindern wollte, dass deutsches Kapitel irgendwo im Ausland verschwindet und deutsche Sparer enteignet werden.
Die Bundesrepublik hat bereits über 130 Investitionsschutzabkommen abgeschlossen. In den über 3 000 Abkommen, die es weltweit gibt, sind Unzulänglichkeiten festzustellen; darauf ist bereits hingewiesen worden. Ein Problem ist die Intransparenz. Man weiß nicht genau, wie die Schiedsrichter ausgewählt werden. Das muss man ändern. Ein weiteres Problem ist, dass Kosten entstehen, die für Mittelständler untragbar sind. Man hat ausgerechnet: Eine Klage kostet 8 Millionen Dollar. Eine solche Summe macht jeden Mittelständler platt. Im Grunde genommen steht er vor einer Rechtsverweigerung.
Herr Kollege, Sie stehen vor dem Ende Ihrer Redezeit.
All diese Dinge müssen berücksichtigt werden. Es besteht die Chance – wenn man das will und wenn man die Kraft dazu hat –, dass man in einem Investitionsschutzabkommen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten all diese offenen Fragen regelt. Aber das wird der weitere Verlauf der Diskussion mit sich bringen.
Ich bitte Sie nur um eine differenzierte Diskussion. Hören Sie auf, Schwarz-Weiß-Malerei und holzschnittartige Angstmache zu betreiben. Das entspricht nicht der Wahrnehmung der Verantwortung von Parlamentariern.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Friedrich. – Es stehen noch drei Redner auf meiner Liste, und ich bitte Sie, diesen drei Rednern auch noch zuzuhören. Wir führen eine sehr lebendige Parlamentsdebatte. Ich stelle fest, dass immer mehr Zwischengespräche geführt werden. Sie mögen interessant sein, aber ich bitte Sie: Führen Sie die Gespräche nicht hier im Saal.
Nächster Redner ist Sascha Raabe für die SPD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Cite as | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Electoral Period | 18 |
Session | 54 |
Agenda Item | Freihandelsabkommen der EU mit USA und Kanada |