Peter BeyerCDU/CSU - Freihandelsabkommen der EU mit USA und Kanada
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass intensive Wirtschaftsintegration, wie beim EU- Binnenmarkt gesehen, zu Wohlstandsgewinnen führt, das wissen wir, das wissen Volkswirtschaftler, aber nicht nur die. Das hat auch kürzlich wieder eine aktuelle Prognos-Studie belegt. Die Schaffung des EU-Binnenmarktes ist seinerzeit, wenn wir uns erinnern, nicht ganz ohne Kontroversen und auch nicht ohne Ängste und Sorgen bei den Menschen vonstattengegangen.
Das erinnert an die Situation, wie wir sie heute im Hinblick auf TTIP und CETA haben. Dank einer weitsichtigen, auf die Zukunft Europas ausgerichteten Politik wurde die wirtschaftliche Integration Europas damals gut betrieben, und sie ist gut gelungen. Ziel einer transatlantischen Wirtschaftsintegration ist zwar nicht die Schaffung eines Binnenmarktes, wie wir ihn in der EU haben; es geht dabei aber immerhin um nicht weniger als um die Schaffung des größten Wirtschaftsraums der Welt und damit um die Steigerung des wirtschaftlichen Wohlstands der Menschen in unserem Land, in den Vereinigten Staaten und in der EU.
Ich möchte ein bisschen weg von reinen Zahlen, Daten und Fakten; denn CETA und TTIP sind weit mehr als ein bloßes Zahlengerüst. Es geht über rein ökonomische Ziele hinaus. Ich möchte den Fokus auf die enorme strategische und auf die geopolitische Bedeutung legen. TTIP wird nicht nur die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen vertiefen, sondern auch die weltweite Vorreiterrolle Europas und der USA inmitten starker globaler Konkurrenz dauerhaft stärken. Überall auf der Welt gibt es im Übrigen Bestrebungen, Handelsräume stärker zu integrieren, zusammenzulegen und den Warenaustausch zu vereinfachen.
TTIP und CETA sichern der EU und damit der Bundesrepublik und den Menschen, die hier leben, eine wichtige Positionierung in einer multipolaren Weltordnung. Diese Chance auf eine weitreichende Setzung von Standards in dieser globalisierten Wirtschaftswelt sollten wir gerade jetzt ergreifen; denn sie bietet sich uns mit einem Partner, der eine gleiche Wertebasis hat wie wir. Dabei muss es uns ein zentrales Anliegen sein, dass das Abkommen die hohen europäischen Schutzniveaus mit dem geltenden europäischen Recht und den nationalen Gesetzen sichert. Ein Verzicht auf TTIP und ein Verzicht auf CETA würden einem Verzicht auf die Einflussnahme beim Setzen internationaler Standards gleichkommen. Wir würden damit das Spielfeld anderen überlassen, die nicht unsere Wertebasis haben. Ich halte das gerade als Parlamentarier für verantwortungslos.
TTIP und CETA kann man auch nicht als isolierte Projekte behandeln, sondern sie müssen in einem euroatlantischen Kontext gesehen werden. Wir müssen dabei all das, was derzeit transatlantisch läuft, betrachten. Das Megaprojekt TTIP wird in einem Umfeld, in einer Zeit verhandelt, wo es um die transatlantischen Beziehungen nicht gerade gut bestellt ist. 25 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer braucht die transatlantische Partnerschaft belebende Impulse und bedarf der Selbstvergewisserung und der Stärkung. Wir müssen uns auf den Weg begeben, über das transatlantische Verhältnis grundlegend nachzudenken. Ich bin dankbar, dass diese Diskussion geführt wird.
Angesichts des verloren gegangenen Vertrauens bietet TTIP eine wichtige Chance, zur Sacharbeit zurückzukehren und gegenseitiges Vertrauen wieder aufzubauen. Dabei müssen wir Partner auf Augenhöhe sein, meine Damen und Herren.
Die gemeinsamen Werte, die ich bereits angesprochen habe, und die gemeinsamen Interessen mit den Amerikanern bilden dabei ein stabiles und belastbares Fundament. Uns verbinden nicht nur gemeinsame historische Erfahrungen, sondern auch die gemeinsamen Werte und Prinzipien wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit, Marktwirtschaft und auch der Respekt vor dem Individuum – um das nicht als Letztes zu nennen.
Natürlich dürfen wir nicht die Augen verschließen vor berechtigter Kritik und auch nicht vor den Ängsten und Sorgen der Menschen, die uns begegnen. Aber anders als andere halte ich es für schier verantwortungslos, in die Kerbe der Ängste und Sorgen der Menschen auch noch hineinzuschlagen. Unsere Aufgabe als verantwortungsvoll handelnde Parlamentarier muss es doch vielmehr sein, sich selbst auf einen Informationsstand zu bringen, der es erlaubt, Menschen aufzuklären und mit ihnen nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Deswegen sind wir uns auch alle einig in diesem Haus, dass das europäische Schutzniveau in den Bereichen Umwelt, Verbraucherschutz, Arbeitsrecht, Gesundheit und auch Produktsicherheit nicht nach unten angepasst werden darf. Wir werden alle keinem Abkommen zustimmen – weder bei CETA noch bei TTIP –, das diesen hohen europäischen Schutzstandards nicht Rechnung trägt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Freihandelsabkommen sind ein wunderbares Beispiel dafür, wie Bürokratieabbau – und zwar nicht nur im Kleinen, sondern in wirklich bedeutsamem Maße – gelingen kann. Wir haben heute in der Debatte schon mehrfach Beispiele für Doppelzulassungsverfahren, Doppelkontrollen gehört: immer dann, wenn es ähnliche Sicherheits- und Schutzstandards gibt. Diese Bürokratie führt zu einer Verschwendung von Ressourcen – beim Personaleinsatz, bei Zeit, bei Geld –, und diese Ressourcen stehen dann nicht für die wirklich wichtigen Dinge, für Innovation und technologischen Fortschritt, zur Verfügung. Auch aus diesem Grund ist es für mich ein – wenn ich dieses neue deutsche Wort benutzen darf – No-Brainer, TTIP und CETA zuzustimmen.
Kurz noch zu Investitionsschutzklauseln: Es ist ja auch eine Sorge, dass eine geheime Paralleljustiz entsteht, die gerade Großkonzerne begünstige. Zu diesem Thema haben wir heute schon viel Richtiges gehört. Es darf natürlich keine Einschränkung des politischen Handlungsspielraums von Staaten mit diesen Abkommen einhergehen. In der Tat haben internationale Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren so, wie wir sie heute kennen, ihre Schwächen. Viele alte Investitionsschutzabkommen laden regelrecht zum Missbrauch ein. Deswegen muss es unser Ziel sein, dass wir ein reformiertes Schiedsgerichtsbarkeitssystem in CETA und TTIP hineinverhandeln, integrieren, welches Missbrauch einen Riegel vorschiebt. Das kann gelingen durch bessere Regeln und Rahmenbedingungen, vor allen Dingen durch Transparenz des Verfahrens, durch einen Schutzmechanismus gegen ungerechtfertigte Klagen und auch durch die Schaffung einer Revisionsinstanz.
Meine Damen und Herren, ich versuche, die Zeit einzuhalten. Ich habe noch eine knappe Minute. Deswegen komme ich zum Schluss. Ich möchte noch einmal, wie der Kollege Wiese es getan hat, darauf hinweisen, dass wir es bei CETA und bei TTIP mit gemischten Abkommen zu tun haben. Deswegen müssen wir alle dafür kämpfen – ich appelliere insbesondere an die Adresse der Europäischen Kommission, der scheidenden wie der neuen –, dass die 28 nationalen Parlamente der Europäischen Union zustimmen müssen, dass sie ratifizieren müssen, dass wir nicht außen vor sind. Das muss uns ein wichtiges Anliegen sein, meine Damen und Herren. Deswegen appelliere ich an Sie: Seien Sie für TTIP; das ist etwas Gutes für die Menschen in diesem Lande. Die Chance, die uns gerade jetzt geboten wird, dies auch tatkräftig, positiv, konstruktiv zu begleiten, sollten wir nutzen. Wir sollten nicht fragen: „Warum gerade jetzt?“, sondern sagen: Gerade jetzt!
Vielen Dank.
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 18 |
Session | 54 |
Agenda Item | Freihandelsabkommen der EU mit USA und Kanada |