25.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 54 / Tagesordnungspunkt 5 + ZP 4

Petra Pau - Änderung des Strafgesetzbuches - Sexualstrafrecht

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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und Gewalt ist für mich eines der wichtigsten Vorhaben in dieser Legislaturperiode des Deutschen Bundestages. Heute gehen wir einen guten Schritt vorwärts, um die Schwächsten in unserer Gesellschaft besser zu schützen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir bringen heute zahlreiche Verbesserungen für die Opfer sexueller Gewalt auf den Weg. Warum ist das so wichtig? Das ist deswegen so wichtig, weil die, um die es geht, sich selber nicht wehren können. Deswegen müssen wir schnell handeln, und deswegen handelt diese Große Koalition heute.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf machen wir ganz klar: Der Handel mit Nacktbildern von Kindern ist kriminell. Das ist kein Kavaliersdelikt, das ist keine Ordnungswidrigkeit, das ist keine Bagatelltat, sondern das ist eine kriminelle Straftat.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Erstmals ist auch klar, dass weniger eindeutige Nacktbilder – insofern beseitigen wir Auslegungsschwierigkeiten, Frau Kollegin – von Kindern nicht mehr geduldet sind. Ein Verstecken hinter schwierigen Abgrenzungsfragen darf es in Zukunft nicht mehr geben. Ganz klar ist: Mit Nacktbildern von Kindern macht man in Deutschland ab heute keine Geschäfte mehr.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der Opferschutz, der Schutz von Kindern, meine Damen und Herren, beruht auf drei Säulen: erstens auf Prävention, zweitens auf einem lückenlosen Strafrecht, drittens auf effektiven Strafverfolgungsmöglichkeiten.

Zur Prävention: Männer mit pädophilen Fantasien von Taten abzuhalten, hat sich die Initiative „Kein Täter werden“ zur Aufgabe gemacht. Ich bin sehr froh – ich glaube, wir alle sind sehr froh –, dass wir in den aktuellen Haushaltsberatungen die Förderung und damit das Fortbestehen dieser Einrichtung gesichert haben; denn wirksame Prävention in diesem Bereich ist Kinderschutz.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir schließen mit diesem Gesetz aber auch im Strafrecht empfindliche Schutzlücken. Das Ziel lautet: keine Geschäfte mit Nacktbildern von Kindern, besserer Schutz vor Missbrauch. Die vorgelegten Änderungen sind auch notwendig. Es ist bittertraurig, dass es inzwischen eine ganze Industrie gibt, die ihre Grundlage in unendlichem Leid der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft hat. Deswegen ist es so notwendig und richtig, dass keine Geschäfte mehr mit Nacktaufnahmen von Kindern gemacht werden können. Es ist ein unerträglicher Zustand, dass es überhaupt so eine Industrie gibt. Wir werden auch das Tauschen von solchen Bildern verbieten; denn den Opfern ist es letztlich egal, ob es ein Entgelt für die Bilder gibt oder ob sie nur getauscht werden.

Bislang gibt es, Frau Kollegin, keine einheitliche strafrechtliche Praxis bezüglich der Frage, welche Nacktbilder strafbar sind und welche nicht. Es kann passieren, dass die Staatsanwaltschaft in München ein Verfahren wegen einer Nacktaufnahme einleitet und in Hamburg die gleiche Nacktaufnahme als unbedenklich eingestuft wird. Die Zahl solcher Wertungs- und Auslegungsfragen wollen wir minimieren.

Damit das klar wird – darauf hat der Bundesjustizminister ja zu Recht hingewiesen –, sage ich auch noch einmal: Selbstverständlich dürfen Eltern ihre Kinder beim Kindergeburtstag, ja, auch beim Spielen in der Badewanne und am Strand weiter fotografieren. Allerdings erlauben wir uns, allen Eltern den Rat zu geben, mit diesen Bildern sorgfältig umzugehen und sie beispielsweise nicht achtlos in soziale Netzwerke zu stellen, auch wenn das nicht strafbar ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Unbefugt gemachte Nacktaufnahmen von Kindern ohne eindeutigen sexuellen Bezug allerdings fallen künftig unter den ausgeweiteten Intimsphärenschutz, und das ist auch richtig so. Wenn ich vom Präsidenten des Deutschen Anwaltvereins höre, das gehe ihm zu weit, er wolle lieber in einer freien Gesellschaft leben, dann kann ich nur sagen: Es gibt keine Freiheit und kein Recht zum Anschauen von Nacktbildern fremder Kinder.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat er nicht gesagt!)

Freiheit auf Kosten der Schwächsten, das ist für uns keine Alternative.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen sehen, meine Damen und Herren, dass gerade über die sozialen Netzwerke, über das Internet diese Bilder in jeden Lebensbereich kommen. Rückzugsgebiete gibt es nicht mehr. Was einmal im Netz verbreitet wurde, das bleibt im Zweifel dort stehen. Hier handeln wir. Es darf nicht sein, dass ein einziges Foto das Leben eines jungen Menschen ein Leben lang belastet oder es sogar zerstört. Der Bundesjustizminister hat hier ein schreckliches Beispiel eindrücklich geschildert.

Die dramatische Wirkung einer Straftat über das Internet zeigt sich auch beim Thema Cybermobbing. Das Thema Mobbing ist nicht neu. Ebenso wenig sind die Gründe neu, welche zu Mobbing führen. Die Dimension von Mobbing im Internet und dort speziell in den sozialen Netzwerken ist aber aufgrund der damit verbundenen Öffentlichkeit noch um ein Vielfaches größer.

Jemand, der über das Internet sexuelle Kontakte zu einem Kind anbahnt, wird künftig ebenfalls einfacher belangt werden können. Es ist richtig und notwendig, dass wir das Recht entsprechend angleichen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, das Beispiel, das der Bundesjustizminister Maas zu Beginn seiner Ausführungen genannt hat, ist bekannt. Es darf doch keinen Unterschied machen, ob der Lehrer, der sich mit einer Schülerin sexuell einlässt, ein Vertretungslehrer oder ein Klassenlehrer ist. Anderslautende Rechtsprechung hat es aber immer und immer wieder gegeben. Deswegen stellen wir künftig sicher, dass sexuelle Kontakte zu Schülerinnen und Schülern für alle Lehrer strafrechtliche Konsequenzen haben. Für die Eltern und für die Opfer macht es nämlich keinen Unterschied, ob das ein Klassenlehrer oder nur ein Vertretungslehrer ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir werden auch den Strafrahmen erweitern. Wer kinderpornografisches Material hortet, muss künftig mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren rechnen. Diese Straferhöhung um ein Jahr ist in jedem Fall richtig; denn durch das Internet bieten wir Extremsammlern eine Plattform, auf der sie problemlos Hunderte, ja Tausende von solchen Bildern speichern und horten können. Diese Bildermessies müssen entsprechend bestraft werden. Wir dürfen nicht vergessen: Hinter jedem einzelnen Bild steckt eine verletzte Kinderseele und die Gefahr eines ruinierten Lebens.

Meine Damen und Herren, es ist auch richtig, dass wir die Verjährungsfristen verlängern. Zahlreiche Opfer sexueller Gewalt – das ist doch nachvollziehbar – sind psychisch über Jahre hinweg traumatisiert und können erst nach vielen Jahren, manche erst nach vielen Jahrzehnten über das Erlebte sprechen, sich jemandem anvertrauen und dies dann auch entsprechend zur Anzeige bringen. Daher gestalten wir die Verjährung so, dass alle Opfer sexueller Gewalt künftig die Chance erhalten, dann, wenn sie dazu in der Lage sind, gegen ihre Peiniger vorzugehen. Deswegen ruht die Verjährung künftig bis zum 30. Lebensjahr des Opfers und beginnt erst dann zu laufen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, klar ist, mehr Gesetze bringen nicht automatisch mehr Gerechtigkeit und weniger Straftaten und weniger Leid. Ich finde aber, wir haben heute ein gutes Paket auf den Weg gebracht, um den Opfern zu helfen – und darauf kommt es an. Die Einzelheiten werden wir uns im Gesetzgebungsverfahren anschauen. Sofern wir noch nachjustieren können und müssen, werden wir dies auch tun.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat die Kollegin Katja Keul für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3909572
Wahlperiode 18
Sitzung 54
Tagesordnungspunkt Änderung des Strafgesetzbuches - Sexualstrafrecht
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