25.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 54 / Tagesordnungspunkt 5 + ZP 4

Silke LaunertCDU/CSU - Änderung des Strafgesetzbuches - Sexualstrafrecht

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Zuckerbrot und Peitsche – leider muss ich bei meiner Rede zum Entwurf der Reform des Sexualstrafrechts heute nach dieser Methode vorgehen. Zunächst freut es mich außerordentlich, dass der Bundesjustizminister den Fall Edathy zum Anlass genommen hat, dieses Thema schnell auf die Agenda zu setzen. Er hat sein Ministerium einen Entwurf erarbeiten lassen mit dem Ziel, Gesetzeslücken bzw. Schutzlücken zu schließen und europäische Vorgaben, die noch nicht ausreichend umgesetzt sind, vollständig umzusetzen. Es ging zügig voran. Es freut mich, wenn schnell gehandelt wird.

Es gibt wirklich sehr viele positive Aspekte. Der eine ist, dass Sexualstraftaten gegenüber Personen unter 30 Jahren länger strafrechtlich verfolgt werden können, weil die Verjährung bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres ruht; wir haben es schon mehrfach angesprochen. Frau Wawzyniak, ich brauche da keine Evaluation. Kommen Sie einfach zu mir, und ich erzähle Ihnen von zig Fällen in der Praxis, die sich freuen, dass die Verjährung jetzt nicht so früh eintritt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das hängt nicht nur mit möglicher Verdrängung zusammen oder damit, dass die Opfer einfach so viel Zeit brauchen, weil es natürlich einen ganz intimen Bereich betrifft. Vielmehr führt eine solche Tat gerade bei Kleinkindern – wenn man sich ein bisschen mit Psychologie beschäftigt, weiß man das – zu einer Art Abkapselung. Sie können Fragen dazu gar nicht beantworten. Dieses Trauma wird frühzeitig in Form einer Abkapselung verdrängt. Erst 20 Jahre später, im Erwachsenenalter, taucht die Erfahrung plötzlich auf – ich kann Ihnen auch dazu konkrete Beispiele nennen –, oft erst, wenn der Täter wieder als Trainer im Sportverein tätig ist, wieder mit kleinen Kindern umgeht. Plötzlich kommen dann diese alten Geschichten aus dem Nichts hervor.

Wir wollen durch diesen Entwurf Gesetzeslücken schließen bei Vertretungslehrern, aber auch bei Personen, die mit dem Kind in einem Haushalt leben. Ein ganz großer Anwendungsfall in der Praxis sind sexuelle Übergriffe durch den Stiefvater oder die Großeltern. Auch da haben wir Schutzlücken geschlossen, und ich freue mich sehr, dass wir da vorangehen.

Ein weiterer Aspekt sind die sogenannten Posingbilder, der eigentliche Anlass der Reform; so habe ich es zumindest empfunden. Ich gebe zu, da muss ich leider ein paar Kritikpunkte anbringen. Wir haben bei der Strafbarkeit wegen Kinder- und Jugendpornografie – § 184 b und c StGB – den Wortlaut erweitert: Bilder „einer ganz oder teilweise unbekleideten Person … in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung“ fallen jetzt auch darunter. Das ist aber – darauf haben wir frühzeitig hingewiesen – keine phänomenale Erweiterung gegenüber der bisherigen Rechtsprechung. Sie haben natürlich recht: Das macht wieder Abgrenzungsprobleme, auch wenn es jetzt das Auffangbecken „Verletzungen des Persönlichkeitsrechts“ gibt.

Es macht schon einen Unterschied, ob Posingbilder als Kinderpornografie bestraft werden oder als bloße Verletzungen des Persönlichkeitsrechts – § 201 a StGB –, worunter jetzt Nacktbilder von allen Personen, die unbefugt aufgenommen wurden – vor allem natürlich die von Kindern –, fallen sollen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Für mich zählen dazu Nacktbilder von Kindern zu primär sexuellen Zwecken. Das ist mein Hauptanliegen bei dieser Reform. Das steht übrigens auch in der EU-Richtlinie, die wir umsetzen müssen. Da steht ganz eindeutig: Kinderpornografie ist auch „jegliche Darstellung der Geschlechtsorgane eines Kindes für primär sexuelle Zwecke“.

Da frage ich mich schon: Wieso können wir das nicht auch zur Kinderpornografie zählen? Ich bin auch Juristin, ich kenne die Gesetzessystematik, nur, ganz ehrlich: Wir sind der Gesetzgeber. Wir können die Gesetzessystematik ändern. Wir können die Überschrift „Straftaten gegen sexuelle Selbstbestimmung und Kinderpornografie“ nennen. Der entsprechende Paragraf beginnt dann: „Kinderpornografie ist …“, und dann formulieren wir das so, wie es in der EU-Richtlinie steht. Ich persönlich muss sagen: Je länger ich mich damit befasse, desto besser finde ich die Formulierung in der EU-Richtlinie. Sie hätte uns viele Abgrenzungsfragen erspart.

Ich möchte noch kurz den Aspekt ansprechen, warum es gar nicht so falsch ist, Kinderpornografie bei den Sexualstraftaten einzuordnen. Wenn es uns um die Posingbilder – Nacktbilder von Kindern zu primär sexuellen Zwecken – geht, dann gibt es natürlich einen Zusammenhang mit den Sexualstraftaten. Mein Mann ist Strafrichter; ich selbst war auch Richterin und Staatsanwältin. Er kam eines Tages – das war drei Wochen vor dem Fall Edathy – nach Hause und erzählte mir, dass er an jenem Tag jemanden wegen Kindesmissbrauch verurteilt habe. Der Täter war vorbestraft wegen Kinderpornografie.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das ist doch kein zwingender Zusammenhang!)

Dann sagte mein Mann so schön abstrakt: Offensichtlich gibt es doch einen Zusammenhang. – Jetzt weiß ich natürlich – wir hatten diesen Punkt in der Sachverständigenanhörung –, dass das nicht immer so ist. In der Sachverständigenanhörung hieß es auch, dazu gebe es keine Statistiken.

Die Praktiker – zu denen ich mich zähle – haben aber ein etwas anderes Gefühl: Dies trifft nicht bei jedem Täter zu, definitiv nicht bei jedem, aber bei einigen. Das ist ja auch nur menschlich. Auch wenn, wie mir die Praktiker bei der AG Recht sagen, nicht 30 Prozent, sondern „nur“ 5 Prozent „schwach werden“ und ihre Sexualität ein einziges Mal ausleben wollen, dann sind das schon 5 Prozent zu viel. Es wäre durchaus möglich gewesen – ob des Sachzusammenhangs oder unter dem Gesichtspunkt einer abstrakten Gefährdung –, Posingbilder dort mit einzuordnen und die Überschrift neu zu gestalten. Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass wir das noch ändern.

Aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass wir einen weiteren Punkt ändern; er betrifft eine der Konsequenzen der Einordnung der Nacktbilder beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Herr Hoffmann hat es angesprochen: Wenn ein Ersttäter nach dem neuen Gesetzentwurf bestraft wird, bekommt er für den Besitz mehrerer Nacktbilder 50, 60, 70 Tagessätze, gilt aber nicht als vorbestraft; somit steht nichts im Führungszeugnis. Im erweiterten Führungszeugnis würde es stehen, wenn die Nacktbilder kinderpornografisches Material wären. Das sind sie jetzt ja nicht. Also steht das nicht darin.

Stellen Sie sich vor, ein Kind von Ihnen ist im Sportverein – ich habe zwei kleine Kinder –, und der Trainer ist wegen des Besitzes sogenannter Posingbilder von nackten Kindern vorbestraft, was aber nicht im erweiterten Führungszeugnis steht. Ich denke, hier können wir noch nachbessern. Es wurde ja schon in vielen Punkten nachgebessert, sodass ich hier die Hoffnung noch nicht aufgegeben habe.

Ein weiterer Punkt, den ich noch ansprechen muss, ist die Strafverschärfung. Ich habe mich sehr gefreut, als ich gehört habe, dass man den Strafrahmen für den Besitz und den Erwerb von kinderpornografischem Material von zwei auf drei Jahre erhöht hat. Kinderpornografische Bilder sind Vergewaltigungsbilder oder harte Nacktbilder. Bis jetzt betrug hier das Strafmaß maximal zwei Jahre. Das ist zu wenig. Drei Jahre sind besser, aber für mich immer noch zu wenig. Die Höchststrafe für einen Diebstahl beträgt fünf Jahre. Für mich stimmt hier das Verhältnis immer noch nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zum Cybergrooming komme ich jetzt leider nicht mehr, weil meine Zeit abgelaufen ist, aber auch hier können wir noch ein bisschen nachbessern. Herr Minister, ich habe wirklich mit Freude zur Kenntnis genommen, dass im Vergleich zum ersten Entwurf an vielen Stellen nachgebessert wurde. Ich hoffe, wir tun das weiterhin an den Stellen, an denen wir noch drehen können.

Letztlich haben wir alle ein Ziel: den Schutz unserer Kinder. Dazu brauchen wir das Gesetz, die Prävention – wie gesagt –, aber auch die Polizei.

Frau Kollegin Launert.

Ich komme zum Schluss. – Wir benötigen auch eine gute Ausstattung des BKA; denn ganz ehrlich: Als Staatsanwältin habe ich oft ein Jahr lang gewartet, bis kinderpornografisches Material ausgewertet worden war. Was kann da in der Zwischenzeit alles passiert sein!?

Vielen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3909641
Wahlperiode 18
Sitzung 54
Tagesordnungspunkt Änderung des Strafgesetzbuches - Sexualstrafrecht
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