25.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 54 / Zusatzpunkt 6

Bernd FabritiusCDU/CSU - Aktuelle Stunde zur Flüchtlingskatastrophe an der türkisch-syrischen Grenze

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Krieg des IS gegen die zivilisierte Welt führt zu einer humanitären Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes. Tiefe Betroffenheit und Empathie mit den Flüchtlingen wurden bereits deutlich artikuliert. Im Kampf gegen das Elend der Flüchtlinge müssen wir daher die Wurzel des Übels angehen. Der marodierende und mordende IS muss zurückgedrängt werden.

Deutschland übernimmt in dieser schwierigen Situation in vielfältiger Weise Verantwortung. Auch die Lieferung von Waffen an die kurdischen Peschmerga war richtig. Das ist bestimmt keine imperiale Einflussnahme, Frau Kollegin Hänsel. Eine derartige Diktion hätte ich von Ihnen eher bei der russischen Präsenz in der Ukraine erwartet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Unterstützung der Weltgemeinschaft bei der Bekämpfung des IS ist beachtlich. Auch beim NATO- Partner Türkei würde ich mir eine entschiedenere Positionierung gegenüber dem IS wünschen. Die Türkei ist eines der Hauptaufnahmeländer in der Region und hat für die Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen große Anerkennung verdient. Die Eindämmung der Terrorgruppe IS erfordert ebenfalls gemeinsame Anstrengungen, und gerade die Türkei als direkter Nachbar spielt eine entscheidende Rolle. Das gestrige Umdenken des türkischen Präsidenten war überfällig.

Aber auch wir in Deutschland müssen wachsam sein. Radikalisierung findet auch hier statt. Der Kampf gegen den IS beginnt in Deutschland. Wir müssen Radikalisierung bereits im Ansatz unterbinden. Dafür sind wir auf die Unterstützung der muslimischen Gemeinschaft angewiesen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass Islamverbände am vergangenen Freitag deutlich gemacht haben, dass Terror und Hass nicht geduldet werden dürfen. Hier stehen die Verbände weiter in der Pflicht. Für schlechte Scherze wie die Schariapolizei in Nordrhein-Westfalen habe ich bei dem Ernst der Lage überhaupt kein Verständnis.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus der Region nimmt Deutschland ganz deutlich Verantwortung wahr. Innerhalb Europas tragen wir – das wurde schon gesagt – den größten Anteil. Die Akzeptanz in der Bevölkerung und die Bereitschaft, zu helfen, sind hoch. Aber gerade weil die Lage in der Region so dramatisch ist und wir mit weiteren Flüchtlingsströmen rechnen müssen, ist es wichtig, diese hohe Akzeptanz nicht zu gefährden. Ein bedeutender Schritt in diese Richtung war die Bestimmung sicherer Herkunftsländer. Dadurch werden in Deutschland dringend benötigte Kapazitäten frei, sodass die wirklich Schutzbedürftigen wie die Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen werden können

Ich möchte zur Vermeidung der Radikalisierung jedoch noch einen Schritt weitergehen. Es wird oft gefordert, Fremde sollten zwar integriert, aber nicht assimiliert werden. Mit derartigen Aussagen machen wir es uns zu einfach. Selbstverständlich sollen bei uns lebende Menschen ihre kulturelle Identität behalten und gerne ihre Bräuche pflegen. Ich fordere jedoch eine Assimilierung in unsere Wertegemeinschaft, an der wir festhalten und die wir nicht preisgeben wollen.

Die Bereitschaft, differenziert Verantwortung in Europa zu übernehmen, ist leider nicht überall zu beobachten. Wir müssen immer wieder feststellen, dass andere EU-Länder ihren Verpflichtungen, zum Beispiel im Rahmen des Dublin-Verfahrens, nicht angemessen nachkommen. Insbesondere beim Zustrom von Flüchtlingen über das Mittelmeer kommt es oft zu Unregelmäßigkeiten. Italien verzichtet auf eine Registrierung und lässt an seinen Küsten angelandete Flüchtlinge ungehindert weiterreisen. Auch Österreich nimmt seine Verantwortung bei den entsprechenden Kontrollen häufig nicht ernst genug. Sollten geltende EU-Prinzipien auch weiterhin auf diese Art und Weise verletzt werden, sollten wir dringend über die Möglichkeit vorübergehender Grenzkontrollen auch innerhalb des Schengen-Raums nachdenken.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Hey!)

Der Schwerpunkt der Flüchtlingshilfe muss in den Nachbarstaaten Syriens liegen. Dort kommen die meisten Flüchtlinge an. Deutschland hat seit 2012 rund eine halbe Milliarde Euro für humanitäre Hilfe und zur Verbesserung der Infrastruktur in den Nachbarstaaten Syriens bereitgestellt.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Viel zu wenig!)

Zudem ist das Technische Hilfswerk vor Ort und sorgt für sauberes Trinkwasser in den Flüchtlingslagern. Die Erfahrungen aus diesem Engagement haben deutlich gezeigt: Jeder Euro Hilfe vor Ort erreicht mehr Menschen als bei einer Aufnahme der Flüchtlinge in Deutschland.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb kürzen Sie! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Falsch! Stimmt doch gar nicht!)

Es muss letztlich unser oberstes Ziel sein, dass unsere Hilfe so viele Menschen wie möglich erreicht.

Vorhin sprach ich davon, die Wurzeln des Übels anzugehen. Die beste Lösung der humanitären Katastrophe an der türkisch-syrischen Grenze ist die Befriedung im Krisengebiet. Die Eindämmung des IS sowie eine Lösung des Syrien-Konflikts sind die Voraussetzungen dafür, dass die zahllosen Flüchtlinge bald wieder in ihr Heimatland zurückkehren können. Das sollte unser aller Ziel sein.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Kollege Andrej Hunko spricht jetzt für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3909650
Wahlperiode 18
Sitzung 54
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Flüchtlingskatastrophe an der türkisch-syrischen Grenze
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