Nicole MaischDIE GRÜNEN - Tierschutz
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Als Christian Schmidt, der Agrarminister, letzte Woche seine Initiative für mehr Tierwohl vorgestellt hat, war ich zunächst einmal überrascht, nicht darüber, dass er die Initiative ergriffen hat – irgendwann in dieser Legislatur musste ja einmal eine Initiative kommen –, sondern darüber, dass er dieses Werk „Eine Frage der Haltung“ genannt hat. Das ist clever plagiiert. Das ist nämlich ein grüner Slogan, mit dem wir nicht zuletzt bei der Landtagswahl in Niedersachsen Jahrzehnte schwarzer Agrarpolitik abgelöst haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Mal sehen, wie lange das hält!)
Aber bei Tierschutz führen wir keine Urheberrechtsdebatten. Da können Sie sich die Etiketten gern nehmen, wenn denn auch der Inhalt stimmt. Das ist in diesem Fall leider nicht so. Das ist ein Etikettenschwindel gegenüber der Bevölkerung in diesem Land.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, der Tierschutz braucht klare Regeln, keine Lippenbekenntnisse, und das sehen nach einer aktuellen Umfrage von PROVIEH 91 Prozent der Deutschen so. 91 Prozent der Deutschen möchten klare Gesetze, bessere Gesetze zum Schutz der Tiere. Aber diese Bundesregierung und diese Koalition sind offensichtlich nicht dieser Meinung.
Die Tierwohlinitiative des Ministers will ausschließlich freiwillige Verbindlichkeit. Das ist nicht nur semantisch interessant, sondern auch weitgehend wirkungslos. Sie spielen auf Zeit – und das auf Kosten der Tiere.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Für echten Tierschutz müssten Sie Haltung zeigen, müsste der Minister Haltung zeigen, und zwar vor allem gegenüber der eigenen Fraktion. Wer hat denn bei der letzten Tierschutznovelle auch noch die kleinste Verbesserung kleingehäckselt? Das waren Abgeordnete der Union. Das waren die eigenen Staatssekretäre von Ilse Aigner.
Die Koalition sagt: informelle Gesprächsrunden zum Tierschutz. Wir sagen: Dieses Parlament, dieser Raum hier ist der Ort, um über mehr Tierschutz zu debattieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deshalb haben wir Ihnen einen Antrag vorgelegt, in dem wir Ihnen das präsentieren wollen, was nicht nur die Grünen, sondern auch Millionen von Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land von der Politik erwarten. Ermöglicht werden muss nämlich ein würdiges Dasein für die Tiere in diesem Land. Das bedeutet: Endlich Schluss machen mit Qualzuchten!
Ich sage Ihnen: Die Leute in diesem Land wollen keine Puten mehr, die unter dem Gewicht ihres eigenen Brustfleischs zusammenbrechen. Die Leute wollen keine Sauen mehr, die so viele Ferkel werfen, dass ein Teil davon auf der Steilkante kaputtgeschlagen werden muss. Die Leute in diesem Land wollen auch keine Rassehunde, die so dicke Köpfe haben, dass die Welpen nicht mehr auf natürlichem Wege geworfen werden können, sondern dass der Tierarzt per Kaiserschnitt nachhelfen muss. Das ist pervers. Das kann so nicht bleiben. Darüber muss man nicht lange reden, sondern das muss ein Ende haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich sage Ihnen: Die Ställe in diesem Land müssen sich den Bedürfnissen der Tiere anpassen, nicht die Tiere müssen den Bedürfnissen der Ställe gemäß zurechtgeschnippelt werden.
Kühe haben Hörner, Hühner haben spitze Schnäbel, und Schweine haben Ringelschwänze. Eine Tierhaltungsform, der dazu nichts anderes einfällt, als zu amputieren und abzuschneiden, statt für Auslauf, Bewegung und Beschäftigung der Tiere zu sorgen, hat ihre ethische Legitimation verspielt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE] – Zuruf von der CDU/CSU: Keine Ahnung!)
Der Minister tippt in seiner Tierwohlinitiative viele wichtige Themen an. Das muss man ihm lassen. Er hat die richtigen Überschriften gesetzt. Wenn er aber im Zusammenhang mit dem illegalen Welpenhandel die Tierschutzverbände zum runden Tisch einlädt, dann muss er auch darauf hören, was die Fachleute sagen. Diese sagen zum Beispiel, Hunde müssen gekennzeichnet werden. Das findet Staatssekretär Bleser aber überflüssig. Ich finde, man braucht sich nicht zusammenzusetzen, um zu reden, wenn man den Rat der Experten dann doch nicht hören möchte.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn man wirklich für mehr Tierwohl sorgen möchte, dann muss man das vergurkte Tierschutzgesetz der vergangenen Legislaturperiode angehen. Das sagen nicht nur die Grünen, sondern das sagt auch die EU-Tierversuchsrichtlinie. Diese schreibt eine faire Abwägung zwischen Tierschutz- und Forschungsinteressen vor. Das sind zwei Interessen von Verfassungsrang, die gegeneinander abgewogen werden müssen.
Ich sage Ihnen: Wenn es immer noch so ist, dass für das Antifaltenmittel Botox jedes Jahr Tausende von Mäusen totgespritzt werden, dann stimmt doch irgendetwas nicht bei dieser Abwägung. Botox auf der einen Seite, Mäuse totspritzen auf der anderen Seite. Ist das wirklich eine faire Abwägung, wenn wir nicht einmal in der Lage sind, diese Praxis zu beenden? Schließlich gibt es schon tierversuchsfreie Alternativen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich finde, dadurch wird sehr deutlich: Sie haben bei der Tierschutznovelle Dinge verschlafen und schlecht umgesetzt. Weil im Zusammenhang mit dem Tierschutz in diesem Land so viel im Argen liegt, brauchen wir schlagkräftige Strukturen in Deutschland, um die Tiere zu schützen.
In einigen Bundesländern haben wir gute Erfahrungen mit dem Verbandsklagerecht für Tierschutzorganisationen gemacht. In Hessen und in Baden-Württemberg hat man gute Erfahrungen mit einem Beauftragten bzw. mit einer Beauftragten für Tierschutz gemacht. Das möchten wir auch für die Bundesebene.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, Tierschutz ist eine Frage der Haltung. Damit hat der Minister recht. Wir werden ihn daran messen, ob er bei dieser Frage auch Rückgrat beweisen kann und wirklich etwas Substanzielles zum Schutz der Tiere in diesem Land erreichen wird.
Ich danke Ihnen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nächster Redner ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Dieter Stier.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3909759 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 54 |
Tagesordnungspunkt | Tierschutz |