Artur AuernhammerCDU/CSU - Tierschutz
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer mit Tieren umgeht, der weiß, dass schnelle und heftige Bewegungen nicht zum Erfolg führen, sondern man ruhig und sachlich an das Tier herantreten sollte. Das sollte auch für unsere Debatte über den Tierschutz gelten. Wenn wir zum Erfolg kommen wollen, dann müssen wir sachlich darüber diskutieren und die besten Lösungen finden.
Die Frage der Haltung von Tieren, die Frage von Tierschutz und Tierwohl, ist aber auch eine Frage der Ethik, eine Frage des Selbstverständnisses unserer Gesellschaft. Der Kollege von den Linken hat gerade erwähnt, dass Tiere eigentlich ein Wirtschaftsgut sind und dass wir Tiere nicht als Wesen bezeichnen. Als Landwirt muss ich dazu sagen: Für mich sind meine Tiere im Stall Wesen, mit denen ich gerne umgehe, die mich kennen, die ich alle beim Namen kenne.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum stehen sie dann im Stall?)
Deshalb bitte ich, dass wir in der öffentlichen Diskussion die Leistungen unserer Landwirte, unserer Bäuerinnen und Bauern nicht so diskreditieren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Seit dem Jahr 2002 ist der Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz verankert. Dass wir weiter darüber diskutieren müssen und wir hier weiterhin gemeinsam nach guten Lösungen suchen sollten, ist uns klar. Minister Schmidt hat eine Tierwohlinitiative vorgelegt, die von uns in der Regierungskoalition gemeinsam getragen wird; davon gehe ich aus. Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Grünen, ich wäre dankbar, wenn Sie mit uns über diese Initiative des Bundesministers diskutieren würden. Ich sehe Ihren Antrag eigentlich als Diskussionsgrundlage im Zusammenhang mit dieser Initiative.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke, Kollege! Genau so war es gedacht!)
Hinsichtlich der Zielvorstellungen gehen unsere Ansichten an der einen oder anderen Stelle allerdings auseinander.
Herr Abgeordneter Auernhammer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Bulling-Schröter von der Fraktion Die Linke?
Ja, gerne.
Bitte schön.
Danke schön, Kollege Auernhammer. – Ich habe in der Rede meines Kollegen nicht gehört, dass er die Bauern diskreditiert hat. Auch Sie kennen sicher die Fernsehberichte, in denen gezeigt wird, wie eine Hilfskraft in einer großen Agrarfabrik durch die Reihen geht, ein, zwei Ferkel herausnimmt und erschlägt. Das ist nicht, wie Herr Stier sagt, Meinungsmache. Wenn ich mich recht erinnere, ging es um das Bundesland, aus dem er kommt. Ferkel so zu töten, so etwas muss doch definitiv abgeschafft werden.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich vermisse auch eine Diskussion über die Frage, wie man dagegen vorgehen kann, dass die Preise von großen Lebensmittelkonzernen diktiert werden. Die Bauern – das sagen Sie zu Recht – lieben vielfach ihre Tiere. Aus wirtschaftlichen Gründen können sie aber gar nicht anders, als die Tiere so zu behandeln, wie sie es tun. Mir fehlt eine Debatte darüber, dass Lebensmittel etwas wert sein müssen, darüber, dass nicht zulasten der Tiere Profit gemacht werden darf, darüber, dass kein Tierleid produziert werden darf. Das wollte ich Ihnen eigentlich nur sagen, und ich wollte Sie fragen, ob Sie diesbezüglich meine Meinung teilen.
Sehr verehrte Frau Kollegin, warten Sie ab, bis ich mit meiner Rede zu Ende bin, dann werden Sie sicherlich auch davon überzeugt sein, dass wir die eine oder andere Gemeinsamkeit haben. Große Missstände in großen Tieranlagen kenne ich aus der Zeit, aus der Ihre Partei eigentlich stammt. Das möchte ich hier noch erwähnt haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN: Oh! – Dagmar Ziegler [SPD]: Das ändert aber jetzt an der Wahrheit von heute auch nichts!)
Wir wollen also gemeinsam darüber diskutieren, wie wir den Tierschutz weiter nach vorne bringen. In der letzten Legislaturperiode wurde hier bereits sehr massiv über die Ferkelkastration gestritten. Ich selbst habe in meiner Ausbildungszeit auch Ferkel kastriert. Diese Ferkel waren 15 bis 20 Kilo schwer. Das war weder für das Ferkel noch für den Lehrling eine angenehme Erfahrung. Heute werden Ferkel bereits am dritten oder vierten Lebenstag durch einen kurzen chirurgischen Einschnitt kastriert. Nach der Kastration haben die Ferkel eigentlich nur ein Ziel: Wie komme ich am schnellsten wieder zur Muttersau, damit ich an die gute Muttermilch herankomme? Das ist jetzt die Situation in den Betrieben. Diese sollten wir unterstützen, und wir sollten nicht mit überzogenen Auflagen noch mehr Bürokratie gerade für die kleinstrukturierten Betriebe schaffen.
Wir sollten uns aber auch bewusst sein, dass Tierställe keine Streichelzoos sind. Tierställe sind nach wie vor die wirtschaftliche Grundlage für viele Bäuerinnen und Bauern und für viele Familienbetriebe. Deshalb sollten wir die Sachlichkeit in der Diskussion wahren. Gerade im Bereich der Rinderhaltung – da bin ich bei der kleinbäuerlichen Struktur – wurden sehr viele neue Investitionen in sogenannten Kuhkomfort getätigt, wodurch eine Umstellung von Anbindehaltung auf Laufstallhaltung erfolgt ist. Die Tiere haben mehr Platz. Sie können sich bewegen. Sie fühlen sich wohl. Ich glaube, das ist gut so. Wenn wir hier mit Forderungen zu schnell vorangehen, werden wir gerade diese bäuerlichen Familienstrukturen zerstören und diese Betriebe zum Aufgeben zwingen. Das ist nicht meine Intention.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Gerade die Zuchtverbände und die Besamungsorganisationen arbeiten zum Beispiel intensiv daran, die Hornlosigkeit bei der Tierzucht voranzubringen, damit eine Enthornung von Kälbern nicht mehr notwendig ist. Ich habe hier bereits gute Erfolge gesehen. Hier sind wir auf einem sehr guten Weg. Diesen sollten wir weiterhin beschreiten. Das gilt auch für andere Tierhaltungsformen. Die Zucht nach Hornlosigkeit wird sicherlich einen Beitrag dazu leisten, dass unsere Tiere tiergerechter gehalten werden können.
Ich darf hier auch erwähnen, dass gerade in der Milchviehhaltung seit den letzten Jahren verstärkt der Fokus auf die Langlebigkeit, auf die Lebensleistung der Tiere gelegt wird und nicht auf den schnellen Profit im ersten Jahr. Ich glaube, hier sind wir in der Landwirtschaft auf einem guten Weg. Auf diesem sollten wir uns weiter bewegen.
Ich komme zum Thema Tiertransporte. Das ist natürlich ein Lieblingsthema der Grünen. Tiertransportzeiten sollten möglichst kurz gehalten werden. Ich bin aber auch ein Freund marktwirtschaftlicher Entscheidungen. Wenn ich meine Schlachttiere nur für eine bestimmte Zeit transportieren darf, dann bin ich dazu verdonnert, meine Tiere zu bestimmten Abnehmern in der Nähe zu liefern. Würden Ihre Forderungen umgesetzt, könnte ich mir die Vermarktungsorganisation nicht aussuchen, weil der Transport dorthin vielleicht eine halbe Stunde zu lange dauert. Das kann keine tiergerechte Transportlösung sein.
Die gesamte Tierschutzdebatte hat auch einen europäischen und vor allem einen internationalen Ansatz. Es macht wenig Sinn, wenn wir – es ist bereits erwähnt worden – in Deutschland die höchsten Tierschutzstandards haben und dann mit noch höheren Standards unsere Tierhaltung herunterfahren, stilllegen, uns aus der Tierhaltung verabschieden. Das soll nicht unsere Landwirtschaftspolitik sein. Wir wollen mit unseren Tierhaltungsformen in Deutschland Vorbild sein für andere Staaten, auch für die Kollegen in Holland, die das eine oder andere vielleicht nicht so freundlich machen, wie es sein soll.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
– Der Herr Kollege Ebner hat eine Frage, und bevor Sie fragen, Frau Präsidentin: Ich möchte diese Frage zulassen.
Das entscheide immer noch ich.
(Heiterkeit – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: So ist es in Ordnung!)
Okay.
Bitte schön: Sie dürfen die Frage zulassen, und ich entscheide, dass er jetzt reden darf.
Vielen herzlichen Dank, Herr Kollege Auernhammer, für die Schaffung der Aufmerksamkeit aufseiten des Präsidiums.
Sie haben die bäuerlichen Betriebe angesprochen. Da sind wir uns vollständig einig. Deshalb möchte ich Sie jetzt fragen, ob Sie mit mir einer Meinung sind, dass wir darüber nachdenken sollten, wie wir die Betriebe bei einer schnelleren Umstellung auf tiergerechte Haltung, für mehr Tierschutz, finanziell unterstützen können – vielleicht fallen uns auch noch andere Arten der Unterstützung ein; aber Geld ist immer das Erste, waseinem einfällt –, um, Sie haben das angesprochen, diese Ungleichheit am Start zwischen größeren Betrieben und den kleinen, bäuerlichen Familienstrukturen besser auszugleichen.
Herr Kollege, da bitte ich Sie, einmal einen Blick auf die bayerische Agrarpolitik zu werfen. Wir haben hier sehr umfangreiche Stallfördermaßnahmen. Sicherlich kann man hier das eine oder andere mehr tun. Aber Investitionen gerade in Milchviehanlagen sind sehr teuer; da reden wir sehr schnell von einer halben Million Euro. Wir unterstützen das nach wie vor. Mir wäre es auch lieber, wir könnten hier mehr Geld in die Hand nehmen. Ich werde mich auch dafür einsetzen, um den Umbau von der – ich sage es jetzt konkret – Anbindehaltung zur kuhkomfortgerechten Laufstallhaltung zu ermöglichen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Frau Präsidentin, habe ich jetzt noch Zeit?
Für den Schlusssatz haben Sie noch Zeit.
Wenn wir dann allerdings all diese gesellschaftlichen Anforderungen erfüllen – mehr Tierschutz, mehr Tierwohl –, ist aber das Entscheidende: Honoriert uns das auch der Verbraucher? – Da habe ich, das sage ich ganz ehrlich, manchmal meine Zweifel.
Ich glaube aber nicht, dass es nur am Verbraucher liegt – es liegt auch an den Strukturen in unserem Lebensmitteleinzelhandel.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Wenn wir heute hören, dass ganze 85 Prozent der Lebensmittel, die in Deutschland gehandelt werden, von gerade einmal einer Handvoll Lebensmitteleinzelhändler vermarktet werden, dann erkennen wir: Wir haben hier eine große Aufgabe. Hier ist die Landwirtschaft gefordert; aber auch wir, die Politik, sind gefordert, uns dagegen aufzustellen und die Vermarktungsstrukturen besser zu begleiten.
(Beifall der Abg. Petra Crone [SPD])
Vielen Dank. Jetzt ist der Schlusssatz wirklich zu Ende.
(Abg. Artur Auernhammer [CDU/CSU] verneigt sich vor dem Präsidium – Heiterkeit – Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
– Bitte schön. Wir waren jetzt wirklich großzügig.
Nächste Rednerin ist Ute Vogt, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 54 |
Tagesordnungspunkt | Tierschutz |