25.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 54 / Tagesordnungspunkt 8

Christian FlisekSPD - Änderung des Urheberrechtsgesetzes

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Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Ihnen heute einen Gesetzentwurf zur Entfristung einer Regelung im Urheberrechtsgesetz vorstellen. Zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen der Union haben wir uns darauf verständigt, den § 52 a im Urheberrechtsgesetz in seinem Inhalt unangetastet und ohne weitere Befristung in den urheberrechtlichen Normenbestand zu übernehmen. Ich finde, auch mit solch scheinbar kleinen Gesetzesänderungen kann man manchmal Weitreichendes bewirken. Dieser Paragraf ist von großer Relevanz, wenn es um einen angemessenen und zeitgemäßen Zugang junger Menschen zu Bildung und Lehrmaterialien geht.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich das an einem Beispiel verdeutlichen. Stellen Sie sich die allgemeine Situation in einer Schule oder an einer Universität vor: Studenten an einer Universität sollen für ein Seminar ein kurzes Kapitel aus einem Lehrbuch durcharbeiten, oder Schüler sollen im Deutschunterricht ein bestimmtes Gedicht aus einem Sammelband lesen, um es dann im Unterricht zu behandeln. Wie wird dieses Lehrmaterial heute den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung gestellt?

Wie den meisten von uns erging es auch mir so: Früher hat der Lehrer das kopiert und anschließend ausgeteilt. Das hat sich geändert. Heute haben interne Netzwerke mit passwortgeschützten Zugängen für Schülerinnen und Schüler und für Studenten Einzug gehalten. Sie erleichtern auch das Leben aller Beteiligten. Die Lehrkraft scannt die entsprechenden Seiten ein und stellt sie den Schülern und Studenten im Intranet der Schule oder der Universität zur Verfügung. Die Schüler und Studenten laden sich das Unterrichtsmaterial einfach herunter. Genau das erlaubt § 52 a des Urheberrechtsgesetzes – jedoch nach geltender Rechtslage nur noch bis zum Ende dieses Jahres. Deshalb bringen wir heute den vorliegenden Gesetzentwurf in den Bundestag ein. Wir nutzen hiermit die Chancen der Digitalisierung und stellen die geschilderten, etablierten alltäglichen Arbeitsweisen in Schulen und Universitäten dauerhaft auf rechtlich stabile Füße.

Und diejenigen, die sich in der Vergangenheit mit Urheberrechtsfragen beschäftigt haben, wissen: Der § 52 a des Urheberrechtsgesetzes hat eine Geschichte hinter sich, genauer: eine über zehnjährige Geschichte. Mit befristeter Geltungsdauer ist er im Jahr 2003 erstmals eingeführt worden. Die Befristung wurde dreimal verlängert. Aber die damaligen Koalitionen – auch das muss man sagen – konnten sich nicht dazu durchringen, diese Norm endgültig zu entfristen, sehr zu meinem Unverständnis.

Ich möchte anfügen, dass ein Gesetzentwurf meiner Fraktion bereits in der letzten Legislaturperiode eine solche unbefristete Geltung vorgesehen hat. Dieser Standpunkt fand damals allerdings leider keine Mehrheit. Deshalb bin ich froh, dass wir heute einen wesentlichen Schritt weiter sind und diesen Paragrafen hoffentlich ohne größere Aufregung entfristen können. Das ist ein gutes Zeichen an alle Bildungsträger, Lehrkräfte, Schüler und Studenten in unserem Land.

(Beifall bei der SPD)

Diese Entfristung steht aber auch für das, was meiner Fraktion in allen urheberrechtlich relevanten Fragen besonders wichtig ist. Es geht darum, die Rechte der kreativen Urheber und auch ihrer Verwerter in einem digitalen Umfeld zu stärken. Es geht auch darum, die Rechte der Nutzer auf eine legale Nutzung digitaler Inhalte zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen.

In diesem Zieldreieck von Kreativen, Verwertern und Nutzern solch einen angemessenen Ausgleich herzustellen, erfordert in vielen Detailfragen oft urheberrechtliches Fingerspitzengefühl, sehr viel Arbeit und sehr oft auch Geduld. Alle, die sich im parlamentarisch-politischen Umfeld mit Urheberrecht beschäftigen, wissen das und können das sicherlich bestätigen.

Das Urheberrecht belohnt den kreativen Urheber für seine Kreativität grundsätzlich mit einem Monopol für sein kreatives Schaffen. Nach den Vorstellungen des Gesetzes entscheidet er selbst allein, ob er sein Werk veröffentlicht, wem er Rechte an diesem Werk einräumt und zu welchen Bedingungen dies geschieht. Der Alltag und die Praxis vieler Kreativer in Deutschland sehen dagegen gewiss anders aus. Sie sind froh, wenn sie ihr kreatives Schaffen in ein halbwegs planbares Einkommen verwandeln können. Bei dieser Sachlage sind neben Lizenzen vor allen Dingen vergütungspflichtige Schranken ein Mittel dafür, dass der Urheber und seine Verwerter ihre angemessene Vergütung erhalten und dem allgemeinen Interesse an einer Nutzung Rechnung getragen werden kann. § 52 a des Urheberrechtsgesetzes ist eine solche Schranke, die sich in der Praxis bewährt hat, und das sicherlich nicht zuletzt auch aufgrund der Konkretisierungen, die durch den Bundesgerichtshof in Urteilen vorgenommen worden sind.

Lassen Sie mich aber auch etwas Allgemeines zu den Schranken sagen. Durch die Digitalisierung ist die Zahl der Ausgleichsschranken im Urheberrechtsgesetz gestiegen. Es ist sicherlich kein Geheimnis, dass viele dieser Schranken mittlerweile unverständlich, komplex und damit auch für den Rechtsalltag wenig praktikabel geworden sind. Wir werden es daher in dieser Legislaturperiode nicht bei der Entfristung des § 52 a belassen. Der Koalitionsvertrag sieht vor, eine einheitliche Bildungs- und Wissenschaftsschranke für das Urheberrecht zu regeln. Das bedeutet: Urheberrechtlich geschütztes Material soll rechtssicher für Bildung und Wissenschaft genutzt werden können. Zugleich sollen die Rechteinhaber, also die Autoren und die Verlage, hierfür eine faire Kompensation erhalten.

Wir wollen die Schrankenregelungen im Bereich Bildung und Wissenschaft praktikabler und für alle Anwender verständlicher gestalten. Wir werden diese neue einheitliche Schrankenregelung für Bildung und Wissenschaft im Dialog mit allen Beteiligten entwickeln. Das wird keine leichte Aufgabe sein. Und dass dies alles unter den gegebenen europäischen Rahmenbedingungen zu erfolgen hat, macht die Angelegenheit sicherlich nicht einfacher. Für einen solchen Dialogprozess braucht es Zeit. Und dass ein solcher größerer Entwurf bis Ende dieses Jahres, also bis Ende 2014, sicherlich nicht zu leisten ist, liegt auf der Hand. Das ist auch der Grund, warum wir in einem ersten Schritt § 52 a entfristen: Um zu verhindern, dass er Ende dieses Jahres ersatzlos außer Kraft tritt.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist durchaus kein kompliziertes Gesetz, welches wir hier im Entwurf vorlegen. Eine Regelung, die sich bewährt hat, soll dadurch entfristet werden, dass ein Satz gestrichen wird, der da lautet: „§ 52 a ist mit Ablauf des 31. Dezember 2014 nicht mehr anzuwenden.“ Es ist aber ein wichtiges Gesetz. Die Träger von Schulen, Hochschulen, also letztlich die Bundesländer, erhalten mit dieser Entfristung Planungssicherheit, um entsprechende Infrastrukturen für ihre Institutionen aufzubauen, wo bisher Unsicherheit herrschte.

Der Gesetzentwurf ist ein wichtiger Beitrag für die weitere Entwicklung hin zu einem bildungs- und wissenschaftsfreundlichen Urheberrecht. Meine Damen und Herren, ich glaube, manchmal können auch einfache Gesetze wie dieses eine große Wirkung entfalten.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und freue mich auf die Diskussion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Halina Wawzyniak für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3910009
Wahlperiode 18
Sitzung 54
Tagesordnungspunkt Änderung des Urheberrechtsgesetzes
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