25.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 54 / Zusatzpunkt 7

Emmi ZeulnerCDU/CSU - Rezeptpflicht der "Pille danach"

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Kollegin Möhring, eigentlich fühle ich mich in Deutschland selbstbestimmt, und nicht nur eigentlich, sondern ganz sicher entscheide ich selbst, was ich mit meinem Partner mache und was nicht.

(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen wir aber auch hoffen!)

Bereits im Februar haben wir die Rezeptfreiheit von Levonorgestrel, kurz LNG, hier im Plenum des Bundestags diskutiert. Zwischenzeitlich hat eine öffentliche Anhörung dazu stattgefunden, und wir haben in den Arbeitsgruppen und auch im Ausschuss darüber debattiert. Die Argumente auf beiden Seiten sind dieselben geblieben. Ich erkenne aber an, dass wir uns im Sinne der Frauengesundheit eine Entscheidung nicht leicht machen dürfen, und respektiere den weiteren Diskussionsbedarf im demokratischen Sinne; dieses Anliegen eint uns wohl alle.

Seien Sie versichert: Ich bin mir bei der ganzen Diskussion bewusst, dass wir sowohl das hohe Gut der Patientensicherheit als auch das Recht auf Selbstbestimmung berücksichtigen müssen. Bei einer Entscheidung über die Freigabe von LNG muss beides abgewogen werden.

Die Fraktion Die Linke hat ihre Abwägung diesbezüglich getroffen. Für mich sind die Verbesserungen, die sich durch die Freigabe von LNG für die Frauen einstellen sollen, jedoch nicht so klar erkennbar. Laut Ihrem Antrag soll die Freigabe unter anderem einer Stigmatisierung der betroffenen Frauen entgegenwirken. Doch ich bitte Sie, nochmals genau hinzusehen, was die subjektive Wahrnehmung der Betroffenen angeht. Denn laut einer aktuellen europäischen Studie fühlen sich 30 Prozent der Frauen unwohl, stigmatisiert und bevormundet, wenn sie sich eine Notfallkontrazeption besorgen müssen, und das unabhängig davon, ob in den jeweiligen Ländern die Rezeptfreiheit von LNG bereits eingeführt wurde oder nicht. Eine Stigmatisierung von Mädchen und Frauen, gerade in Notsituationen, möchte nicht nur ich verhindern, sondern – da bin ich mir sicher – alle in diesem Saal Anwesenden.

Wenn wir von der subjektiven Wahrnehmung der Frauen reden, müssen wir in diesem Zusammenhang auch die als unzureichend empfundene Aufklärung über die Wirkung der Pille danach in den Fokus nehmen. Immer noch herrscht laut der bereits zitierten Studie aus dem Jahr 2014 gefährliche Unwissenheit über die Effizienz einer hormonellen Notfallkontrazeption. Dies hob auch Dr. Julia Bartley, Leiterin der Hormonsprechstunde an der Charité, in ihrer Stellungnahme zu der öffentlichen Anhörung hervor. Über 80 Prozent der befragten Frauen wünschen sich demnach eine bessere Aufklärung über die Pille danach. Davor dürfen wir in Deutschland nicht die Augen verschließen; denn nur eine aufgeklärte Frau kann im Notfall zu einer informierten und selbstbestimmten Entscheidung kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Über das Ziel sind wir uns somit alle einig: Frauen in Deutschland soll, wenn eine Notfallverhütung notwendig ist, rasche und umfassende Hilfe zuteilwerden. Uneins hingegen sind wir uns über den Weg zu dieser Hilfe und über die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen.

Die bewährten Rahmenbedingungen für die Pille danach dürfen wir durch eine Freigabe nicht etwa schmälern, sondern wir müssen sie weiter erhalten. Dies gilt auch im Hinblick auf die Entscheidungen auf europäischer Ebene. In diesem Punkt stehe ich voll hinter unserem Gesundheitsminister Hermann Gröhe, der aus nachvollziehbaren Gründen an der bewährten Linie Deutschlands in diesem Punkt festhält. Auch wenn die Entscheidung der EU-Kommission über das Präparat UPA, die im November vorliegen soll, ihre Schatten vorauswirft, muss es erst recht unser Anliegen sein, den betroffenen Frauen in Deutschland eine fundierte Beratung zukommen zu lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch die Konsultation des Internets, wie es einigen Kollegen vorschwebt, ist für mich keine ausreichende Beratungsgrundlage. Die Kompetenz von Ärzten sollte nicht durch einen Fragebogen im Internet, wie es schon heute über die Seite DrEd möglich ist, oder durch einen bloßen Klick auf den Button „In den Einkaufswagen“ ersetzt werden. Kann Ihrer Meinung nach ein zweiminütiger Videoclip dasselbe leisten wie das Vieraugengespräch in einem geschützten Raum mit einem approbierten Arzt?

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Wie kann eine Frau so paternalistisch daherreden! Das ist fürchterlich!)

– Hallo? Ich höre auch zu, wenn Sie sprechen. – Durch das Geschäftsmodell von DrEd wird nicht nur das ärztliche Berufsrecht, das Fernbehandlungen und Arzneimittelverschreibungen ohne Patientenkontakt verbietet, unterlaufen. Nein, hinzu kommt, dass die Kosten für die Behandlungen, vor allem für die Folgebehandlungen aufgrund von Komplikationen oder Fehldiagnosen, die Solidargemeinschaft in Deutschland tragen muss.

Eine der Stärken unseres deutschen Gesundheitssystems ist es, dass wir den Arzt-Patienten-Kontakt als Voraussetzung für Erstverschreibungen von Arzneimitteln festgelegt haben.

(Mechthild Rawert [SPD]: Kommt sehr auf das Medikament an! – Sabine Dittmar [SPD]: Aber nicht bei Diclofenac!)

Um dieses System nicht zu unterlaufen, werden wir, wie im Koalitionsvertrag verankert, das Verbot von Onlinekonsultationen rechtlich fixieren. Weiterhin sehe ich es sehr kritisch, dass bei einer Freigabe den Herstellern der Weg offen stünde, für ihr Produkt zu werben.

Sowohl die Bundesärztekammer als auch der Deutsche Apothekerverband sprechen sich ausdrücklich gegen Werbung für das Präparat LNG aus. Werbung für die Pille danach würde ein falsches Signal senden; denn sie ist kein Ersatz für die weiterhin verschreibungspflichtige Antibabypille, sondern ein hochdosiertes Notfallmedikament.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zusammenfassend möchte ich sagen: Für mich sind folgende Argumente am treffendsten:

Erstens müssen wir den Frauen eine Beratung in einem geschützten Raum unter vier Augen gewähren; denn die Empfänger der Pille danach sind eben nicht nur Frauen, die mitten im Leben stehen, sondern auch Minderjährige oder Frauen, denen Gewalt angetan wurde. Eine solche Beratung kann nachts am Apothekerfenster oder durch ein kurzes Onlinevideo meiner Ansicht nach nicht gewährleistet werden und entspricht auch nicht den Bedürfnissen der Betroffenen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie mit den Frauen darüber gesprochen?)

Zweitens besteht für die Frauen nur im Rahmen des direkten Arztkontaktes die Möglichkeit, im Notfall individuell und fachkundig beraten zu werden. Ich sehe unsere Verantwortung als Gesundheitspolitiker darin, im Sinne und zum Wohl der Patienten zu entscheiden. Der Arzt muss die zentrale Beratungsfigur bleiben; denn nur er kann im Zweifelsfall eine gynäkologische Untersuchung sowie eine Nachsorge vornehmen, die der Gesundheit der Frauen gerecht wird.

(Beifall bei der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Und am Wochenende kommt der Notarzt, der ein Orthopäde ist!)

Drittens hinkt der Vergleich mit anderen Ländern, wie Sie ihn in Ihrem Antrag anstellen. Anhand der Ausgangsbedingungen in Deutschland erkenne ich keine Notwendigkeit für eine Freigabe. Wir haben bestens qualifizierte Ärzte und eine hohe Dichte an niedergelassenen Gynäkologen. Auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten der Praxen ist durch den Ärztlichen Bereitschaftsdienst, der dem Patienten rund um die Uhr zur Verfügung steht, eine Betreuung gewährleistet. Auch dank unseres funktionierenden Gesundheitssystems, das auch die Rezeptpflicht von LNG umfasst, haben wir eine beispiellos niedrige Abtreibungsrate, die weiterhin rückläufig ist.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat Ihnen denn diese Rede geschrieben?)

Viertens. Ich sehe in dem Gang zum Arzt noch immer keine Einschränkung meiner Selbstbestimmung. Denn wer fängt die Frau denn auf, wenn sie mit den Nebenwirkungen der Pille danach zu kämpfen hat oder wenn Fragen auftauchen, die das DrEd-Video nicht in zwei Minuten zu beantworten geschafft hat?

Ich komme zu dem Schluss: Das Recht auf Selbstbestimmung und das hohe Gut der Patientensicherheit

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Patientinnensicherheit!)

schließen sich nicht aus – sie ergänzen sich.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie lebensfremd kann man eigentlich sein? – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt, aber bloß nicht Ihren Apotheker!)

Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Kordula Schulz- Asche, Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3910245
Wahlperiode 18
Sitzung 54
Tagesordnungspunkt Rezeptpflicht der "Pille danach"
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