Karin MaagCDU/CSU - Rezeptpflicht der "Pille danach"
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Linke ist offensichtlich nicht bereit, den Beratungsbedarf, den unsere Kollegen aus der Koalition angemahnt haben, zu akzeptieren. Ich finde das schade. Ich finde es mit Kollegin Mattheis wenig souverän, solche Dinge im Schweinsgalopp durch das Parlament zu peitschen.
(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn ich Kollegin Möhring oder auch Frau Vogler höre, dann wünsche ich mir tatsächlich Martina Bunge oder Kathrin Senger-Schäfer zurück. Da war zumindest ein verantwortungsvollerer Umgang mit Redezeit im Deutschen Bundestag gewährleistet.
(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Dann wählen Sie uns! Vielleicht kommen sie dann wieder!)
Wenn wir nun schon darüber reden, will ich gerne unsere Positionen wiederholen. Ja, wir wollen die Rezeptpflicht für die Pille danach beibehalten, vor allem, weil wir den hohen Beratungsbedarf im geschützten Arzt-Patientinnen-Gespräch sehen. Wenn Sie bei der Anhörung waren oder das Protokoll der Anhörung gelesen haben, werden Sie viele Argumente gefunden haben, die diese Position bestätigen.
Warum wollen wir diese Beratung? Der Einzelsachverständige Dr. Albring hat erneut bestätigt, dass insbesondere über die Wirkung von Levonorgestrel aufgeklärt werden muss. Im Beratungsgespräch sollte zum Beispiel vorab geklärt werden, ob überhaupt ein Notfallkontrazeptivum genommen werden muss. Es gibt nämlich eine Reihe von Zeiten im Zyklus, in denen die Pille danach gar nicht notwendig ist. In diesen Zeiten muss natürlich eine Patientin, eine Frau auch nicht das Risiko hoher Hormongaben und Nebenwirkungen eingehen. Wenn dann doch ein Notfallkontrazeptivum angezeigt sein sollte, geht es natürlich um das geeignete Präparat, aber zum Beispiel auch um die Frage, ob nicht die Kupferspirale, die höchste Sicherheit in der Notfallverhütung bietet – das hat übrigens auch eine Anhörung ergeben –, empfohlen werden muss.
Beratungskapazität ist vorhanden. Wir haben in Deutschland – Kollegin Zeulner hat es bereits erwähnt – eine flächendeckende ärztliche Versorgung mit Bereitschaftsdienst, mit Notdienst rund um die Uhr.
(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Was?)
In Deutschland gibt es rund 10 000 niedergelassene Gynäkologen; auf einen dieser Gynäkologen kommen 4 000 Patientinnen. Sie erwähnen gelegentlich Frankreich und England. Da betreuen die Frauenärzte jeweils doppelt so viele Patientinnen. Das Argument, schnelleren Zugang zu haben, zieht also meines Erachtens nicht.
(Zurufe von der LINKEN)
– Wir sprachen vorhin über Souveränität, aber ich sehe, dass ich diese nicht von jedem Mitglied dieses Hohen Hauses erwarten sollte.
Wir haben in der Anhörung auch gehört, dass bei 13 Prozent der deutschen Mädchen und 19 Prozent der Mädchen mit Migrationshintergrund – das berichtete Professorin Brucker – sexueller Kontakt gegen den Willen der Betroffenen stattfindet. Die Chance, dass diese sich nachts in der Apotheke, womöglich am Nachtschalter, öffnen, ist ungleich geringer als im vertraulichen Arztgespräch.
(Cornelia Möhring [DIE LINKE]: Das wird doch nicht verboten dadurch! – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Wir halten die gar nicht davon ab, zum Arzt zu gehen! – Zuruf der Abg. Mechthild Rawert [SPD])
– Wir sollten die Diskussion jetzt auch nicht ideologisch überfrachten.
Ich, meine Fraktion und vielleicht auch die Kolleginnen von der SPD sehen das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Frauen nicht in Gefahr.
(Mechthild Rawert [SPD]: Das ist es aber!)
Mir ganz persönlich geht es vor allem um eine informierte Entscheidung. Mir geht es darum, dass die Gesundheit der betroffenen Frauen so wenig wie möglich beeinträchtigt wird. Vielleicht sind Sie sogar mit mir der Ansicht – ich hoffe es bei Ihnen von den Linken nicht mehr –, dass Männer den Frauen, zum Beispiel im Falle einer Verhütungspanne, die Entscheidung nicht alleine überlassen müssen, dürfen, sollen, sondern dass der gemeinsame Weg zum Arzt sinnvoller ist. Diese Gemeinsamkeit wird eher bei einem Arztbesuch gewährleistet, als wenn Sie die Frau alleine in die Apotheke schicken.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Bei der Pille danach ist der Weg mit Rezeptpflicht meines Erachtens der weniger belastende Weg. Es gibt in der Praxis bei rund 400 000 Verordnungen kaum Schwierigkeiten. In Deutschland ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in den letzten Jahren um 39 Prozent zurückgegangen – auch eine Folge kompetenter Beratung. In Großbritannien ist die Pille danach seit zwölf Jahren rezeptfrei erhältlich; die Abbruchraten sind seither um 7,7 Prozent gestiegen, sie sind fünfmal so hoch wie in Deutschland. In Frankreich ist die Pille danach seit 1999 rezeptfrei erhältlich; die Abbruchraten sind doppelt so hoch wie in Deutschland. Wir haben uns in der Anhörung mit Herrn Dr. Baumgärtel darüber unterhalten, dass die Verkaufszahlen in Österreich seit der Abgabe ohne Rezept um 50 Prozent gestiegen sind; die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche ist dort, so Frau Professor Dr. Brucker, viermal so hoch wie in Deutschland. Ich sehe deshalb wenig Grund, von unserem funktionierenden System abzuweichen. Im Gegenteil, aus meiner Sicht gibt es weiter zahlreiche gute Gründe, dies gerade nicht zu tun.
Jetzt komme ich zur Wirksamkeit. Zwei Wirkstoffe sind im Moment in der Diskussion: Levonorgestrel und Ulipristalacetat. Bei der Diskussion über die Entlassung von Levonorgestrel aus der Rezeptpflicht reden wir – ich zitiere jetzt Professor Dr. Wallwiener, auch aus der Anhörung im Juli – vom weniger effektiven Präparat. Warum weniger effektiv? Auch darüber haben wir uns schon mehrfach unterhalten: Die Wirksamkeit ist abhängig vom Zeitpunkt der Einnahme. Bei Levonorgestrel ist die Wirksamkeit nach 72 Stunden nicht mehr ausreichend gegeben, bei Ulipristalacetat nach 120 Stunden nicht mehr. Levonorgestrel verschiebt den Eisprung um fünf Tage; das funktioniert aber nur – so die Anhörung – bis Tag zwei vor dem Eisprung. Ob der Eisprung nun kurz bevorsteht, kann man, glaube ich, nicht in der Apotheke klären; das sollte per Ultraschall festgestellt werden.
(Hilde Mattheis [SPD]: Vom Orthopäden?)
Die Wirkung von Levonorgestrel verändert sich bei gleichzeitiger Einnahme von Antiepileptika, Antidepressiva und Antibiotika. Ein Drittel der deutschen Frauen wiegt über 75 Kilogramm, da wirkt Levonorgestrel gar nicht; auch dieses Argument wurde schon mehrfach genannt.
(Mechthild Rawert [SPD]: Entkräftet!)
Ich komme zu den Kosten und zum Werbeverbot.
Und bitte zum Schluss.
Versicherte bis zum vollendeten 20. Lebensjahr haben Anspruch auf empfängnisverhütende Mittel, soweit sie ärztlich verordnet werden. Ich glaube nicht, dass es den Zugang zur Pille danach erleichtert, wenn die Jugendlichen dann 18 bis 35 Euro zahlen müssen. Das Publikumswerbeverbot würde fallen; ich möchte aber auch nicht erleben, dass im Kino, im Fernsehen oder am Bahnhof für die Pille danach geworben wird.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Kurzum: Es sprechen weiterhin viele gute Gründe dafür, die Pille danach verschreibungspflichtig zu lassen. Ich bin aber gemeinsam mit den Kolleginnen aus der SPD gerne bereit, weiter darüber zu diskutieren.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist die Kollegin Mechthild Rawert, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3910402 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 54 |
Tagesordnungspunkt | Rezeptpflicht der "Pille danach" |