25.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 54 / Tagesordnungspunkt 10

Anita SchäferCDU/CSU - Jahresbericht 2013 des Wehrbeauftragten

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Wehrbeauftragter! Die Ereignisse der vergangenen Monate haben uns den Wert eines in gemeinsamer Sicherheit verbundenen friedlichen Europas einmal mehr eindrücklich vor Augen geführt, und zwar gerade deshalb, weil es an den Rändern Europas derzeit ganz und gar nicht friedlich zugeht. Die Lage dort ist durch staatliche Instabilität und vieltausendfaches menschliches Leid gekennzeichnet.

Da ist der andauernde Bürgerkrieg in Syrien, der mittlerweile auf den Irak übergegriffen hat, was dazu geführt hat, dass die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ ihre Schreckensherrschaft bis an die Grenzen des NATO- Partners Türkei ausgedehnt hat. Verteidigungsministerin von der Leyen ist zurzeit im Irak, um sich ein Bild von der Umsetzung des deutschen Engagements zum Schutz der Kurden, Jesiden und anderen von IS bedrohten Minderheiten im Norden des Landes zu machen.

Da sind weiterhin die Kämpfe zwischen Israelis und Palästinensern und zwischen verschiedenen Parteien in Libyen. Und da sind vor allem die russische Annexion der Krim und die Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine mit militärischen Mitteln. Es ist das erste Mal seit 1945, dass in Europa unter Androhung oder sogar unter Einsatz von bewaffneter Gewalt staatliche Grenzen verschoben worden sind.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Falsch! Jugoslawien! Erzählen Sie keine Märchen!)

Erst vor kurzem haben wir im Parlament des Beginns des Zweiten Weltkriegs gedacht, mit dem Deutschland vor 75 Jahren Europa in die Katastrophe gestürzt hat. Dass der polnische Präsident heute als Vertreter eines NATO-Partnerstaates im Deutschen Bundestag die Bedeutung der Solidarität für ein sicheres Zusammenleben unter Nachbarn hervorhebt, zeigt, wie weit wir gekommen sind.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Das ist wahr!)

Es zeigt aber auch, dass wir den Frieden in Europa nicht als selbstverständlich betrachten können. Es unterstreicht die Bedeutung eines Sicherheitsbündnisses wie der NATO für die Erhaltung des Friedens, zu der auch Deutschland mit seinen Streitkräften beitragen muss.

Schon vor der Eskalation der Ukraine-Krise haben wir aktuelle Diskussionen über die Zukunft der Bundeswehr geführt, die jede auf ihre Weise die Tätigkeit des Wehrbeauftragten berührt haben. Es ging dabei vornehmlich um die Attraktivität des Dienstes einerseits und die Ausrüstung der Truppe andererseits. Bei dieser Gelegenheit möchte ich dem Wehrbeauftragten und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den Einsatz in diesen und vielen anderen Fragen hinsichtlich der Belange der Soldatinnen und Soldaten danken.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dabei kann es nicht um ein Entweder-oder zwischen Attraktivität und Ausrüstung gehen. Beides ist wichtig. Wir als Deutscher Bundestag können unsere Soldatinnen und Soldaten nicht ohne die bestmögliche Ausrüstung in die Einsätze schicken, die wir mandatieren. Aber ohne zeitgemäße attraktive Dienstbedingungen werden wir unsere Soldatinnen und Soldaten nicht in der Freiwilligenarmee Bundeswehr halten können. Beides wird Geld kosten.

Lassen Sie mich auf diese eng verbundenen Bereiche etwas genauer eingehen. Das in diesem Jahr von der Bundesverteidigungsministerin von der Leyen vorgestellte neue Attraktivitätsprogramm für die Bundeswehr enthält viele weitere Detailverbesserungen für schwierige Themen, um die wir uns schon seit längerem kümmern und bemühen, wie etwa Unterbringung, Kinderbetreuung, Teilzeit- und Telearbeitsmodelle sowie Kommunikation im Einsatz.

Ich möchte einmal an einem Beispiel verdeutlichen, warum ich gerade die Vereinbarkeit von Familie und Dienst hier an dieser Stelle und anderswo immer wieder so hervorgehoben habe. In meinem Wahlkreis liegt der Bundeswehrstandort Zweibrücken mit Teilen der bisherigen Luftlandebrigade 26. Anfang des Jahres entstand hier das Problem, dass weiterverpflichtungswillige Soldaten in der Region keine freien Dienstposten mehr fanden, auf die sie sich hätten bewerben können. Dabei ging es zum Teil um einsatzerfahrene, hochengagierte Unteroffiziersdienstgrade. Von diesen Soldaten, die zu den Besten gehören, die die Bundeswehr zu bieten hat, haben viele lieber auf eine Weiterverpflichtung verzichtet, als eine Versetzung aus der Region in Kauf zu nehmen, weil sie und ihre Familien in ihrem sozialen Umfeld verwurzelt sind. Das kann sich die Bundeswehr heute weniger denn je leisten.

In diesem Fall ist mittlerweile durch eine Nachjustierung der Standortplanung und viel Flexibilität der Bundeswehr eine Entspannung eingetreten. Bei allen, die an dieser Lösung mitgewirkt haben, möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bedanken.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das zeigt, wie viel bei gutem Willen möglich ist. Es zeigt aber auch, wie schwer die Bindung an Umfeld und Familie heute bei Karriereentscheidungen wiegt. Vor die Wahl einer Versetzung mit Umzug der ganzen Familie oder einer Wochenendbeziehung gestellt, entscheidet sich so mancher dafür, gleich ganz auszusteigen.

Wenn man sich vor Augen hält, dass ein Karrierepfad bislang alle zwei bis drei Jahre eine Versetzung erfordern kann, wird das Ausmaß des Problems klar. Deswegen empfinde ich den Ansatz des Attraktivitätsprogramms, die Häufigkeit von Versetzungen überhaupt zu reduzieren, als einen so großen Schritt. Künftig muss man nicht mehr alle bisherigen Verwendungen durchlaufen, um Karriere zu machen. Zudem soll am selben Standort die Beförderung um bis zu drei Besoldungsstufen möglich werden.

Ab 2015 soll Personal in Führungsverwendungen drei statt bisher zwei Jahre auf derselben Stelle bleiben; Spezialisten sollen für mindestens fünf Jahre bleiben. Soweit Versetzungen erforderlich sind, sollen diese ab 2016 nur noch an zwei festen Terminen im Jahr stattfinden, nämlich zu Jahresbeginn und in den Sommerferien. Ich denke, das ist sehr familienfreundlich.

Meine Damen und Herren, damit möchte ich zu dem zweiten der eingangs genannten Komplexe kommen: der Ausrüstung. Der Ausrüstungszustand der Bundeswehr ist nach unseren Bemühungen der letzten Jahre im Wesentlichen gut. Viele große Beschaffungsprojekte, die sich lange hingezogen haben, stehen mittlerweile in oder vor der Umsetzung, etwa die für dieses Jahr geplante Einführung des Transportflugzeugs A400M, das die treue, aber betagte Transall ablösen wird. Das wird auch höchste Zeit; denn die Verfügbarkeit der Transall-Flotte sinkt. Auch der alte Schützenpanzer Marder wird nun bald durch den Puma abgelöst.

Bei einigen neuen Systemen wie dem gepanzerten Transportfahrzeug Boxer oder den Hubschraubern Tiger und NH90 hat sich die Versorgung mit Ersatzteilen und Ähnlichem noch nicht eingespielt. Trotzdem haben sie sich bereits im Einsatz bewiesen.

In anderen Bereichen ist die Ablösung alten Geräts noch dringend erforderlich, wie sich gerade bei den Marinehubschraubern gezeigt hat. Glücklicherweise ist auchhier die erste Beschaffung neuer Maschinen bereits eingeleitet, auch wenn diese nur einen Teil des Bedarfs abdecken wird. Gerade beim Fluggerät zeigen sich die Spätfolgen von Sparmaßnahmen bei der Beschaffung von Ersatzteilen vor einigen Jahren. Das zeigt, dass sich der Verteidigungshaushalt nicht als Steinbruch für Sparmaßnahmen eignet, weil kurzfristige Kürzungen langfristige Folgen haben werden.

Wichtig ist aber, dass die Bundeswehr die ihr gestellten Aufgaben erfüllen kann. Das ist gegenwärtig der Fall. Allerdings müssen wir dafür sorgen, dass dies so bleibt.

In diesem Zusammenhang begrüße ich besonders, dass im BMVg nunmehr die Entscheidungen zur Neubesetzung der Stellen im Beschaffungsbereich ebenso wie zur Evaluierung des gesamten Bereichs getroffen wurden. Ich hoffe, dass es hier nun zügig vorangeht.

Angesichts neuer Herausforderungen sollte im Rahmen der Evaluierung auch an der einen oder anderen Stelle noch einmal über Stückzahlen von Waffensystemen nachgedacht werden. Die Ukraine-Krise hat innerhalb der NATO die Frage der Bündnisverteidigung wieder stärker in den Fokus gerückt. Daher sollten wir prüfen, ob nicht doch alle mechanisierten Verbände statt der bislang geplanten Pool-Lösung eine Vollausstattung mit Kampffahrzeugen erhalten sollten.

Hinzu kommt die Frage, inwieweit wir unsere osteuropäischen Verbündeten beim Aufbau eigener Fähigkeiten unterstützen sollten, auch mit Ausrüstungsabgaben, die gleichzeitig der Modernisierung unseres eigenen Bestandes dienen können. Deutschland hat auf dem NATO- Gipfel in Wales bereits eine Initiative angestoßen, bei der wir unsere Kooperation in einer Reihe von Feldern mit neuen Partnern langfristig vertiefen werden.

Das sind zudem Schritte in Richtung echter europäischer Streitkräfte.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es bedeutet aber nicht, dass wir Investitionen in die gemeinsame Verteidigungsfähigkeit künftig anderen überlassen dürfen. Gerade Deutschland als Nation, die den Rahmen für solche Vorhaben bildet, muss vielmehr weiterhin einen seiner Größe angemessenen Beitrag hierzu leisten.

Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich unseren Soldatinnen und Soldaten ganz herzlich danken, die ihren Dienst im In- und Ausland für unsere Sicherheit leisten. Dabei möchte ich auch ihre Familien einbeziehen, die diesen wichtigen Dienst trotz aller Belastungen mittragen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Als nächste Rednerin spricht die Kollegin Christine Buchholz.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3910595
Wahlperiode 18
Sitzung 54
Tagesordnungspunkt Jahresbericht 2013 des Wehrbeauftragten
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