Doris WagnerDIE GRÜNEN - Jahresbericht 2013 des Wehrbeauftragten
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Verehrter Herr Königshaus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Für Ministerin von der Leyen hätte dies eine richtig schöne Woche werden können. Gestern der Kabinettsbeschluss und heute ein glänzender Auftritt im Bundestag; viele Probleme, die der Wehrbericht aufwirft, gelöst. Unsere Soldatinnen und Soldaten hätten zufrieden sein können.
Stattdessen hat sich aber die Bundesregierung auch nach Monaten der Beratung nicht auf das Artikelgesetz verständigt, das wesentlich zur Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr beitragen könnte. Das lässt nichts Gutes für die Zukunft erwarten. Ein großer Teil der Missstände, von denen Herr Königshaus berichtet, sind auf einen eklatanten Personalmangel zurückzuführen. Bei den Technikern, der Flugsicherung, im Sanitätsdienst oder bei der Marine, wie wir gehört haben, ist die Lage längst dramatisch.
Meine Fraktion hat die Attraktivitätsinitiativen der Ministerin deshalb ausdrücklich begrüßt. Doch nun müssen wir mit ansehen, wie sich die Ministerien im Streit über die Details des geplanten Artikelgesetzes verheddern. Dabei brauchen wir doch jetzt eine wirkliche Initiative.
Was macht einen Job eigentlich attraktiv? Dies ist natürlich zunächst einmal die Bezahlung. Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Berichte vom vergangenen Jahr. Manche Soldatinnen und Soldaten heuern im Urlaub tatsächlich mittlerweile bei privaten Sicherheitsfirmen an, um ihr Einkommen aufzubessern. Das kann doch nicht wahr sein.
Deshalb möchte die Ministerin die Stellenzulagen für Bundeswehrangehörige anheben. Doch der Innenminister ist dagegen. Der öffentliche Dienst könnte ja das Gleiche fordern. Jetzt wird nur gekleckert. Die Erhöhung der Stellenzulage soll nur für einige wenige Bundeswehrdienstposten gelten.
Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, solch eine Beschränkung ist doch nicht zielführend, wenn wir die Bundeswehr insgesamt attraktiver machen wollen. Deshalb mein Appell an die Ministerin: Denken Sie doch bitte noch einmal über eine Erhöhung der Stellenzulage für alle Bundeswehrangehörigen nach.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Was macht einen Job noch attraktiv? Dies ist natürlich auch die soziale Absicherung. Aber leider kleckert die Regierung auch hier. Künftig werden drei von vier Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr auf Zeit angehören. Zudem werden die Verpflichtungszeiten immer länger.
Eine gute Altersabsicherung dieser Soldatinnen und Soldaten trägt daher erheblich zur Attraktivität der Bundeswehr bei. Doch jetzt, nach all dem Geschachere um das Artikelgesetz, fällt die Erhöhung der gesetzlichen Nachversicherung mehr als mager aus und trägt nicht dazu bei, den jungen Leuten, die heute zur Bundeswehr gehen, eine gute Altersversorgung zu bieten.
Meine Damen und Herren, attraktiv ist wirklich etwas anderes. Ich hätte erwartet, dass die Ministerin einmal über andere Modelle der Altersabsicherung nachdenkt, über Versorgungsanwartschaften oder über Möglichkeiten einer betrieblichen Rentenabsicherung. Aber statt neue Wege zu beschreiten, speisen Sie die Soldatinnen und Soldaten mit Kleinkleckerles ab.
Das Artikelgesetz wird also in vielen Punkten nicht der große Wurf, den Frau von der Leyen versprochen hat. Deshalb hoffe ich wirklich, dass wenigstens die Attraktivitätsagenda beherzt umgesetzt wird.
Sie alle haben es im Wehrbericht gelesen: Ein weiterer großer Teil der Beschwerden aus der Truppe bezieht sich auf das Führungsverhalten der Vorgesetzten. Mal werden Untergebene als „Schwuchteln“ oder „Mongos“ bezeichnet, mal wird einem jungen SaZler eine Dienstzeitverkürzung verweigert, wenn er eine Stelle im zivilen Bereich antreten will. Nun soll es ein verpflichtendes individuelles Coaching für das Spitzenpersonal geben; denn die Führungs- und Organisationskultur soll verbessert werden. Das Verteidigungsministerium ist derzeit dabei, diese Coachings zu konzipieren, und steht vor der Entscheidung, ob die Coachings ausschließlich von externen zivilen Coaches durchgeführt werden sollen oder ob auch die bundeswehreigenen Coaches vom Zentrum Innere Führung beteiligt sein sollen. Ich hoffe wirklich sehr, dass sich die Ministerin entscheidet, auch die Bundeswehrcoaches einzubinden. Denn wer sollte die soldatischen Führungskräfte besser verstehen als ein Soldat oder eine Soldatin? Deshalb brauchen wir keine klangvollen Beraternamen, sondern Coaches, die die Lage ihres Gegenübers wirklich verstehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Aber eine grundsätzliche Veränderung des Bewusstseins und des Führungsverhaltens in der Breite erreichen wir nicht, indem wir mal schnell die Spitzenkräfte einen Tag lang zwangsanalysieren, so wie es jetzt angedacht ist. Deshalb wünschen wir uns sehr: Lassen Sie es nicht dabei bewenden, Frau Ministerin. Binden Sie die bundeswehrinternen Coaches in das Spitzencoaching ein. Aber mehr noch: Stärken Sie die Fähigkeit der Bundeswehr zur Selbstreflexion nachhaltig, indem Sie die Zahl der Coaches im Zentrum Innere Führung erhöhen. Nur so werden wir die Probleme der Personalführung dauerhaft in den Griff bekommen.
Meine Damen und Herren, angesichts der militärischen Konflikte in unserer Nachbarschaft ist es vielleicht verführerisch, die Beschwerden der Soldatinnen und Soldaten als Kinkerlitzchen abzutun. Davor möchte ich ausdrücklich warnen. Dinge wie die unattraktive Bezahlung – ich komme zum Schluss –, die unbefriedigende Altersabsicherung und der rüde Umgang von Vorgesetzten mit Untergebenen sind keine Luxusprobleme.
Lassen Sie die Chance, die sich mit dem Artikelgesetz und der Attraktivitätsagenda bietet, nicht verstreichen. Nicht kleckern, sondern klotzen!
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Wir warten auf die Anträge zum Einzelplan 14!)
Als nächster Redner hat der Kollege Dr. Reinhard Brandl das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3910638 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 54 |
Tagesordnungspunkt | Jahresbericht 2013 des Wehrbeauftragten |