26.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 55 / Tagesordnungspunkt 19

Carola ReimannSPD - Elterngeld Plus und flexiblere Elternzeit

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin im Oktober zu einer Tagung eingeladen. Der Titel dieser Tagung lautet: „Wer schneller lebt, ist früher fertig …“. Dieser Satz beschreibt die Lage von Familien und Eltern in unserem Land sehr gut. Eltern sind Meister im Optimieren. Sie wollen beides: Beruf und Familie. Sie geben dafür alles: Sie engagieren sich voll im Beruf, bringen immer volle Leistung, sind oft rund um die Uhr erreichbar und sind nebenbei aufmerksame, liebevolle und engagierte Eltern, die sich vom ersten Lebensmonat ihrer Kinder an um beste Förderung und Chancen bemühen.

Und doch bleibt ein Unbehagen, dass Wichtiges zu kurz kommt: Kinder, denen manchmal doch die Eltern fehlen, der Partner, den man aus den Augen verliert, man selbst und die eigene Gesundheit. Vollzeiterwerbstätige Mütter sind oft früher fertig. Sie sind in einem erschreckenden Ausmaß von Burn-out betroffen. Das spricht Bände und deutet auf eine fortwährende Überforderung hin. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, Mütter zurück an den Herd, Schwiegertöchter an die Schnabeltassen, das kann ja wohl nicht die Lösung dieses Dilemmas sein.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU] und Jörn Wunderlich [DIE LINKE])

Gleichstellung ist eine wichtige Errungenschaft. Sie macht unsere Gesellschaft bunter, gerechter und lebenswerter. In die Zeiten, in denen die Lebensverläufe durch das Geschlecht vorherbestimmt waren, will ja außer ein paar ganz Erzkonservativen niemand mehr zurück.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die richtige Antwort hat Ministerin Schwesig mit ihren Familienarbeitszeiten gefunden; denn sie löst damit die Zeitkonflikte aus dem ausschließlich Privaten heraus. Nicht allein jede und jeder Einzelne ist gefragt, immer besser, immer schneller, immer optimierter und organisierter zu werden. Nein, es ist auch Aufgabe von uns allen, von Politikerinnen und Politikern, gemeinsam mit den Tarifpartnern die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Im Klartext: auch für kürzere Arbeitszeiten zu sorgen.

(Beifall bei der SPD)

Heute machen wir mit dem Elterngeld Plus den ersten Schritt. Es räumt Eltern mehr Spielraum bei der Nutzung des Elterngeldes ein. Es belohnt eine partnerschaftliche Aufteilung mit zusätzlichen Elterngeldmonaten; das haben wir hier gehört. Es ermöglicht Eltern, die Elternzeit besser in ihrem eigenen Sinne und nach ihren eigenen Bedürfnissen zu nutzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Detailregelung werden wir im parlamentarischen Verfahren noch angehen, und zwar im Interesse derjenigen Gruppe, die wie keine zweite mit ihrer knappen Zeit jonglieren muss: die Alleinerziehenden. Das ist hier schon angeklungen. Arbeiten gehen, Haushalt schmeißen, Essen kochen, vorlesen, trösten – für Alleinerziehende sind all das Tätigkeiten, für die sie ganz allein zuständig sind, während all das in Paarfamilien von zweien geleistet werden kann. Wir haben deshalb schon bei der Einführung des Elterngeldes dafür gesorgt, dass Alleinerziehende genauso viele Elterngeldmonate bekommen wie Paare.

Und jetzt? Was vor acht Jahren noch gut geklappt hat, wird heute durch eine an sich sehr positive Entwicklung, nämlich dass sich immer mehr alleinerziehende Eltern für das gemeinsame Sorgerecht entscheiden, immer schwieriger. Darauf haben uns fast alle Familienverbände hingewiesen. Auch der Bundesrat verlangt in seiner Stellungnahme vom letzten Freitag eine pragmatische Lösung im Sinne und im Interesse der Alleinerziehenden mit gemeinsamer Sorge. Diese Anregungen werden wir, Kollege Wunderlich und Kollegin Dörner, im parlamentarischen Verfahren sehr gerne aufgreifen.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Elterngeld Plus ist nur die erste von drei zeitpolitischen Reformen, die sich die Große Koalition vorgenommen hat. Dazu zählt auch das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf, das Erleichterungen für Beschäftigte mit pflegebedürftigen Angehörigen bringt; Ministerin Schwesig wird es in Kürze vorlegen. Im nächsten Jahr folgt dann der Gesetzentwurf aus dem Ministerium für Arbeit und Soziales, mit dem wir Eltern nach einer Teilzeitphase garantieren, auf eine Vollzeitstelle zurückzukehren, Kollegin Dörner. Das gehört zur sehr konkreten Arbeitsplanung des Arbeitsministeriums.

(Beifall bei der SPD)

Mit diesen drei Reformvorhaben machen wir große und wichtige Schritte zur Vereinbarkeit. Aber wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen eigentlich noch einen weiteren größeren Schritt gehen: Wir wollen, dass aus dem Elterngeld Plus bald die Familienarbeitszeiten werden. Wir wollen andere Arbeitszeitmuster, nicht nur für Eltern von Kleinkindern, sondern auch für die Eltern von älteren Kindern;

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

denn die Zeitkonflikte von Familien beschränken sich nicht auf die Zeit, wenn Kinder klein und niedlich sind.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Eckhard Pols [CDU/CSU]: Große sind auch niedlich! – Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin: Das wächst sich aus!)

Eltern erleben oft, dass mit dem Alter des Kindes die Probleme der größeren und auch niedlichen Kinder eher zunehmen.

Familienarbeitszeiten sind der richtige Weg, damit beide Elternteile ihre beruflichen Wünsche verwirklichen können und eine eigene finanzielle Grundlage haben. Familienarbeitszeiten sind der richtige Weg für die Familien, damit sie gleichzeitig auch Familie sein können. Familienarbeitszeiten sind der richtige Weg – auch das ist hier schon gesagt worden – für die Wirtschaft, die für sie immer kostbarer werdenden Fachkräfte zu halten. Kluge Wirtschaftsführer wie Eric Schweitzer, Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, haben das bereits erkannt; denn wenn beide Elternteile im Erwerbsleben bleiben, bedeutet das für die Unternehmen eine höhere Zahl an Fachkräften, als wenn einer, meistens eine, die Brocken hinwirft.

Ministerin Schwesig hat mit dem Thema Familienarbeitszeiten die zentrale Debatte angestoßen. Heute machen wir den ersten gesetzgeberischen Schritt. Am Ende muss eine Gesellschaft stehen, die Familien mehr Zeit lässt, und eine Gesellschaft, in der wir nicht früher fertig sind, sondern gemeinsam länger zufrieden.

Danke fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE])

Das Wort hat die Kollegin Diana Golze für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3911953
Wahlperiode 18
Sitzung 55
Tagesordnungspunkt Elterngeld Plus und flexiblere Elternzeit
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