Petra Pau - Elterngeld Plus und flexiblere Elternzeit
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Lebensrealität der jungen Familien hat sich in den letzten Jahren verändert. Es ist gut, dass das Elternzeitgesetz nun der Realität angepasst wird. Ich sehe in der Tat positive Bewegungen.
Es sind schon einige Punkte angesprochen worden: Bisher bekommen Eltern bis zu 14 Monaten Elterngeld, wenn beide Elternteile nach der Geburt des Kindes nacheinander eine berufliche Auszeit für die Betreuung des Kindes nehmen. Wenn aber ein Elternteil oder sogar beide weiter in Teilzeit arbeiten, hat sich der Elterngeldanspruch bisher nicht verlängert. Mit der Einführung von Elterngeld Plus wird diese Lücke geschlossen, und das ist auch gut so.
Die Eltern haben bisher einen Teil ihres Elterngeldanspruches verloren. Das war eine absurde Situation; denn das Elterngeld sollte ja dazu dienen, einen früheren Wiedereinstieg in den Beruf sicherzustellen, gleichzeitig aber auch mehr Zeit für die Kindererziehung zu ermöglichen. Es ist richtig und wichtig, die bisherige Regelung zu korrigieren.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mit der Flexibilisierung der Elternzeit bis zum vollendeten achten Lebensjahr macht das Familienministerium einen weiteren Schritt in die richtige Richtung. Was fehlt, ist aber eine passende Flexibilisierung des Elterngeldes. Denn es war bereits 2008 eine Forderung der Linken – das hat Kollege Wunderlich schon gesagt –, Elterngeld und Elternzeit flexibler miteinander zu kombinieren. Es ist richtig, nicht nur an die Zeit nach der Geburt zu denken, sondern auch an Übergänge, zum Beispiel die Schuleingangsphase. Diesen Übergang gemeinschaftlich und partnerschaftlich zu gestalten, können sich weiterhin nur Paare mit einem sehr guten Einkommen leisten. Denn das Elterngeld wurde nicht flexibilisiert.
Wir hatten vorgeschlagen, dass das Elterngeld in Teilabschnitten von mindestens zwei Monaten bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres in Anspruch genommen werden kann. Wir wären auch mit dem achten Lebensjahr einverstanden, wenn man es miteinander kombiniert und für alle Eltern ermöglicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir freuen uns, dass dieser Vorschlag zumindest zum Teil aufgenommen wurde.
Das heißt, das Elterngeld Plus ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber solche für Eltern positiven Veränderungen gibt es nicht zum Nulltarif. Wenn man den Gesetzentwurf liest, reibt man sich aber verwundert die Augen. Denn kosten soll das Vorhaben nichts. Wie hat man das geschafft?
Man geht nicht etwa davon aus, dass die neuen Regelungen nicht von den Eltern in Anspruch genommen werden – das wäre furchtbar –, sondern man hat woanders eine Einsparmöglichkeit gefunden. Das Bundessozialgericht hatte im Sommer 2013 geurteilt, dass der Elterngeldanspruch für jedes Kind besteht. Das hieß bis dato, dass zum Beispiel Eltern, die Zwillinge bekommen haben, Elterngeld für beide Kinder beantragen und sich gemeinsam um diese doppelte Herausforderung kümmern konnten. Das soll nun – in Anführungszeichen – klargestellt werden. Das soll zukünftig nicht mehr möglich sein. Der Elterngeldanspruch gilt künftig pro Geburt statt pro Kind. Man will damit 100 Millionen Euro sparen.
Das heißt, man nimmt den einen Familien das Geld, um die Teilzeitbeschäftigung für andere Familien zu ermöglichen. Das halten wir für ungerecht. Wollen Sie das wirklich? Darüber sollten wir im Ausschuss noch einmal sprechen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Eine weitere Ungerechtigkeit – darauf wurde ebenfalls schon hingewiesen – bleibt nach den Vorstellungen der Bundesregierung erhalten: die volle Anrechnung des Elterngeldes auf das Arbeitslosengeld II. Diese Familien waren von Anfang an benachteiligt. Erst hat man ihnen im Verhältnis zum Erziehungsgeld die Hälfte der Bezugsdauer gekürzt. Dann hat man ihnen die sogenannten Vätermonate verwehrt. In einer dritten Reform hat man es dann gänzlich auf das Einkommen angerechnet. Das ist im Zusammenhang mit dem Sparpaket im Sommer 2010 erfolgt.
Eltern im Hartz-IV-Bezug waren von Anfang an benachteiligt. Die Benachteiligungen haben sich sogar noch verschärft, und auch mit dem Elterngeld Plus wird sich daran nichts ändern. Bei armen Eltern kommt das Elterngeld auch weiterhin nicht an. Das ist kein Konzept für die Bekämpfung von Familienarmut, Elternarmut und Kinderarmut. Die Gleichbehandlung der Eltern ist ebenfalls nicht gegeben. Diese Chance – das ist schon angesprochen worden – wurde vertan.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, ja, dieses Elterngeld Plus war ein Wahlversprechen, das Sie gegeben haben. Ich finde es gut, dass Sie es umsetzen. Sie haben aber in Ihrem Regierungsprogramm auch gefordert: Wir wollen das Basiselterngeld für ALG-II-Empfängerinnen und -Empfänger wieder anrechnungsfrei stellen. – Diese Chance haben Sie mit diesem Gesetzentwurf vertan. Das ist keine Politik im Sinne von armen Familien.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Besonders diese beiden Ungerechtigkeiten geben mir zu denken. Ich bin deshalb auf die Diskussion im Ausschuss und auf die Stellungnahmen der Sozialverbände in der Anhörung gespannt und hoffe, dass wir noch zu Änderungen kommen werden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der Kollege Marcus Weinberg hat für die CDU/CSU- Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3911952 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 55 |
Tagesordnungspunkt | Elterngeld Plus und flexiblere Elternzeit |