26.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 55 / Tagesordnungspunkt 19

Marcus WeinbergCDU/CSU - Elterngeld Plus und flexiblere Elternzeit

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Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wunderlich hat vorhin nach der Intention des Gesetzentwurfs gesucht. Es ist relativ einfach: Endlich sind wir politisch so weit, dass wir nicht mehr fragen: Arbeitsmarkt oder Familie? Wir sind nämlich so weit, dass wir Erwerbstätigkeit und Familienzeit zusammenbringen wollen, weil das im Sinne der Familien und übrigens auch der Arbeitgeber ist. Denn ist der Arbeitnehmer zufrieden und hat er ein geregeltes Familienleben, dann ist es auch gut für die Arbeitgeber und die Wirtschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Das ist auch unser Leitgedanke bei den heutigen Fragestellungen. Wir haben heute sozusagen einen Happy Friday bzw. Family Friday: Wir werden zwei große Gesetzesvorhaben verabschieden. Zuerst geht es um das Thema Elternzeit und Partnerschaftlichkeit, und in der zweiten Halbzeit geht es um den weiteren Ausbau der Kitabetreuung. Das sind zwei zentrale Maßnahmen dieser Großen Koalition in den nächsten Jahren. Damit werden wir den Wünschen der Eltern gerecht. Unser Leitmotiv ist, Eltern zu unterstützen.

Wir gehen nun nicht, wie Frau Reimann sagte, den ersten Schritt, sondern den zweiten bzw. sogar den dritten Schritt. Wir haben bereits in der ersten Großen Koalition vor vielen Jahren nicht nur den Krippenausbau, sondern auch die Einführung des Elterngeldes beschlossen. Die Weichen, die wir damals gelegt haben, werden wir jetzt stellen, und zwar unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Veränderungen. Ein Jahr nach der Bundestagswahl gehen wir nun den entscheidenden Schritt.

Frau Dörner, Sie haben die Gelegenheit genutzt, um noch einmal für sich persönlich und vielleicht auch für Ihre Fraktion darzulegen, wie Sie gewisse Sachverhalte sehen. Ich habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass Sie weiterhin das Ehegattensplitting komplett abschaffen wollen. Das müssten Sie in Ihrer Fraktion einmal klären. – Frau Brantner, Sie nicken, aber Sie sind diejenige, die sich in den letzten Tagen ein bisschen geöffnet hat. In der Welt vom 19. September haben Sie die Frage gestellt:

Ich wünsche mir, dass Sie diese Fragestellung zum Leitmotiv Ihrer grünen Politik machen und endlich auf die Agenda setzen, anstatt ideologisch bedingt darüber nachzudenken, wie sich das Ehegattensplitting und andere Maßnahmen, die durchaus eine hohe Akzeptanz haben, abschaffen lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Familienleitbilder haben sich verändert. Das nehmen nicht nur andere, sondern auch wir wahr. Vor diesem Hintergrund stellt sich uns als Union die Frage, ob wir Familienleitbilder vorgeben sollen. Dazu sagen wir Nein. Für uns stehen drei Sachverhalte im Vordergrund.

Erstens. Wir wollen die Eigenverantwortung und die Selbstbestimmtheit der Familien als Kernstücke unserer Familienpolitik stärken.

Zweitens. Wir machen zwar Angebote, wollen aber keine rundum betreute Familie. Vielmehr wollen wir eigenverantwortliche Elternschaft und eigenständig handelnde Familien unterstützen.

Drittens. Wir setzen als Leitmotiv Vertrauen in die Eltern und die Elternarbeit. Bei der Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Eltern werden wir die veränderten Lebenswirklichkeiten berücksichtigen. Über 80 Prozent einer befragten Gruppe von bis zu 39-Jährigen hat gesagt: Die Familienleitbilder haben sich verändert. Es gibt nicht nur die traditionelle Familie, sondern auch Alleinerziehende – auch diese müssen wir in den Fokus unserer Beratungen rücken – und andere Formen des Zusammenlebens.

Vor diesem Hintergrund müssen staatliche Leistungsangebote darauf überprüft werden, ob sie sich mit Veränderungsprozessen noch in Übereinstimmung befinden; das werden wir tun. Die oft kritisch gesehenen familienpolitischen Leistungen wie der Kitaausbau sind zentral für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, genauso wie das nun vorgesehene Elterngeld Plus, das sicherlich genauso positive Auswirkungen haben wird wie das Elterngeld. Wir sind stolz darauf, dass wir das alles auf den Weg gebracht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Welche Wünsche haben Eltern? 91 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass sich beide Eltern um die Betreuung der Kinder kümmern sollten. Nadine Schön hat bereits unsere besondere Situation angesprochen. Ich gehöre zu den rund 60 Prozent der Väter, die mehr Zeit mit den Kindern verbringen wollen. Solche Wünsche müssen wir in der Politik berücksichtigen. Das Elterngeld Plus schafft die Möglichkeit, solche Wünsche zu erfüllen.

(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

81 Prozent teilen die Ansicht, dass beide Eltern gleichermaßen für das Familieneinkommen verantwortlich sind. Das sind die Leitmotive für das Elterngeld Plus. Momentan sieht die Situation aber noch anders aus. Väter arbeiten durchschnittlich 42 Stunden, während Mütter 17 Stunden in der Woche arbeiten. 60 Prozent der Eltern mit Kindern unter drei Jahre wünschen sich ein Modell, das eine stärkere Partnerschaftlichkeit ermöglicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Aber nur 14 Prozent gelingt es, diese Partnerschaftlichkeit auch zu leben. Hier gibt es noch einiges zu tun.

Die zentralen Punkte des Elterngeldes sind: Die Kombination aus Teilzeiterwerbstätigkeit und Elterngeldbezug muss attraktiver gemacht werden. Das ist auch im Sinne der Arbeitgeber. Wenn junge, gut ausgebildete Frauen vor 40 Jahren Mütter wurden, haben sie als Fachkräfte meistens den Arbeitsmarkt verlassen und sind erst nach sechs oder zehn Jahren zurückgekehrt. Mit dem Elterngeld Plus schaffen wir Angebote, die es Frauen ermöglichen, als Teilzeitkräfte früher in den Beruf zurückzukehren. Das führt dazu, dass die Arbeitgeber früher wieder auf diese Fachkräfte zurückgreifen können.

Weiterhin honorieren wir die partnerschaftliche Aufteilung. Wenn Väter etwas mehr Zeit mit der Familie verbringen wollen – etwas mehr Zeit für die Kinder bedeutet etwas weniger arbeiten –, dann heißt das für Mütter, dass sie etwas mehr arbeiten. Wir wollen im Sinne einer Angleichung die partnerschaftliche Aufteilung von Betreuungs- und Erwerbsaufgaben stärken. Das ist mit dem Partnerschaftsbonus verbunden. Das sind dann – in Anführungszeichen – nur vier Monate, aber damit soll ein Signal gesetzt werden. Es ist den Eltern überlassen, die Aufteilung eigenverantwortlich zu organisieren. Insgesamt steht dahinter der Gedanke, dass wir den Eltern bzw. der Familie mehr Zeit geben. Das ist nicht nur für die Eltern gut, sondern das ist besonders für die Kinder gut.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dabei ist ein zentraler Punkt das Elterngeld. Wir sagen: Kombiniert doch – in Anführungszeichen – das alte Elterngeld, also das Basiselterngeld, mit dem Elterngeld Plus. – Die Familien sollen entscheiden, wie sie das machen. Dazu gehört auch die Absprache mit dem Arbeitgeber zum beiderseitigen Nutzen.

Frau Brantner, ich habe schon wieder ein Zitat von Ihnen gefunden. Das passt gut, da Sie nach mir reden. Ich finde richtig, dass Sie seinerzeit in der Welt auch gesagt haben:

Das ist genau richtig.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir schreiben nichts vor. Wir sagen: Entscheidet ihr! – Wir eröffnen die Angebote, aber die Familien müssen entscheiden, welche Möglichkeiten sie in Anspruch nehmen. Unsere Grundintention ist, Herr Wunderlich, Familienpolitik zu entideologisieren und zur Anerkennung der Handlungsfreiheit der Familie zu kommen. Wir wollen weg von Formulierungen wie „Rabenmutter“ oder „Herdprämie“. Das wollen die Familien nicht mehr hören. Das ist überholt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In dem Zusammenhang gibt es für uns einen wichtigen Punkt: die Belastung für die Wirtschaft. Er wird immer wieder angesprochen. Wir Familienpolitiker müssen immer schauen, dass unsere Maßnahmen den Erfordernissen der Wirtschaft nicht widersprechen. Unser Grundansatz ist: Wenn der Arbeitgeber Teilzeitarbeit ermöglicht, dann müssen wir anerkennen, dass das eine schwierige Situation für den Arbeitgeber ist. Deswegen ist die Absprache bzw. die Rückkopplung mit der Wirtschaft zentral; denn der Wohlstand, den wir haben, ist einer gut funktionierenden Wirtschaft zu verdanken. Ihn sollten wir nicht aufs Spiel setzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deswegen sind die Regelungen zur Elternzeit richtig, nämlich dass 24 der insgesamt 36 Monate bis zum vollendeten achten Lebensjahr des Kindes übertragen werden können. Richtig ist aber auch, dass wir die Zustimmungsfrist des Arbeitgebers auf 13 Wochen verlängern. Wir müssen also immer überprüfen, ob die Wirtschaft, insbesondere der Mittelstand, die Regelungen mittragen kann; denn die Wirtschaft ist ein Fundament unseres Wohlstandes.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Daraus leitet sich aber auch die Erkenntnis ab, dass Reden und Handeln zwei verschiedene Dinge sind. Es ist ja so: Wer schneller lebt, ist früher fertig, wer schneller redet, hat mehr zu sagen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sönke Rix [SPD]: Er hat mehr zu reden, aber nicht mehr zu sagen!)

Gerade für die Arbeitgeber muss deutlich werden: Es reicht nicht, nur vom Erfolgsfaktor Familie zu reden und in Fensterreden zu beteuern, man wolle mehr für die Familie tun. Auch die Arbeitgeber und ihre Verbände sind bei der Veränderung der Familienpolitik mit im Boot. Man könnte sagen, das Elterngeld Plus ist eine weitere Belastung, aber letztendlich ist es im Sinne der Arbeitgeber. Wir werden diesen Diskurs auch mit den Arbeitgebern führen müssen. Nichts ist besser für einen Arbeitgeber als ein glücklicher Arbeitnehmer, der weiß, dass sein Familienleben gut organisiert ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Angesprochen haben wir schon die Nachbesserungen, die wir jetzt im parlamentarischen Verfahren anstreben. Die sind richtig, und die werden wir jetzt umsetzen. Ich nenne als Stichwort die Alleinerziehenden. Es gibt noch einen weiteren Punkt. Die Union befürwortet das Ehrenamt, insbesondere das kommunale Ehrenamt. Wir werden uns bemühen, eine Regelung zu schaffen, damit das Elterngeld gut mit dem Ehrenamt kombiniert werden kann. Näheres werden die parlamentarischen Beratungen ergeben.

Insgesamt bleibt es heute beim Happy Friday. Es ist ein schöner Familienfreitag zu bester Stunde heute Morgen. Der erste Teil ging um das Elterngeld Plus, und gleich reden wir noch über den Kitaausbau. Familien in Deutschland können sich freuen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Die Kollegin Dr. Franziska Brantner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3911988
Wahlperiode 18
Sitzung 55
Tagesordnungspunkt Elterngeld Plus und flexiblere Elternzeit
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