Fritz FelgentreuSPD - Elterngeld Plus und flexiblere Elternzeit
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Launert, vielen Dank für diese Rede, eine Rede, die ich gerade aus den Reihen der CSU nicht unbedingt erwartet habe. Ich habe Ihnen gerne zugehört.
Zur Einführung des Elterngeldes, Frau Schön, vor mittlerweile fast acht Jahren habe ich persönlich ein etwas gespaltenes Verhältnis. Als es damals beschlossen wurde, war gerade meine jüngste Tochter unterwegs. Als diese Leistung zum ersten Mal ausgezahlt wurde, war sie drei Wochen alt. Da haben meine Frau und ich uns ein bisschen wie zwei Dackel vor der Fleischerei gefühlt: „Wir müssen leider draußen bleiben!“
Völlig unabhängig von solchen persönlichen Nickeligkeiten war mir schon damals klar, dass das Elterngeld ein Riesenfortschritt ist. Das Elterngeld hat schon damals deutlich gemacht: Diese Republik geht konsequent Schritte, um Familie und Beruf miteinander vereinbar zu machen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Damals, vor acht Jahren, ging es noch ein bisschen mehr um das Thema Armutsrisiko. Man hat vorgerechnet, was Kinder kosten. Die Überlegung war damals natürlich auch, jungen Familien zu ermöglichen, dass sie ihren Lebensstandard halten und trotzdem Zeit haben, sich um ein kleines Kind zu kümmern. Es war auch gut und richtig so, diesen Ansatz zu wählen.
Aber beim Elterngeld Plus geht es jetzt um etwas anderes. Es geht hier um die Möglichkeit, ein erfülltes Familienleben mit einem erfüllten Berufsleben in Einklang zu bringen, und zwar partnerschaftlich und gleichberechtigt für beide Elternteile. Denn wir wissen doch, dass viele junge Paare deswegen zögern, eine Familie zu gründen, weil beide Partner gerade dabei sind, sich beruflich eine Existenz und eine Karriere aufzubauen. Sie haben die Sorge, dass die Elternschaft sie auf diesem Wege aus der Bahn werfen könnte. Das ist ja auch leicht nachvollziehbar. Wer mit Erfolg eine anspruchsvolle Ausbildung absolviert hat, der will die erworbenen Fähigkeiten danach auch anwenden. Wir dürfen eine hohe Motivation und den Ehrgeiz, beruflich etwas aufzubauen, nicht mit Egoismus verwechseln. Das ist es nicht.
(Beifall bei der SPD)
Ich finde, es ist die Aufgabe von Politik, diese Motivation zu erhalten, sie zu fördern und den Weg freizumachen, damit Leistungsbereitschaft am Ende auch mit Erfolg belohnt wird. Wenn wir also feststellen, dass junge Leute das Gefühl haben, sich zwischen Familie und Beruf entscheiden zu müssen, dann ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass genau diese Entscheidungssituation sich in Luft auflöst.
(Beifall bei der SPD)
Es darf nicht sein, dass ein Ja zur Familie mit einem Nein zur Karriere erkauft werden muss.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Darum geht es.
Ich bin sehr für eine Familienpolitik der drei großen Ks: Kinder, Kino und Karriere. Wenn wir das unter einen Hut kriegen, haben wir einen Riesenfortschritt gemacht.
(Beifall bei der SPD)
Natürlich ist das immer noch ein Frauenthema, auch wenn sich immer mehr Männer – darauf ist heute schon hingewiesen worden – die Zeit für die Familie wünschen. Aber wir müssen uns einfach einmal die Zahlen anschauen. Dazu gibt es eine schöne Auswertung: 2012 bezogen 30 Prozent der Väter Elterngeld, aber 96 Prozent der Mütter. 78 Prozent der Väter, die Elterngeld bezogen, bezogen es für zwei Monate, während 88 Prozent der Mütter es für zwölf Monate bezogen. Das bedeutet: In der Praxis entschieden sich die Männer mit großer Mehrheit für den Beruf und die Frauen mit großer Mehrheit für die Familienarbeit. Das kritisieren wir auch gar nicht. Aber wir leiten unser ergänzendes Modell zur Unterstützung von Familien daraus ab. Mit dem Elterngeld Plus tun wir jetzt etwas für die Paare, die sich beides, Beruf und Familienzeit, partnerschaftlich teilen wollen.
Meine Damen und Herren, in der SPD-Fraktion sind wir überzeugt: Dieses Modell hat Zukunft. Es ist ein Schritt auf dem richtigen gesellschaftlichen Weg. Das Elterngeld Plus macht Frauen ökonomisch unabhängiger, weil es ihnen die Berufstätigkeit erleichtert. Es fördert die Gleichstellung von Mann und Frau, weil es für Frauen und Männer die gleichen Anreize enthält, in Teilzeit zu arbeiten. Frau Launert, Sie hatten eben von einem „Lockmittel“ gesprochen; Anreiz klingt ein bisschen zurückhaltender. Aber Sie haben natürlich recht.
Auf diese Weise verbindet das Elterngeld Plus den Vorteil des herkömmlichen Elterngeldes mit einer Antwort auf den Fachkräftemangel in vielen Branchen. Eltern finden Zeit, sich um ihre kleinen Kinder zu kümmern. Das Einkommen der Familien bleibt dennoch einigermaßen stabil, und die Arbeitskraft der Eltern steht der Wirtschaft und dem öffentlichen Dienst trotzdem weiter zur Verfügung.
Das Elterngeld Plus ist ein wichtiger Beitrag des Staates auf dem Weg zu einer Gesellschaft, in der Familie und Beruf besser miteinander vereinbart werden können. Wir wissen aber auch, dass es damit nicht getan ist. Deswegen ist heute oft vom ersten Schritt die Rede gewesen. Der eigentliche Durchbruch auf dem Weg zur Familienarbeitszeit kann erst gelingen, wenn auch die Arbeitswelt sich mit einer vollkommenen Selbstverständlichkeit darauf eingestellt hat. Bewähren kann sich das Elterngeld Plus ebenso wie der flexible Anspruch auf Elternzeit nur in der praktischen Umsetzung. Deshalb müssen wir seine Einführung auch damit verbinden – das war eine Forderung vom Kollegen Weinberg –, den Dialog mit der Wirtschaft zu führen. Wir brauchen Bündnisse für Arbeit und Familie, überall in Deutschland, gerade auch auf der Ebene der Länder und Kommunen. Dabei – das sage ich ausdrücklich als Sozialdemokrat – muss die Politik ein offenes Ohr für die Sorgen kleinerer und mittlerer Betriebe haben,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
die noch nicht wissen, wie sie die Teilzeit von Beschäftigten sinnvoll und wirtschaftlich in ihre Arbeitsabläufe integrieren können. Da müssen Lösungen her. Das heißt, wir geben den Anspruch nicht auf, aber es müssen Lösungen her, um den Interessen der Betriebe gerecht zu werden.
Wir müssen die Ergebnisse der Gesamtevaluation familienpolitischer Leistungen, die uns ja vorliegen, ernst nehmen und unsere familienpolitischen Zielvorstellungen daran messen.
(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Rosinenpickerei geht da nicht. Wir können uns nicht nur die Dinge heraussuchen, die wir gemacht haben und die gelobt werden; wir müssen uns eben auch die Dinge anschauen, die kritisiert werden, und Schlussfolgerungen aus der Kritik ziehen.
Eine Schlussfolgerung ist: Kinder und Familie fördern wir am besten und am gerechtesten mit hervorragenden Kitas und Schulen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE])
Diese Erkenntnis hat sich in der Wirtschaft schneller durchgesetzt als in der Politik, daher ja auch die berechtigte Kritik des Deutschen Industrie- und Handelskammertages am Betreuungsgeld. Aber die ganz dicken Bretter – damit meine ich die Fehlsteuerungen beim Ehegattensplitting, in der beitragsfreien Mitversicherung und in der Ausgestaltung bei Minijobs – werden wir nicht alle auf einmal aufbohren können. Wir müssen uns aber damit auseinandersetzen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Beim Elterngeld Plus können wir allerdings schon jetzt darüber reden, wie wir die finanzielle Unterstützung mit einem Betreuungsangebot verbinden. Was spricht zum Beispiel dagegen, einmal darüber nachzudenken, dass wir den Bezug von Elterngeld Plus mit einem Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz kombinieren? Das wäre eine Maßnahme, die wir mit den Ergebnissen der Evaluation ganz hervorragend begründen könnten.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns also nicht auf der Stelle treten, sondern lassen Sie uns die Einführung des Elterngeldes Plus als Startsignal begreifen, das uns auf dem Weg zur Familienarbeitszeit in eine lebhafte Debatte und zu mutigen Entscheidung führt. Die Familien in Deutschland werden es uns danken.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Bettina Hornhues, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3912028 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 55 |
Tagesordnungspunkt | Elterngeld Plus und flexiblere Elternzeit |