Eckhard PolsCDU/CSU - Elterngeld Plus und flexiblere Elternzeit
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine lieben Damen und Herren! Auch ich, lieber Marcus, möchte mit einem Zitat aus der Presse beginnen. Anfang der Woche veröffentlichte unsere Lüneburger Landeszeitung einen Beitrag zum Elterngeld Plus mit dem Titel: „Wohnt der Papa im Büro?“ Dass die Kinder diese Frage stellen, fürchtet wohl jeder Familienvater. Es geht dabei um eine Fragestellung, die aktueller nicht sein könnte, um den Spagat von Vätern zwischen Beruf und Familie. Auch Väter – das haben wir heute schon gehört – möchten Zeit mit ihren Kindern verbringen und sich an der Erziehung ihrer Kinder beteiligen. Sie wollen eben nicht nur die Rolle des Familienernährers einnehmen.
Unbestritten ist, dass die herkömmliche Rollenverteilung, bei der sich die Frau um das Kind kümmert und der Mann den Lebensunterhalt sichert, der Realität vieler Familien nicht mehr gerecht wird. Einerseits wollen viele Mütter nach der Geburt ihres Kindes zeitnah in den Job zurückkehren. Das liegt vor allem angesichts des spürbaren Fachkräftemangels auch im Interesse der Wirtschaft. Andererseits wollen die Väter mehr Zeit zu Hause verbringen.
Die größte Befürchtung vieler Väter ist immer noch, dass es zu einem Karriereknick kommt, wenn sie länger als zwei Monate aus dem Beruf aussteigen. Das soll und wird sich mit dem neuen Elterngeld Plus ändern. Wir schaffen Anreize dafür, dass sich mehr Väter für eine Elternzeit entscheiden, und zwar, ohne dafür im Hinblick auf ein weiteres berufliches Vorankommen bestraft zu werden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Unter dem Motto „Mehr Zeit für Familie, mehr Zeit für Kinder, mehr Flexibilität“ hat die Familienministerin das bisherige Elterngeld nun zu einem Elterngeld Plus weiterentwickelt. Nach der jetzigen Elterngeldregelung ist es unattraktiv, während der Elternzeit zu arbeiten, da das Teilzeiteinkommen vom Elterngeld abgezogen wird und jeder in Teilzeit gearbeitete Monat voll auf die Bezugsdauer des Elterngeldes angerechnet wird. Das neue Elterngeld Plus macht Teilzeitarbeit attraktiver. Dies eröffnet neue Spielräume für Eltern, die Aufgabenteilung in Familie und Beruf partnerschaftlich zu organisieren. Berufliche Auszeiten können begrenzt werden, Mütter schneller ins Berufsleben zurückkehren, und der Erwerbsanteil der Frauen wird weiter steigen. Zur genauen Ausgestaltung haben wir hier heute schon vieles gehört. Deswegen möchte ich nicht näher darauf eingehen.
Nun hat eine Medaille bekanntlich zwei Seiten. Ich freue mich, dass die Kollegen Weinberg und Felgentreu hier wenigstens am Rande kurz die Aspekte der Wirtschaft erwähnt haben. Dass es den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und ihren Familien, sprich: ihren Kindern, in unserem Land besser gehen soll, ist wichtig und richtig. Aber Familien gibt es auch auf der anderen Seite, auf der Unternehmerseite. Bitte wundern Sie sich jetzt nicht, wenn ich als Mittelständler einiges kritisch anmerke, und zwar aus der Sicht eines selbstständigen Handwerksmeisters, der selbst eine Familie mit fünf Kindern hat.
Unsere Wirtschaft besteht nicht nur aus den Großbetrieben, die immer gerne zitiert und als Beispiele herangezogen werden, wie Bosch, Siemens oder VW. Der überwiegende Teil unserer Unternehmen in Deutschland, circa 90 Prozent, sind kleine und mittlere Unternehmen. Ich spreche hier also über viele Betriebe, insbesondere im Handwerk, über 580 000 Betriebe mit gut 5 Millionen Beschäftigten. In der Praxis dürfte es schwierig werden, für die Beschäftigten qualifiziertes Ersatzpersonal für kurze Zeiträume zu bekommen. Das sage ich Ihnen als Praktiker, der das jeden Tag erlebt. Eine Einarbeitung von Ersatzkräften ist oft nicht machbar, erstens aus fachlichen Gründen, zweitens, weil entsprechende Kräfte gar nicht auf dem Arbeitsmarkt vorhanden sind. Das kann bedeuten, dass in der Zeit die übrigen Arbeitnehmer des Betriebes und natürlich auch der Meister bzw. die Meisterin, gegebenenfalls sogar die Familienangehörigen die Zusatzarbeit mit erledigen müssen. Hier können Betriebe schnell an ihre Belastungsgrenze stoßen.
Wichtig bleibt, dass der Rechtsanspruch auf Teilzeit, wie vorgesehen, erst ab einer Schwelle von 15 Arbeitnehmern gilt. Ich meine aber, die Schwelle sollte besser bei 20 Arbeitnehmern liegen und es sollten keine betrieblichen Gründe entgegenstehen dürfen. Auch sollten auf freiwilliger Basis mehr auf die individuelle Situation abgestimmte, passgenaue Teilzeitmodelle zwischen Eltern und Unternehmen vereinbart werden. Aus diesem Grunde ist die vorgesehene Aufteilung der Elternzeit – hoffentlich wird sich das noch ändern – auf drei Zeitabschnitte statt bisher auf zwei Zeitabschnitte, und das ohne Zustimmung des Arbeitgebers, noch einmal zu überdenken, auch wenn die Ankündigungsfrist von 7 auf 13 Wochen erhöht wird.
Der vorgesehene Ausbau der Flexibilisierung, der den Wünschen junger Familien entspricht und positiv zu sehen ist, bedeutet gerade für die kleinen Betriebe im Handwerk einen tiefgreifenden Eingriff in die Personalplanungshoheit; denn gerade das Handwerk muss flexibel auf oft stark schwankende Auftragslagen reagieren.
Im Handwerk ist familienfreundliche Personalpolitik schon heute selbstverständlich. Nicht umsonst hat der ZDH, der Zentralverband des Deutschen Handwerks, im Februar 2011 gemeinsam mit anderen Wirtschaftsverbänden und der Bundesregierung die Charta für familienbewusste Arbeitszeiten mitunterzeichnet. Fast alle Handwerksbetriebe, 86 Prozent, bieten ihren Mitarbeitern zumindest ein familienfreundliches Arbeitszeitmodell an. In unserem Betrieb ist das übrigens auch so. Untersuchungen belegen darüber hinaus, dass jüngere Betriebsinhaber den Eltern in ihrer Belegschaft signifikant häufiger Unterstützungsleistungen zukommen lassen.
Bei den vielen Maßnahmen zur Realisierung des Ziels „Mehr Zeit für Familie, mehr Zeit für Kinder, größere Flexibilität“ sind insbesondere kleine und mittlere Betriebe – und das nicht nur im Handwerk; das kann auch in der Landwirtschaft sein, liebe Kollegin Pahlmann, aber auch im kaufmännischen Bereich – auf Unterstützung und Förderung angewiesen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für das Handwerk kann ich sagen: Wir sind eigentlich viel weiter, als viele in der Politik denken. Wir müssen nicht alles gesetzlich regeln. Lassen wir den Mittelstand arbeiten! Wir wissen, was wir an unseren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern haben; denn sie sind unser größtes Kapital.
Alles in allem haben wir als Koalition mit dem Elterngeld Plus einen guten und richtigen Weg eingeschlagen, der partnerschaftliche Betreuung des Kindes und gleichzeitige Erwerbstätigkeit miteinander verbindet. Unter moderner Familienpolitik verstehen wir, sich den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen anzupassen. Wie wichtig uns dieses Anliegen ist, spiegelt sich auch im aktuellen Bundeshaushalt für 2015 wider. Der weitaus größte Anteil im Etat des Familienministeriums, nämlich 5,4 Milliarden Euro, entfällt allein auf das Elterngeld. Aber wir wissen schon heute, Frau Ministerin, dass das im Etat 2016 nicht ausreichen wird. Wir werden über diese 5,4 Milliarden Euro hinausgehen müssen.
Herr Präsident, gestatten Sie mir zum Schluss noch ein persönliches Wort. Ich habe zu Beginn davon gesprochen, dass ich fünf Kinder habe. Ich muss mit meiner Frau besprechen, ob noch ein sechstes folgen soll.
(Heiterkeit)
Meine Frau hat die geschäftsführende Position in unserem Betrieb eingenommen. Wir könnten ausprobieren, wie sich das Elterngeld Plus auf die Selbstständigkeit auswirkt, wenn meine Frau in Elternzeit geht und ich die Partnermonate nehme. Ich bin gespannt, Herr Präsident, was die Bundestagsverwaltung dazu sagt.
Vielen Dank.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3913784 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 55 |
Tagesordnungspunkt | Elterngeld Plus und flexiblere Elternzeit |