26.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 55 / Tagesordnungspunkt 20

Sven-Christian KindlerDIE GRÜNEN - Ausbau der Kindertagesbetreuung

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schäuble, Sie haben sich hier wieder für den Haushalt 2015 gelobt, aber Sie wissen genau, dass Ihre Bilanz massiv geschönt ist. Sie nehmen zwar keine Schulden mehr bei der Bank auf, aber Sie wollen weiterhin Schulden aufnehmen: bei den Krankenkassen, bei der Rentenversicherung und bei der Infrastruktur.

Wenn wir heute über die Kommunen und die Kitas reden, dann kann ich nur feststellen: Sie nehmen auch Schulden bei den Investitionen in unseren Kommunen auf. Sie nehmen auch Schulden bei Kindern und Jugendlichen auf. Dieser Haushalt enthält eine große versteckte Verschuldung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir heute über kommunale Finanzen und die Länderfinanzen reden, Herr Schäuble, dann dürfen wir auch nicht vergessen, dass die Kassen der Länder in den letzten Jahren durch Steuersenkungen massiv geschröpft wurden: erst durch die Große Koalition und dann durch Schwarz-Gelb. Auch damals waren Sie Finanzminister, Herr Schäuble. Ihr Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das eher ein Klientelbeschleunigungsgesetz ist, hat dazu geführt, dass nach wie vor die Länder jedes Jahr 2,3 Milliarden Euro Einnahmeverluste haben. Die Kommunen kostet es 1,5 Milliarden Euro. Das dauert leider bis heute an. Das heißt, Schwarz-Gelb wirkt leider weiter. Ihre Steuersenkungspolitik, Herr Schäuble, ist für Länder und Kommunen immer noch sehr teuer.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich will noch kurz auf die Bund-Länder-Finanzbeziehungen und den Vorschlag zu den regionalen Steuersätzen eingehen, der aus dem BMF an die Presse durchgestochen wurde. Wir haben in Europa einen aggressiven Steuerwettbewerb. Wir brauchen jetzt nicht noch zwischen den Bundesländern einen aggressiven Steuerwettbewerb. Wir brauchen einen guten Steuervollzug, eine gerechte Steuerpolitik und eine gute Ausstattung von Ländern und Kommunen. Das ist die richtige Antwort. Wir brauchen keine regionalen Steuersätze.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zu der Entlastung der Kommunen um 1 Milliarde Euro jährlich ab 2015 will ich drei Punkte ansprechen. Erstens. Das ist weniger als das, was die Steuersenkungen durch Schwarz-Gelb die Kommunen gekostet hat. Zweitens. Diese Entlastung kommt nicht wie im Koalitionsvertrag versprochen 2014, sondern erst 2015. Das ist der erste Bruch des Koalitionsvertrags. Drittens. Die Entlastung der Kommunen im Umfang von 5 Milliarden Euro jährlich bei der Eingliederungshilfe kommt nicht in dieser Legislaturperiode, sondern wird auf 2018 verschoben. Das ist der zweite Bruch des Koalitionsvertrags.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, Sie wissen selber, dass die Kommunen darüber sehr enttäuscht sind. Der Präsident des Deutschen Städtetags, Herr Maly von der SPD, hat das genauso kritisiert wie der Oberbürgermeister von Neuburg an der Donau, Herr Gmehling von der CSU. Der Oberbürgermeister von Gelsenkirchen, Frank Baranowski von der SPD, hat gesagt: Ich bin fassungslos. Gemessen am Koalitionsvertrag ist das Wortbruch. – Ich finde, er hat völlig recht. Das ist eine herbe Enttäuschung für die Kommunen. Das ist Wortbruch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Kommunen klagen nicht ohne Grund. Sie haben zum Teil hohe Sozialkosten. Diese Kosten werden in den nächsten Jahren weiter steigen, und zwar durchschnittlich um 2 Milliarden Euro, so der Städte- und Gemeindebund. Das ist deutlich mehr als die 1 Milliarde Euro, die in Ihrem Haushalt als Entlastung der Kommunen vorgesehen ist. Wir müssen aber jetzt den Kommunen, die hohe Sozialkosten haben, helfen. Dabei hilft es nichts, dass die Entlastung der Kommunen hälftig durch eine Erhöhung des Gemeindeanteils an den Einnahmen aus der Umsatzsteuer erfolgt. Das bringt den armen Kommunen gar nichts. Wir Grüne sagen klar: Wir wollen die Kommunen nicht nur um jährlich eine volle Milliarde Euro bei den Kosten der Unterkunft und Heizung entlasten – wir werden versuchen, das in den Haushaltsberatungen zu ändern –, sondern auch zusätzlich 1 Milliarde als Hilfe für strukturschwache Kommunen. Des Weiteren wollen wir die Kommunen bereits in dieser Legislaturperiode um jährlich 5 Milliarden Euro bei der Eingliederungshilfe entlasten und nicht erst ab 2018. Das benötigen unsere Kommunen dringend.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Kommunen, die hohe Sozialkosten haben und strukturschwach sind, stecken in einem Teufelskreis; denn aufgrund der hohen Sozialkosten können sie nicht investieren und keine Schulden abbauen. Die KfW hat berechnet, dass sich der kommunale Investitionsstau in diesem Jahr auf satte 118 Milliarden Euro beläuft. Die Folgen sind kaputte Straßen, kaputte Brücken und kaputte Schienen. In den Schulen fällt der Putz von der Decke.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist aber Sache der Länder!)

Es gibt viel zu wenige Kitaplätze, insbesondere gute Kitaplätze. Das sind Kosten und Schulden von morgen und übermorgen. Dagegen macht die Große Koalition leider fast nichts. Wir haben nicht nur im Bund, sondern auch in den Kommunen eine große versteckte Verschuldung zu beklagen. Das ist auch ein Problem dieses Haushalts.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Haushalt und Ihre Politik sind nicht alternativlos. Man könnte wirklich etwas verändern und beispielsweise Investitionen und Hilfen für Kommunen solide gegenfinanzieren, indem man die umweltschädlichen Subventionen abbaut. Hier sind Milliarden zu holen. Man könnte auch eine gerechte Steuerpolitik betreiben. Als Beispiel nenne ich hier die Abgeltungsteuer. Wir wollen, dass Kapitaleinkommen endlich wieder progressiv besteuert werden wie Arbeitseinkommen. Das ist gerechte Steuerpolitik und hilft dem Haushalt und unseren Kommunen. Deswegen sagen wir ganz klar: Wir wollen höhere Steuereinnahmen aus Kapitaleinkommen erzielen. Die Abgeltungsteuer muss abgeschafft werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Eine weitere Möglichkeit stellen Ausgabenkürzungen im Haushalt dar. Frau Schwesig und Herr Schäuble, Sie könnten die Ausgaben für das Betreuungsgeld kürzen. Von 2015 bis 2017 wollen Sie 3 Milliarden Euro für das Betreuungsgeld ausgeben. Schauen wir uns einmal an, wie viel Sie für den Kitabereich eingestellt haben. Bisher gab es pro Jahr 1 Milliarde Euro für die Kommunen. Nun planen Sie, Frau Schwesig, 650 Millionen Euro in vier Jahren, also in einer Legislaturperiode. Das ist weniger als unter Schwarz-Gelb. Dabei wollten Sie 2 Milliarden Euro erzielen. Aber Sie konnten sich leider nicht gegen den Finanzminister durchsetzen. Für die kleinen Kinder haben Sie nichts in diesen Haushalt eingestellt. Das ist ein Armutszeugnis für die SPD und insbesondere für die Bundesfamilienministerin.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE])

Trauen Sie sich doch endlich, etwas in der Haushaltspolitik zu verändern, zum Beispiel bei den Subventionen, dem Betreuungsgeld oder der Abgeltungsteuer. Hier liegen Milliarden brach, die Sie holen können, um unseren Kommunen zu helfen sowie um in Bildung und den Kitaausbau zu investieren. Sie müssen aber mutig sein, wenn Sie wirklich etwas verändern wollen. Wir jedenfalls werden Ihnen konkrete Änderungsvorschläge in den Haushaltsberatungen vorlegen. Ich hoffe, Sie folgen uns dann auch.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Legen Sie die Vorschläge vor; wir schauen sie uns an!)

Als Nächstem erteile ich das Wort dem Abgeordneten Eckhardt Rehberg, CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3913855
Wahlperiode 18
Sitzung 55
Tagesordnungspunkt Ausbau der Kindertagesbetreuung
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