Eckhardt RehbergCDU/CSU - Ausbau der Kindertagesbetreuung
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Kindler, nennen Sie mir eine Krankenkasse, die verschuldet ist. Ich kenne keine. Die Krankenkassen schwimmen im Geld. Sie haben Überschüsse ohne Ende. Das ist das Ergebnis grundsolider Politik der letzten Jahre und der positiven wirtschaftlichen Entwicklung. Schauen Sie sich die Rentenversicherung an. Wir debattieren nicht über die Erhöhung von Beitragssätzen, sondern wir debattieren darüber, ob wir sie senken müssen, weil wir eine Reserve von fast zwei Monaten haben. Ihre Beschreibung der Lage hat mit der Realität nichts zu tun.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wenn man von innovativer und kompetenter Haushaltspolitik redet, dann sollte man sich anschauen, wie wir im nächsten Jahr zur schwarz-roten Null kommen werden. Wir haben im Jahr 2010 mit einer Sollverschuldung von 86 Milliarden Euro begonnen. In diesem Jahr ist die Istverschuldung auf 44 Milliarden Euro gesunken. Wir haben schon in der zurückliegenden Zeit die Kommunen massiv entlastet. Ich nenne als Beispiele die Kosten der Unterkunft und die Grundsicherung im Alter. Kollege Kindler, wir haben ganz nebenbei zum Beispiel das Kindergeld erhöht. Das waren Kosten in Höhe von 10 Milliarden Euro. Wenn Sie Steuermindereinnahmen beklagen, so sage ich: Das ist gut angelegtes Geld für unsere Familien und unsere Kinder.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine klare Gegenfinanzierung!)
Wir werden im nächsten Jahr bei der schwarz-roten Null landen. Es werden oft Märchen erzählt, und es wird so getan, als ob nur der Bund Steuermehreinnahmen hätte. Ja, wir haben von 2005 bis 2014, in der Regierungszeit von Angela Merkel, 78 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen gehabt. Länder und Gemeinden haben aber in dieser Zeit Steuermehreinnahmen in Höhe von 100 Milliarden Euro gehabt. Tun wir doch nicht so, als ob die Steuern nur beim Bund landen würden. Der überwiegende Teil der Gemeinschaftssteuern landet bei Ländern und Gemeinden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wenn Sie in der 17. und 18. Wahlperiode eine kommunale Entlastung von insgesamt 90 Milliarden Euro stemmen und gleichzeitig die Null haben wollen, dann, liebe Frau Kollegin Schwesig, nenne ich das insgesamt innovative und kompetente Haushaltspolitik. Das Wichtigste für mich ist, dass wir in den nächsten Jahren die Null halten. Wir können viel über Hochschulen, Kitas und darüber, wie Geld verteilt wird, debattieren. Das Wichtigste ist, dass ich meinen Enkelkindern keine Neuverschuldung in Deutschland hinterlasse.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht ihr doch! Ihr macht doch neue Schulden bei der Infrastruktur!)
Vielmehr soll jede Generation ihre Verantwortung tragen, auch für die Finanz- und Haushaltspolitik.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der Bund hat sich Mehrausgaben in Höhe von 30 Milliarden Euro für die Jahre bis 2018 vorgenommen. Die Steigerung beträgt in den Jahren 2016, 2017 und 2018 jeweils 10 Milliarden Euro. Zur Wahrheit gehört auch, dass die Hälfte dieses Aufwuchses an Länder und Kommunen geht. Wir wollen die Kommunen um 1 Milliarde Euro entlasten. Damit beginnen wir heute. Ich halte die Verteilung übrigens für gerecht. Die eine Hälfte kommt aus den Umsatzsteuerpunkten, die andere Hälfte aus den KdU. Das eine kommt bei den Stärkeren an, das andere bei den Schwächeren. Ich halte das für eine in die Zukunft gerichtete, gute Verteilung für die Kommunen in der Bundesrepublik Deutschland.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
6 Milliarden Euro sollen an die Länder gehen. Da stellt sich für mich eine ganz spannende Frage. Kommt das Geld wirklich an? Das betrifft dieses Entlastungsgesetz. Nachdem in der ersten Formulierung von Trägern der Eingliederungshilfe gesprochen wurde, mussten dann ganz konkret die Kommunen genannt werden. Ich möchte mich ganz ausdrücklich bei unseren Kommunalpolitikern und an deren Spitze bei Ingbert Liebing bedanken, dass sie hier reingegrätscht sind. Die ersten Länder haben nämlich schon den Finger gehoben und auf das Geld Anspruch erhoben. Wir haben in dem Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass die 1 Milliarde Euro und auch die zukünftigen 5 Milliarden Euro – das ist eine Vorfestlegung – für die Entlastung der Kommunen verwendet werden und für nichts anderes.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Eine Rednerin, die nach mir spricht und Mitglied des Haushaltsausschusses ist, eine Kollegin von der SPD, hat einmal von klebrigen Fingern der Länder gesprochen. Ich will das nicht tun.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das kann nur Frau Hagedorn gewesen sein! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine gute Kollegin ansonsten!)
Aber gucken wir uns wirklich einmal die Realitäten an:
Stichwort „Entflechtungsgesetz“. Mit den Mitteln konnten die Länder und Kommunen eigentlich nicht rechnen. Die Absprache war eine andere. Die Absprache war: degressiv bis 2019. Ergebnis: Zustimmung Fiskalvertrag; die 2,6 Milliarden Euro bleiben stehen. – Gucken Sie sich heute einmal an, wie viele Länder die Zweckbindung bei sich normiert haben! Ich fange jetzt nicht an, die Länder zu benennen, weil das an dieser Stelle vielleicht zu weit führt. Es gibt Länder, die überhaupt keine Zweckbindung festgeschrieben haben. Ich kenne Länder, wo beim ÖPNV und beim kommunalen Straßenbau gerade einmal die Hälfte der Mittel für diesen Zweck ankommt.
Deswegen geht mein Appell an die Kolleginnen und Kollegen von allen Fraktionen, ob in der Regierung oder in der Opposition in diesem Land: Wir sollten alle gemeinsam als Bundestagsabgeordnete wirklich dafür sorgen, dass das Geld entsprechend der Zweckbindung und auch auf der Ebene ankommt, die wir politisch vorgesehen haben. Es kann nicht sein, dass Entflechtungsmittel zur Sanierung der Länderhaushalte verwendet werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nehmen wir das Thema BaföG: BAföG wird an Studierende und Schüler ausgereicht, und deswegen gehören die Mittel nach meiner Auffassung auch an Schulen und Hochschulen. Jetzt kann man sich beim Thema „frühkindliche Bildung“ streiten; aber wenn man die Mittel nur nimmt, damit die Eltern keine Kitabeiträge zahlen müssen, dann sehe ich keine Qualitätsverbesserung in der frühkindlichen Bildung, sondern dann ist das aus meiner Sicht eine Zweckentfremdung. Wenn man die Mittel für Qualitätsverbesserung in der frühkindlichen Bildung verwenden würde,
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen die ja!)
dann wäre ich noch damit einverstanden; aber wenn sie nur eingesetzt werden, damit Eltern keine Beiträge mehr zahlen müssen, sehe ich eine Zweckentfremdung.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Niedersachsen investiert in Qualität!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine der effizientesten Kommunalentlastungen war die bei der Grundsicherung im Alter. Es war eine gute Entscheidung, auch deswegen – ich kann das zumindest für die neuen Bundesländer sagen –, weil es keinen signifikanten Anstieg bei der Grundsicherung im Alter gegeben hat. Die neuen Bundesländer hatten vor acht Jahren eine Quote von 1,16 Prozent; die neuen Bundesländer, ohne Berlin, haben heute eine Quote von 1,28 Prozent – kein signifikanter Anstieg. Über die verschiedenen Stufen – 40 Prozent, 75 Prozent und heute 100 Prozent – ist eine echte Entlastung für die Kommunen erreicht worden.
Die Uni Rostock sagt in einer Studie, in Auftrag gegeben vom Landtag Mecklenburg-Vorpommern, dass bis zum Jahr 2020 zumindest für dieses Bundesland nicht mit einem signifikanten Anstieg der Altersarmut, sprich: der Ausgaben für die Grundsicherung im Alter, zu rechnen ist. Wissenschaftler können irren; ich zitiere das hier nur. Wenn das so sein sollte, ist das bei den Kommunen gut angelegtes Geld, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wenn ich im Gesamtkontext betrachte, was wir getan haben und was wir tun wollen, dann möchte ich an einen Punkt anknüpfen, den Minister Schäuble schon genannt hat. Zur Ehrlichkeit gehört, dass es in der Gesamtheit den Kommunen und Ländern deutlich besser geht als dem Bund. Liebe Kolleginnen und Kollegen, manche debattieren hier nur die Einnahmeseite. Wenn Sie sich einmal angucken, welche Länder einen Ausgabenzuwachs haben, dann stellen Sie fest: Das sind die Länder, wo Haushalte für nicht verfassungsgemäß erklärt worden sind, und das sind die Länder, die am meisten herumtrompeten, dass man die Steuern erhöhen müsse, damit die Ausgaben auch geleistet werden können. Andere Länder, die sich anstrengen – ich lasse einmal beiseite, welche das sind –, fragen sich natürlich mittlerweile, auch mit Blick auf die Gespräche über die Bund-Länder- Finanzbeziehungen: Haben sich unsere Anstrengungen gelohnt, oder machen wir bei dem ganzen Thema Miese?
(Beifall des Abg. Arnold Vaatz [CDU/CSU])
Ich kann diesen Ländern nur eines sagen: Die Anstrengungen haben sich gelohnt, weil sie gegenüber denen, die ihre Ausgaben hochfahren und sich immer wieder verschulden, in einer besseren Position sind. Das Gebot der Stunde kann nicht sein, bei steigenden Steuereinnahmen solche Ausgabenzuwächse in den Länderhaushalten zu haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was wir insgesamt brauchen, das ist aus meiner Sicht eine Verantwortungsgemeinschaft, eine Verantwortungsgemeinschaft von Bund, Ländern und Kommunen. Das heißt für mich:
Erstens. Das Geld muss an der Stelle ankommen, die politisch vereinbart worden ist. Das gilt sowohl für den Verwendungszweck als auch für die Ebene.
Zweitens. Die Länder müssen ihre Zusagen einhalten. Denken wir einmal an das Thema des Krippenausbaus. Ja, wir haben seit 2008 viele Krippenplätze neu geschaffen und werden das auch weiter tun. Halten aber Länder und Kommunen wirklich die politische Zusage – ein Drittel der Bund, ein Drittel die Länder und ein Drittel die Kommen – ein? Wenn wir einmal ganz scharf in jeden Landeshaushalt schauen, dann stellen wir fest, dass dem oftmals mitnichten so ist.
Drittens. Aus meiner Sicht darf es zu keiner Sanierung der Länderhaushalte durch Zweckentfremdung kommen. Ich halte es für unverantwortlich, was einige Länder machen. Ich rufe dringend zur Revision einiger kommunaler Finanzausgleichsgesetze der Länder auf, in denen explizit steht: Wenn der Bund zusätzliche Zuweisungen an die Kommunen vornimmt, dann fließen die Mittel über den Vorwegabzug zurück in den Landeshaushalt. Ich halte das für politisch-moralisch nicht vertretbar.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es gibt solche Länder. Bei einer Tasse Kaffee nenne ich Ihnen diese auch. – Die Mittel müssen also letztendlich im kommunalen Haushalt ankommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in der vergangenen Legislaturperiode mit einem massiven Schuldenabbau begonnen.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz viele neue Schulden gemacht!)
Nehmen wir einmal die 90 Milliarden Euro, die in der vergangenen Legislaturperiode den Kommunen zugewiesen worden sind.
Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Anmerkung machen und darauf hinweisen, dass die Hälfte des Ausgabenzuwachses nicht als Durchlaufposten im Bundeshaushalt enthalten ist. Wir müssen eine Debatte darüber führen, ob der Bund Maßnahmen finanziert, für die er eigentlich nicht zuständig ist. Diese Debatte muss deswegen zwingend geführt werden, weil auch der Bund Aufgaben zu erfüllen hat. Ja, Kollege Kindler, mir persönlich wäre es lieber – das sage ich ganz offen –, das, was wir als Durchlaufposten an die Länder geben, in die Verkehrsinfrastruktur zu stecken. Das ist originäre Bundesaufgabe.
Herr Minister Schäuble, deswegen haben Sie die Unionsfraktion an Ihrer Seite bei all den Themen, die in den nächsten Wochen und Monaten anstehen. Ich glaube, wir im Bund befinden uns in einer sehr guten Position auf dem Weg hin zu einer schwarz-roten Null.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Als nächster Rednerin erteile ich der Abgeordneten Susanna Karawanskij, Fraktion Die Linke, das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3913891 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 55 |
Tagesordnungspunkt | Ausbau der Kindertagesbetreuung |