26.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 55 / Tagesordnungspunkt 20

Marcus WeinbergCDU/CSU - Ausbau der Kindertagesbetreuung

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Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Hinsichtlich der richtigen und guten Politik für Familien beginnt nun die zweite Halbzeit. Herr Daldrup hat von der Erkenntnis gesprochen, dass es jeden Morgen hell wird. Ich glaube, man kann sagen: Für Familien wird es heute besonders hell, weil wir heute über zwei große Gesetzentwürfe beraten. Es geht um Partnerschaftlichkeit und mehr Zeit für Familien – Elterngeld –; aber auch die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist wichtig, wofür der Ausbau der Infrastruktur entscheidend ist.

Heute Morgen wurden drei prägende Zahlen genannt: zweimal 5,4 und einmal die große Null. Für eine gute, langfristige und nachhaltige Familienpolitik ist zentral – das hat Eckardt Rehberg schon gesagt –, dass Schluss gemacht wird mit neuen Schulden. Bei den Dingen, die wir jetzt auf den Weg bringen, und bei den großen Summen, die wir ausgeben, ist dies der Überbau. Dieses Ziel leitet uns und trägt uns maßgeblich.

Wir haben in der vorangegangenen Debatte über 5,4 Milliarden Euro für das Elterngeld gesprochen. Diese Summe steigt. Diese Ausgabe ist richtig, aber das ist auch sehr viel Geld. Wir diskutieren jetzt über den Krippenausbau. Hier geht es um Investitionen in Höhe von 5,4 Milliarden Euro in den letzten Jahren.

In einer solchen Debatte muss man auch nach der Verantwortung in einem föderativen System fragen und überlegen, welche Teile dieses Systems für welche Bereiche Verantwortung haben. Richtig ist, dass der Bund den Ausbau der Kindertagesbetreuung als nationale Aufgabe angesehen hat und gesagt hat: Wir erachten den Ausbau der Kindertagesbetreuung nicht nur hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf als zentral, sondern auch im Zusammenhang mit Integration, also im Zusammenhang mit der Vermittlung von Sprachkenntnissen, Bildung und weiteren Dingen. Es war eine richtige Entscheidung, sich auf dem sogenannten Krippengipfel für den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz ab dem 1. August 2013 auszusprechen. Es war eine immens wichtige Botschaft, das fest zu verankern. Das war richtig und wichtig.

Aber die Erwartungshaltung im föderativen System ist, dass diejenigen, die davon profitieren, auch die Frage zu beantworten haben, was sie leisten. Ich bin ein wenig irritiert, wenn ich manche Wahlkämpfe in bestimmten Bundesländern beobachte; die Landesvertreter sind heuteMorgen nur in begrenzter Zahl anwesend. Wir tun aus purer Überzeugung viel für die Länder und Kommunen. Es ist ein Problem, wenn man dann sieht, dass in einigen Ländern bei Wahlkämpfen viele Dinge versprochen werden, die andere – in dem Fall der Bund – mit zu tragen haben, zum Beispiel die Abschaffung der Studiengebühren oder die Abschaffung der Elternbeiträge. In Niedersachsen wurde im Wahlkampf die dritte Betreuungskraft im Krippenbereich versprochen. Das kann man versprechen, wenn man es finanzieren kann. Aber bei der Frage nach dem Verwendungszweck der Bundesmittel kann es dann Probleme geben. Werden die Mittel, die wir zur Verfügung stellen, zum Beispiel für das BAföG oder die anteilige Übernahme der Betriebskosten, richtig bereitgestellt?

Auch die Frage der Qualität spielt dann eine Rolle, nicht nur in der Verantwortung der Länder, aber insbesondere in der Verantwortung der Länder. Wenn das Bundesland mit dem schlechtesten Betreuungsschlüssel – in diesem Fall darf ich den Namen nennen, es handelt sich um Hamburg; dort gibt es einen Betreuungsschlüssel von 1 zu 4,7, wenn man es genau rechnet, sogar von 1 zu 7 – entscheidet, dass die Elterngebühren abgeschafft werden, ist das eine politische Entscheidung, die man tragen kann oder nicht. Wenn man aber gleichzeitig den schlechtesten Betreuungsschlüssel hat und nichts in die Qualität investiert, dann, glaube ich, ist das durchaus ein Problem, das angesprochen werden muss.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nicht nur in Bezug auf Hamburg, sondern auch in Bezug auf das südlich davon liegende Bundesland Niedersachen muss man fragen, ob die BAföG-Mittel tatsächlich bei den Studierenden ankommen. Als Verwendungszweck für diese Mittel wurde angegeben, dass sie der Entlastung im Bereich BAföG dienen. Doch weder in Hamburg noch in Niedersachen kommen die Mittel an. Wenn dann ein Wahlversprechen wie die dritte Betreuungskraft in Krippen – sie ist wichtig; das ist gut – über eine Entlastung in einem anderen Bereich finanziert werden soll, dann ist das mit dem Verwendungszweck nicht vereinbar und dann muss man ansprechen, dass das so nicht in Ordnung ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese kleine Bemerkung in Richtung der Länder sollten Sie mir gestatten, weil wir als Bund die Situation dort beobachten. Wir unterstützen die Länder aus Überzeugung. Zum Beispiel im Bildungsbereich geben wir jährlich über 2 Milliarden Euro für originäre Aufgaben der Länder aus.

(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: So ist das!)

Dies ist uns wichtig. Aber hier und da sollte man überlegen und schauen, was die Länder mit den zur Verfügung gestellten Mitteln machen. Das ist richtig und wichtig.

Ich komme zur Frage der Qualität. Die Forderung nach mehr Qualität ist auch im vorliegenden Antrag formuliert worden. Ich glaube, dass wir uns alle einig sind, dass eine Qualitätssteigerung im Krippenbereich elementar ist, nicht nur – das hat auch die Ministerin gesagt – bei der Frage des Betreuungsschlüssels, sondern auch bei der Frage der Angebote: Was können wir noch leisten? Die Frage ist auch: Muss dies über ein Gesetz des Bundes geregelt werden? Wissen nicht die Verantwortlichen sowohl auf Bundesseite als auch auf Länderseite, dass es hier eine hohe Verantwortung gibt? Ich glaube, wir sollten den Weg gehen, der jetzt angestrebt wird, nämlich auf der Konferenz im November festzulegen, wo wir Standards setzen, wohin wir in diesem Bereich wollen und was wir bereit sind zu erfüllen.

Ich weiß und wir wissen: Der Bund kann Gesetze verabschieden, aber er muss deren Umsetzung auch finanziell leisten. Da stellt sich die Frage, inwieweit wir das auch vor dem Hintergrund unserer originären Aufgaben weiter leisten können. Das föderative System lebt auch von der Akzeptanz, dass jeder seine Aufgaben erledigt.

Deswegen war es uns wichtig, in diesem Bereich darauf zu achten, dass wir den veränderten Wünschen der Eltern gerecht werden wollen. Wir haben gerade bei der Debatte zum Elterngeld viele Zahlen gehört, durch die deutlich wurde, was Eltern von der Politik erwarten. Ich will nur drei Zahlen im Hinblick auf die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und den Krippenausbau nennen: Für 81 Prozent der Befragten ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiterhin die zentrale Frage, die immer mehr durch die Frage der Vereinbarkeit von Pflege und Familie ergänzt wird. 34 Prozent der Mütter würden tatsächlich gerne länger arbeiten, wenn sie eine entsprechende Betreuungsmöglichkeit hätten. Die Mütter kehren heute nach durchschnittlich 19 Monaten zu ihrem Arbeitgeber zurück. Aber viele Mütter würden gerne früher in Teilzeit zurückkehren. Ich glaube, vor dem Hintergrund dieser Zahlen ist der Ausbau der Kindertagesbetreuung eine zentrale Aufgabe.

Wenn ich das so sagen darf: Herr Kindler – er beschäftigt sich jetzt zu Recht mit anderen Dingen –, wir reden ja nicht nur über die 5,4 Milliarden Euro für den Ausbau der Angebote im Krippenbereich. Wir stellen auch Mittel in Höhe von 400 Millionen Euro für das Programm „Frühe Chancen“ bereit. Das ist eine sehr wichtige und gute Maßnahme für Spracherwerb und Integration. Ich könnte aus dem Etat des BMBF die Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ nennen. Dort geben wir viel Geld aus, um die Bildungsimplikationen zu steigern. Ich nenne das Aktionsprogramm Kindertagespflege, ich nenne das KfW-Förderprogramm für den Ausbau von Kitas und die Arbeitsgruppe zur Fachkräftegewinnung für die Kindertagesbetreuung, Weiterbildungsmaßnahmen für pädagogische Kräfte und, und, und. Der Bund tut also deutlich mehr, als Herr Kindler beschrieben hat. Ich glaube, darauf könnten wir häufiger hinweisen, weil das gute und wichtige Dinge sind.

Wir stocken die Mittel für das Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ jetzt um 550 Millionen Euro auf. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir die Mittel in drei Tranchen – 230 Millionen Euro, 220 Millionen Euro und 100 Millionen Euro – einsetzen, sodass auf jeden Fall gewährleistet ist, dass es dort, wo ausgebaut werden soll, keine Phase gibt, in der dieser Ausbau möglicherweise stottert. Es wurde bereits angesprochen, aber ich sage es noch einmal: Nachdem wir bei sehr wenigen Plätzen gestartet sind, kommen zu den bisher zugesagten 780 000 Plätzen jetzt noch einmal 30 000 Plätze hinzu.

Zu den Betriebskosten. Ich glaube, das ist ein zentraler Punkt. Der Anteil des Bundes wird in wenigen Jahren bei 945 Millionen Euro liegen. Das sind also fast 1 Milliarde Euro für eine originäre Aufgabe der Länder. Wir sind uns, wie gesagt, darin einig, diese Ausgabe vorzunehmen. Allerdings erwarten wir hier natürlich auch, dass dies zu einer Steigerung der Qualität führen wird.

Die Verstetigung der Mittel für den Bereich „Schwerpunkt-Kita Sprache & Integration“ in Höhe von 126 Millionen Euro ist auch richtig, weil dadurch deutlich wird, dass wir den Ausbau der Kindertagesbetreuung als eine Maßnahme zwischen Sozialpolitik, Integrationspolitik, Familienpolitik und Arbeitsmarktpolitik bewerten.

Ich will in Bezug auf die Ergebnisse, die wir in den letzten Jahren erzielt haben, nur ein paar Zahlen nennen:

Der Ausbau der Kinderbetreuung trägt zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei. Über 100 000 Mütter mit Kindern zwischen einem Jahr und drei Jahren wären ohne diese Betreuungsmöglichkeit nicht erwerbstätig. Der Ausbau der Kinderbetreuung verringert das Armutsrisiko aller Familien mit Kindern bis zu zwölf Jahren um rund 7 Prozentpunkte.

Die Erwartungshaltung junger Mütter und junger Väter – auch das wissen wir aus den Umfragen – in Bezug auf die Zielsetzung und die Qualität lautet: Sozialisation, Integration in eine soziale Gruppe, Kreativität, Sprachentwicklung und Bildungsimplikationen. Deshalb werden wir uns auch über die Qualität unterhalten. Wir werden eine Qualitätssteigerung allerdings nicht wieder in einem Gesetz vorschreiben, sondern wir erwarten nach Diskussionen mit den Ländern, dass hier freiwillig neue Wege gegangen werden, um der kommunalen Verantwortung gerecht zu werden.

Insgesamt kann man sagen, dass wir mit diesem Maßnahmenkatalog und diesem Ausbautempo im Ergebnis das erreichen, was seit mittlerweile acht Jahren, seit der ersten Großen Koalition, angestrebt wird: dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in die nächste Epoche geht. Ich denke, aufgrund der heute vorliegenden Gesetzentwürfe – dem Elterngeld Plus auf der einen Seite und dem Ausbau der Kindertagesbetreuung auf der anderen Seite – ist heute ein Happy Friday bzw. ein Family Friday. Das ist der richtige Weg. Deswegen glaube ich, dass das heute Morgen eine gute Debatte für alle Familienpolitiker war.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank. – Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist die Kollegin Uli Gottschalck, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3913944
Wahlperiode 18
Sitzung 55
Tagesordnungspunkt Ausbau der Kindertagesbetreuung
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