26.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 55 / Tagesordnungspunkt 22

Ernst Dieter RossmannSPD - Bericht zum Anerkennungsgesetz

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erinnere mich noch an Debatten hier im Bundestag, bei denen allein die Darstellung, dass es in Deutschland rund 400 000 bis 500 000 akademisch gebildete zugewanderte Menschen gibt, deren Abschluss nicht anerkannt wird, große Augen bei allen Kollegen hervorgerufen hat.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allem dort auf der rechten Seite!)

Dankenswerterweise war es die Universität Oldenburg, die solche Studien durchgeführt hat. Wir können jetzt natürlich daran erinnern, wie Olaf Scholz damals gegen den Widerstand des Kollegen Schäuble gekämpft hat und andere ihrerseits wieder gegen Widerstände anderer. Wichtig ist doch aber, dass es jetzt eine große Übereinstimmung gibt, auch hinsichtlich der operativen Teilbereiche, die angegangen werden müssen.

Sie haben in einem sehr selbstkritischen Bericht vieles gelesen, was Staatssekretär Müller und andere auch schon angesprochen haben. Wir werden hoffentlich in zwei Jahren einen anderen, einen besseren Bericht erhalten, weil es bis dahin eine bessere Koordinierung zwischen den Ländern und zwischen den Beratungsstellen sowie vereinfachte Verfahren und hoffentlich auch ein – hier knüpfe ich an Olaf Scholz an – voll ausgebildetes Qualifizierungssystem geben wird. Es war ja immer unser Wunsch, der Wunsch der SPD, dass es nicht nur das Recht auf Beratung und das Recht auf Anerkennung gibt, sondern auch das Recht auf Nachqualifizierung. Auf dem Weg dorthin ist das, was Frau Nahles jetzt im Namen der Großen Koalition vorbereiten kann, ein guter und wichtiger Schritt. Wenn das Ganze dann nicht nur in ein freiwilliges Programm, sondern in eine Rechtsleistung münden würde, dann hätten wir tatsächlich ein sehr modernes Anerkennungsrecht.

Dazu gehört auch – ich nehme das auf, was Frau Hein und Herr Mutlu gesagt haben –, dass uns die Spanne bei den Anerkennungsgebühren, die, wie es im Bericht steht, von 100 über 600 bis zu 1 500 Euro reicht, doch selber ins Grübeln bringen muss.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mich nicht!)

Diese Menschen kommen hierher. Sie haben nicht viel Geld, aber Sie haben eine gute Qualifikation. Sie sind durchschnittlich zwischen 25 und 35 Jahre alt. Sie haben auch noch Familie. Sie wollen sich hier einbringen und sollen dafür am Ende in einem bürokratischen Verfahren viel Geld aufbringen. Wir müssen uns selber einmal in deren Situation hineindenken und fragen, ob diese Hürde eigentlich so bleiben muss oder ob man dort nicht etwas ändern kann.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es muss ja nicht unbedingt kostenlos sein, aber zwischen 600 und 200 Euro liegt ein Unterschied, auch bezogen darauf, ob man sich einbringt oder nicht.

Ich will gerne einen weiteren Gedanken von Ihnen aufnehmen, Herr Mutlu. Ja, das Verfahren soll schnell sein, es soll zügig sein, es soll einfach sein. Es muss aber auch verlässlich und leistungsbezogen sauber sein.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Absolut d’accord!)

Gerade auf dem Arbeitsmarkt, bei den Handwerkern, den Mittelständlern und anderswo hat sich an der Tendenz, die aus dem Bericht herauszulesen ist, dass man eben doch – in Anführungsstrichen – der deutschen Qualifikation mehr traut als der nachgereichten eingedeutschten Qualifikation, nichts verändert. Wenn es dort Zweifel gibt, wenn sich festsetzen sollte: „Das ist ein bisschen geluscht“, dann nützt es diesen Menschen ja nichts. Es muss ja im Gegenteil gerade bei denen, die diese Kräfte aufnehmen sollen, auch eine Bereitschaft geben und ein hundertprozentiges Vertrauen auf Gleichwertigkeit bestehen. Dafür wollte ich noch einmal werben. Ich glaube, so haben Sie es auch verstanden. Ich wollte das unterstreichen und noch einmal ausdrücklich sagen: Das liegt jetzt bei uns als Parlamentariern. Wie halten Sie es? Gehen Sie in die mittelständischen Betriebe? Fragen Sie nach, ob die dort auch Hilfskräfte mit einer hohen Qualifikation haben, bei denen es an der Ermunterung durch den Chef gefehlt hat, der sagt: „Mach das doch, wir brauchen dich“? Fragen wir das so? Ich glaube, wir können als Abgeordnete in dieser Richtung viel mehr zur Bewusstseinsbildung beitragen, auch in Bezug auf die Chancen, die das Anerkennungsgesetz hat.

Ich kann mir vorstellen, dass es auch Veranstaltungen zur Anerkennung der Qualifikation geben kann, bei der, ähnlich wie bei der Veranstaltung, in der neuen deutschen Staatsbürgern die deutschen Pässe verliehen werden, das Engagement von Menschen gewürdigt wird, die sich nachqualifiziert haben. Das ist Anerkennungskultur, das ist Willkommenskultur.

Mir bleibt noch etwas Wichtiges zu sagen. Wir müssen darauf achten, dass keine soziale Spaltung, keine Qualifikationsspaltung entsteht. Der Bericht zeigt, dass denjenigen mit einem höheren Qualifikationsniveau das Anerkennungsverfahren leichter fällt und sie es meist auch erfolgreich abschließen. Aber bei denjenigen mit einem nicht so hohen Qualifikationsniveau besteht gegenüber dem Anerkennungsverfahren große Distanz. Gerade bei diesen Menschen müssen wir für das Verfahren werben.

Das ist vielleicht ein besonderer Schwerpunkt, den man setzen kann. Die Differenz zwischen der akademischen und der beruflichen Bildung, obwohl wir beide als gleichwertig ansehen, bildet sich auch hier ab: Diejenigen, die mit einem akademischen Abschluss hierher kommen, haben es leichter als diejenigen, die mit einem Berufsabschluss zu uns kommen. Das kann es doch nicht sein. Wenn wir die Gleichwertigkeit zwischen akademischer und beruflicher Bildung wollen, dann muss diese auch im Zugang zum Anerkennungsverfahren und den Chancen gelten, daraus etwas für sich zu machen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist die Kollegin Katrin Albsteiger für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3914375
Wahlperiode 18
Sitzung 55
Tagesordnungspunkt Bericht zum Anerkennungsgesetz
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