Saskia EskenSPD - Bericht zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!
So machte schon im 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung der chinesische Philosoph Kuan Chung Tzu deutlich: Bildung und Nachhaltigkeit gehören untrennbar zusammen.
Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen. Müllvermeidung, Mülltrennung, Recycling von Wertstoffen – vor 20 Jahren waren diese Begriffe eng abgegrenzten, wohlinformierten Kreisen vorbehalten. Heute sind die Deutschen Weltmeister im Mülltrennen. Wir recyceln, was das Zeug hält, und die Wissenschaft beginnt, die Tage zu zählen, bis es lukrativ sein wird, alte Deponien auszuräumen und das Material dem Recycling zuzuführen.
Wie ist dieses Kunststück gelungen, liebe Kolleginnen und Kollegen? Sicher gibt es hier den einen oder die andere, der oder die sich diese Entwicklung gerne als Erfolg der eigenen Gesetzgebung auf die Fahnen schreiben würde, und das ist ja auch nicht ganz von der Hand zu weisen. Die Umweltgesetzgebung und ihre Regelungen zum Umgang mit Abfall, die uns heute selbstverständlich erscheinen, waren zur Zeit ihrer Entstehung und Durchsetzung nicht unumstritten. Es war eine rot-grüne Koalition, die diese Gesetzgebung vorangetrieben hat. Damit hat sie nicht nur zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, sondern am Ende auch zur wirtschaftlichen Stärke unseres Landes beigetragen.
(Beifall bei der SPD)
Zur Wahrheit gehört aber auch: Der Gesetzgebung gelingt es kaum, innerhalb von 20 Jahren, also in so kurzer Zeit, Gewohnheiten zu verändern und einen Wandel der Haltung in den Köpfen der Menschen zu verankern. Dieses Kunststück haben Bildungseinrichtungen vollbracht. Sie haben die Entstehung, Vermeidung und Trennung von Müll thematisiert. Die Kinder lernten verschiedene Müllsorten kennen und trennen und wurden sich so der Konsequenzen des eigenen Verhaltens bewusst.
Also: Schulkinder haben im täglichen Handeln gelernt, was ökologische und gesellschaftliche Verantwortung bedeuten – und das mit viel Erfolg. Was haben die Kinder dann gemacht mit ihrem neuen Wissen? Sie haben es nach Hause getragen zu ihren Eltern, zu ihren Großeltern, und damit hat eine einzige Schülergeneration eine ganze Gesellschaft weitergebildet.
(Beifall bei der SPD)
Sehr geehrte Damen und Herren, diese kleine Anekdote zeigt: Bildung ist Nachhaltigkeit. Die Nachhaltigkeitsstrategie einer Regierung kann ökologische, ökonomische, soziale und kulturelle Nachhaltigkeit zur obersten Maxime des Regierungshandelns machen, Gesetze und Verordnungen hervorbringen und Beiräte einrichten; um diese Haltung auch in der Gesellschaft zu verankern, ist Bildung notwendig.
Als Sozialdemokratin ist mir in diesem Vierklang die soziale Nachhaltigkeit ein besonderes Anliegen. Das Augenmerk wird hier auf die zukunftsfähige, zwischen Generationen, Kulturen und Geschlechtern ausgeglichene gerechte Entwicklung einer Gesellschaft gerichtet. Für eine nachhaltig sozial stabile Gesellschaft müssen wir Chancengleichheit für alle Menschen und insbesondere für Kinder und Jugendliche anstreben, die Integration von Menschen jedweder Herkunft und Kultur fördern, auch von all denen, die heute noch draußen stehen, und für gleiche Rechte für Frauen und Männer sorgen.
(Beifall bei der SPD – Zustimmung der Abg. Katrin Albsteiger [CDU/CSU])
In Deutschland ist es deshalb an der Zeit, die sehr guten Ansätze, die heute schon in vielen Bildungseinrichtungen für die Verankerung der Nachhaltigkeit in der Gesellschaft sorgen, zu verstärken und zu verstetigen.
Wie das aussehen könnte, zeigt sich derzeit in Baden- Württemberg bei der Entwicklung eines neuen Bildungsplans. „ Bildung für nachhaltige Entwicklung“ wird eines der fünf Leitprinzipien darstellen, also über alle Fächer hinweg Basis der Erziehung und Bildung sein. Vergleichbare Schritte wurden auch in anderen Bundesländern vollzogen, sodass wir sagen können: Ein Anfang ist gemacht.
Sehr geehrte Damen und Herren, auch wenn die zu Ende gehende UN-Dekade eine globale Verantwortung für die Bildung für nachhaltige Entwicklung nahelegt, haben wir in den Industriestaaten doch eine ganz besondere Rolle zu spielen. Viele Jahrzehnte haben wir den Wohlstand unserer Hemisphäre aufgebaut, ohne Rücksicht auf den Ressourcenverbrauch, auf die Umwelt oder auf die sozialen und kulturellen Lebensbedingungen der Menschen in aller Welt.
Auch heute noch verbraucht Deutschland ein Vielfaches der Ressourcen, die uns, global betrachtet, zustehen würden. Wir selbst spüren die Folgen dieses Raubbaus kaum, doch die Menschen in den Entwicklungsländern leiden darunter. Hier fehlt das saubere Trinkwasser. Hier fehlt das Getreide, das wir für die Fleischerzeugung verbrauchen. Und hier fehlt das Geld, um sich gegen die Veränderung des Klimas zu schützen. Seien wir ehrlich: Diese Welt würde nicht mehr lange existieren, wenn sich alle nach der Art der Industrieländer entwickeln würden.
(Beifall bei der SPD)
Als Bildungspolitikerin möchte ich es nicht versäumen, darauf zu verweisen, dass zu einer nachhaltigen Entwicklung auch eine nachhaltige Bildung selbst, also eine Nachhaltigkeit der Bildung, gehört. Dabei geht es immer weniger um die Vermittlung eines Wissenskanons. Angesichts einer Wissensgesellschaft im Wandel ist es notwendig, dass junge Menschen zukunftsfähige Kompetenzen entwickeln können und dazu befähigt und motiviert werden, ein Leben lang weiter zu lernen. Das sogenannte Bulimie-Lernen, also die Aneignung von Stoff ausschließlich für eine Prüfung, muss endlich der Vergangenheit angehören; denn das ist das Gegenteil von Nachhaltigkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit der Bildung für nachhaltige Entwicklung nehmen wir uns vor – um das Zitat vom Anfang meiner Rede nochmals aufzugreifen –, für die Dauer eines ganzen Lebens zu planen und darüber hinaus. Wer Verantwortung für die Zukunft übernehmen will, muss Nachhaltigkeit zur obersten Maxime machen. Bildung für Nachhaltigkeit ist der Weg dorthin.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Beate Walter-Rosenheimer, Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3914416 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 55 |
Tagesordnungspunkt | Bericht zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung |