Oliver KaczmarekSPD - Bericht zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte vier Anmerkungen zu Impulsen politischer, insbesondere bildungspolitischer Art machen, die ich der Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ entnehmen kann.
Erste Anmerkung. Vorbildliche Bildungsinitiativen – Herr Staatssekretär Müller hat schon darauf hingewiesen – sind als Dekade-Projekte und Dekade-Maßnahmen ausgezeichnet worden, und es sind Dekade-Kommunen ausgezeichnet worden. Sie alle, im Übrigen auch die, die nicht ausgezeichnet wurden, spiegeln den Reichtum des bürgerschaftlichen Engagements in dem Themenfeld der Bildung für nachhaltige Entwicklung wider. Sie haben dazu beigetragen, dass das Anliegen der nachhaltigen Entwicklung nicht in der Theorie verbleibt – ich erinnere hier insbesondere an die Naturschutzverbände –, sondern konkret im Alltag erfahrbar wird. Deswegen stelle ich an den Anfang den Dank für das ehrenamtliche Engagement in diesem Bereich.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN)
Zweite Anmerkung. Bildung für nachhaltige Entwicklung soll Orientierung in globalen Krisen geben. Globale Krisen, Klimawandel und andere Dinge, verunsichern die Menschen, weil deren Ursachen nicht in ihrem Alltagsraum zu finden sind. Im lokalen Maßstab und im lokalen Bezugsraum kann deshalb auch Handlungsspielraum aufgezeigt werden. Insofern soll Bildung für nachhaltige Entwicklung auch Orientierung liefern, soll Erklärungen liefern, soll zu Kritikfähigkeit anregen, soll zu konstruktivem Denken und zu Alternativen anregen. Deshalb: Bildung für nachhaltige Entwicklung trägt so zur allgemeinen Persönlichkeitsentwicklung und zur kritischen Urteilsfähigkeit bei. Ich bin froh, dass diese herausragenden Ziele unserer Bildungspolitik in diesem Fall konsequent erreicht werden.
(Beifall bei der SPD)
Dritte Anmerkung. Der Abschluss der Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ liefert Erkenntnisse und Herausforderungen, die wir bildungspolitisch nutzen können, und zwar im globalen wie auch im nationalen Maßstab. Was den globalen Maßstab angeht, möchte ich darauf hinweisen, dass die Zielsetzungen auf dem Agenda-21-Prozess beruhen. Dort ist im Kapitel 36 die Notwendigkeit einer Neuausrichtung der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung niedergelegt. Hier werden ganz konkrete Ziele aufgeführt, von denen ich zwei benennen will.
Dort ist als Ziel beschrieben, dass wir sicherstellen wollen, dass weltweit mindestens 80 Prozent der Jungen und mindestens 80 Prozent der Mädchen im Primarschulalter an Grunderziehung teilhaben. Ebenfalls ist dort festgelegt, dass die Quote der Analphabeten weltweit um 50 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden muss. Das zeigt, dass es hier um ganz elementare Rechte geht. Nach unserem Bildungsverständnis ist das Recht auf Lesen und Schreiben, das Recht auf einen ungehinderten Schulbesuch für Jungen und Mädchen für Deutschland und die deutsche Politik zentral und universal. Deshalb: Niemand darf vom Besuch der Schule ausgeschlossen werden. Auch das lehrt uns diese Dekade. Das bleibt eine herausragende Aufgabe für Deutschland im globalen Maßstab.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Was den nationalen Maßstab angeht, so gibt es hier einige Dinge, die wir aus der Durchführung der Projekte ableiten können. Zwei möchte ich benennen. Die Herausforderung ist: Ja, der Analphabetismus, vor allem der funktionale Analphabetismus, ist auch ein deutsches Phänomen. Wir wissen: Es gibt 7,5 Millionen Betroffene im erwerbsfähigen Alter. Und deswegen ist das, was wir im Koalitionsvertrag niedergeschrieben haben, nämlich eine nationale Alphabetisierungsdekade zu beginnen, die richtige Antwort und ein gutes Zeichen. Wir sollten uns auch in den anstehenden Haushaltsberatungen bemühen, das auszugestalten und endlich damit anzufangen.
(Beifall bei der SPD)
Die zweite Herausforderung im nationalen Maßstab. Gerade die Umsetzung zeigt – im Bericht der Bundesregierung sind einige interessante Hinweise enthalten –, dass wir in den Bildungseinrichtungen Zeit brauchen, um Themen abseits des standardisierten Kanons, wie er sich in Curricula, Kernlernplänen usw. niederschlägt, einbeziehen zu können. Der Bericht der Bundesregierung hält das auch fest und sagt vollkommen richtig: Deshalb sind Ganztagsschulen ganz besonders wichtig und ganz besonders geeignet. – Ich freue mich, dass der Bericht der Bundesregierung zu Recht die Bedeutung des Investitionsprogramms „Zukunft, Bildung und Betreuung“ aus dem Jahr 2003 hervorhebt, mit dem über 8 000 Ganztagsschulen in Deutschland geschaffen wurden.
(Beifall bei der SPD – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Kluge Bundesregierung!)
– Ja. – Ganztagsschulen sind ein prägnantes Beispiel dafür, wie Schulen Raum für mehr Lernen und mehr Leben und damit auch für mehr Bildung schaffen. Deswegen müssen wir auf dem Weg weitermachen: quantitativer Ausbau, qualitativer Ausbau. Der Bund hat mit der Unterstützung der Begleitforschung die Möglichkeit, einen substanziellen Beitrag zu leisten, damit wir mehr über Ganztagsschulen wissen. Das sollten wir angehen.
(Beifall bei der SPD)
Letzte Anmerkung. Man kann viel lernen aus der Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ für die Gestaltung von Bildungsprozessen – das ist die Zielsetzung –,aber auch für Politikentwicklung. Beteiligungsorientierung – viele Akteure sind einbezogen worden, vor allem die ehrenamtlichen –, globale Probleme in Netzwerken lokaler Art aufgreifen, Umsetzung in langen Zeiträumen – nicht kurzatmig –, Dekadenorientierung, Interdisziplinarität: All das sind Dinge, die wir aus der Umsetzung dieser Dekade lernen können. Wenn wir das tatsächlich tun und es lernen, haben wir nicht nur etwas über nachhaltige Bildung, sondern auch etwas über nachhaltige Politik gelernt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Als letzter Redner in dieser Debatte hat der Kollege Matern von Marschall das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3914603 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 55 |
Tagesordnungspunkt | Bericht zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung |