26.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 55 / Tagesordnungspunkt 24

Tobias ZechCDU/CSU - Entwicklungspolitik

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Konstruktive Kritik ist gut. Sie bewirkt nämlich, dass man sich mit einer Problemstellung intensiv befasst, Vor- und Nachteile untersucht und Lösungsansätze findet. Im Prozess, der sich mit den Millenniumentwicklungszielen befasst, wird genau das gemacht.

Blicken wir zurück: Bei dem Treffen im Jahr 2000 konnten sich hochrangige Vertreter von 189 Ländern auf acht internationale Entwicklungsziele einigen. Das ist ein erster Erfolg, wenn man überlegt, wie divers die Staatenwelt ist. Die Einfachheit, die Praktikabilität und die Fokussierung des Katalogs machte es den Staats- und Regierungschefs möglich, sich mit den entsprechenden Themen auseinanderzusetzen. Heute, kurz vor Ablauf der Frist, können wir einige Erfolge verzeichnen: Der Anteil der in absoluter Armut lebenden Menschen an der Weltbevölkerung hat sich halbiert. Nur noch 14,9 Prozent statt 23,2 Prozent der Menschen sind unterernährt. Wir konnten den Anteil der Müttersterblichkeit radikal senken. Immer mehr Kinder haben die Möglichkeit, eine ordentliche Grundschulausbildung zu erhalten. – Trotz dieser beachtlichen Erfolge bestehen weiterhin zahlreiche Herausforderungen. Die MDGs werden bis 2015 nicht erfüllt sein.

Wir bzw. die Staatengemeinschaft haben konstruktive Kritik geübt. Das neue internationale Rahmenwerk soll drei maßgebliche Neuausrichtungen beinhalten: Erstens. Es soll eine universelle Gültigkeit beinhalten, das heißt, dass sich nicht nur der Süden, sondern auch der Norden anpassen muss. Zweitens. Globale Partnerschaften bedeuten auch, als gleichberechtigte Partner aufzutreten; es ist eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Drittens. Da wir in einer Welt leben, ist die Entscheidung, die Beschlüsse des Rio+20-Gipfels in den Post-MDG-Prozess zu integrieren, wegweisend. Das ist notwendig, um sich den Herausforderungen stellen zu können. Ich begrüße, dass die Themen soziale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, ökonomische Entwicklung, gute Regierungsführung sowie Friedens- und Sicherheitsfragen aufgenommenwurden; denn das sind wichtige Rahmenbedingungen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Mit dem im Februar veröffentlichten Eckpunktepapier unterstreicht die Bundesregierung ihr Engagement und setzt vier Schwerpunkte. Auch der Mitte Juli veröffentlichte Entwurf der international besetzten offenen Arbeitsgruppe, in der Staatsministerin Professor Dr. Maria Böhmer Deutschland vertritt, schließt sich dieser Richtung an.

Noch einmal: Der Post-MDG-Prozess ist ein erfolgreicher Prozess. Er beleuchtet kritisch den bestehenden Zielkatalog und plädiert für einen Paradigmenwechsel. In der Verknüpfung der beiden Prozesse liegt eine große Chance: Nachhaltige Entwicklung kann wirksamer als bisher vorangetrieben und umgesetzt werden.

Von konstruktiver Kritik kann man bei dem Antrag der Linken leider nicht komplett sprechen, Frau Hänsel. Ich sehe in manchen Punkten eher ein bloßes Querschießen. Man merkt die Zerrissenheit in Ihrer Fraktion beim Thema Entwicklungspolitik. Eine konkludente Linie kann ich nicht erkennen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Das stimmt!)

Ich will Ihnen das an ein paar Beispielen klarmachen:

Sie fordern zum einen die Aufgabe des unilateralen Good-Governance-Konzeptes. An einem Punkt haben Sie ja recht: Das Ideal wäre die Rechtfertigung durch das eigene Volk. Wir erleben aber immer öfter Staaten – let’s face reality –, in denen Korruption eben nicht nur in Teilen der Regierung bzw. der Administration eine Rolle spielt, sondern in denen sich Regierung und Administration quasi nur durch Korruption am Leben halten. Schauen Sie einmal in die Ukraine.

(Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Venezuela! Kuba! Bolivien! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Schauen Sie sich einmal Siemens in Griechenland an!)

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Ukraine hat sich in den letzten 15 Jahren entwickelt. Unser Ziel eines Good Governance ist für die Menschen vor Ort eine notwendige Voraussetzung, um Rechtsstaatlichkeit zu schaffen. Mit Rechtsstaatlichkeit wird Sicherheit geschaffen; diesbezüglich widersprechen Sie sich in Ihrem Antrag. Mit Rechtsstaatlichkeit wird für den Schutz von Minderheiten gesorgt, auch für den Schutz von Frauenrechten, den Sie fordern. Somit ist Good Governance für uns nicht nur etwas, was auf den Prüfstand zu stellen ist. Good Governance ist für uns viel mehr. Ich halte Good Governance für einen ganz wichtigen Punkt in unserer Entwicklungsarbeit. Es geht um Fördern und Fordern, wie in Afghanistan; das BMZ und Minister Müller machen es uns vor. Ich denke, diesbezüglich sind wir auf dem richtigen Weg. Das sollten wir auf jeden Fall nicht aufgeben.

Sie fordern zum anderen die Entmilitarisierung der internationalen Politik und der Entwicklungspolitik.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Genau!)

Schauen wir uns die Weltlage an: Boko Haram in Afrika und ISIS. Angesichts dessen ist es schon sehr zynisch, hier an einem Freitagnachmittag zu sagen: Passt mal auf, wir liefern euch Hygieneartikel, Medikamente und etwas zu essen. Dann seid ihr, wenn die ISIS kommt, wenigstens satt und gesund, bevor sie euch erschießen. – Das ist zynisch. Das ist keine Entwicklungspolitik.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo steht denn das bitte? Nennen Sie doch mal die Quelle! Wo steht das? Wo haben Sie die Informationen her? Ein bisschen mehr Sachlichkeit!)

– Herr Kekeritz, bitte?

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo steht das? Wo haben Sie die Informationen her?)

– Welche Informationen?

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Zitat, das Sie gerade bringen!)

– Das ist von mir. Herr Kekeritz, das Zitat ist von mir.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also kritisieren Sie sich selber!)

– Nein, ich kritisiere die Entmilitarisierung der Entwicklungspolitik.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist sehr abenteuerlich!)

Das wird nicht funktionieren. Herr Kekeritz, Sie müssen erst Sicherheit haben. Ohne Sicherheit können Sie keine Entwicklungspolitik machen.

(Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: So ist es!)

Deswegen ist die Forderung nach einer kompletten Entmilitarisierung nicht realistisch. Das wird nicht funktionieren. Sie müssen natürlich auch militärisch Sicherheit herstellen können. Sie müssen die Menschen schützen können. Danach können Sie Entwicklungspolitik betreiben. Das wollte ich sagen. Ich denke, diesbezüglich sollten wir letztlich einer Meinung sein.

Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, die Abschaffung von Warentermingeschäften. Auch hierzu gibt es unterschiedliche Meinungen. Ich denke, dass wir uns hinsichtlich der Warentermingeschäfte in einem Punkt einig sind: Wir müssen sie regulieren und überwachen.

(Niema Movassat [DIE LINKE]: Dann machen Sie es doch mal!)

Wir haben aber auch festgestellt, dass Warentermingeschäfte eine Absicherung sind. Das wird deutlich, wenn Sie sich jetzt die Situation infolge der Ebolakatastrophe in Afrika anschauen. Das gilt aber auch für Naturkatastrophen und schlechte Ernten. Warentermingeschäfte sind eine Absicherung nicht nur für die Anbauer, sondern auch für die Weiterverarbeiter, für alle, die an der Wertschöpfung beteiligt sind, und für die Konsumenten.

Zum letzten Punkt: Öffentlichkeit und die Kommunikation des Postagendaprozesses. Wir haben die von Minister Müller angestoßene „Zukunftscharta EINEWELT – Unsere Verantwortung“. Das ist, glaube ich, ein sehr gutes Kommunikationstool. Das Projekt verankert bei jedem Einzelnen das Bewusstsein, dass man für die Zukunft der Welt mitverantwortlich ist. Angefangen als Vision haben zahlreiche Menschen die Aufforderung angenommen, und wir haben auch schon mehrere Kommunikationsprozesse gestartet und Dialoge begonnen. Das BMZ spricht sich mit diesem Projekt für starke Multiakteurspartnerschaften zwischen Regierungen, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Privatwirtschaft aus, oder wie auf einer der eingeschickten sogenannten Zukunftspostkarten steht: Jeder ist Entwicklungshelfer.

Natürlich kann es immer mehr sein. Daher lautet meine Aufforderung an alle, jetzt die erste schriftliche Zusammenfassung des bisherigen Dialogs zur Zukunftscharta zu kommentieren. Auf einer der sogenannten Zukunftspostkarten, die an das BMZ im Rahmen des ProjektsZukunftscharta gesendet wurden, zitiert der Absender den Autor Stefan Zweig:

Das zeigt besonders schön: Die Debatte ist in der Öffentlichkeit angekommen, und – das ist noch wichtiger – das Bewusstsein, selbst etwas zu tun, selbst etwas zu den SDGs beizutragen, besteht bereits in zahlreichen Köpfen.

Partnerschaften zwischen zivilgesellschaftlichen Akteuren und das Engagement Einzelner können Veränderungen schaffen. Aber auch hier, im Post-2015-Prozess, gilt: In erster Linie ist es Aufgabe der Staaten bzw. der Staatengemeinschaft, menschenwürdige Lebensbedingungen zu schaffen und globale öffentliche Güter zu schützen. Mit dem nächsten Rahmenwerk muss die Staatengemeinschaft dazu verpflichtet werden, sich der drei großen Herausforderungen Klimaschutz, Welternährung und Frieden anzunehmen. Das ist eine Chance, eine Chance, die wir nicht verspielen sollten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Als nächster Redner spricht Uwe Kekeritz.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3914736
Wahlperiode 18
Sitzung 55
Tagesordnungspunkt Entwicklungspolitik
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta