Bärbel KoflerSPD - Entwicklungspolitik
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute zwei Themen von großer Bedeutung; das ist schon angesprochen worden. Ich möchte mich den Worten der ersten Rednerin anschließen: Beide Themen wären es wert, ausführlicher debattiert zu werden und dafür mehr Raum in diesem Haus und vielleicht auch eine andere Zeit zu finden.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte mich vorrangig auf das Thema Sustainable Development Goals, auf die Nachhaltigkeitsziele, konzentrieren. Der Kollege Sascha Raabe wird später noch zu den EPAs, den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, Stellung nehmen.
Es ist angesprochen worden – das finde ich an dieser Stelle besonders wichtig –, dass es bei den Nachhaltigkeitszielen um universelle Ziele geht. Ich glaube, das müssen wir alle uns klarmachen, in der Politik, aber auch in der Gesellschaft. Anders als bei den Entwicklungszielen geht es nicht darum, was sich alles in den Entwicklungsländern verändern muss, sondern darum, wie wir unser Verhalten ändern müssen, um weltweit armutsbekämpfend, armutsreduzierend und entwicklungsfördernd zu sein. Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Darum, glaube ich, müssen wir ringen.
Vorgestern wurde von der UN-Generalversammlung ein erster Entwurf vorgelegt, der 17 Hauptziele und 169 Unterziele enthält. Auf einige dieser, wie ich finde, sehr spannenden Ziele möchte ich noch eingehen. Ich glaube aber, dass es jetzt unsere politische Aufgabe ist, diese Ziele zu bewerten und herauszufinden, was wir als Deutscher Bundestag, als Parlamentarier voranbringen wollen. Welche Ziele wollen wir in dem politischen Prozess, der sich in einem Jahr anschließt, als unsere wichtigsten Ziele zur Veränderung der Weltgemeinschaft ansehen?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dafür brauchen wir auch weltweit Verbündete. Darüber entscheidet ja nicht allein der Bundestag, darüber entscheiden nicht allein wir in Deutschland, sondern darüber entscheiden wir gemeinsam mit den anderen Europäern; denn Europa spricht auf Ebene der UN mit einer Stimme. Wir brauchen also die anderen europäischen Partner. Wir brauchen aber auch Verbündete aus den Ländern des Südens; denn die Ziele, die mir persönlich, meiner Fraktion oder uns gemeinsam wichtig sind, sind keineswegs auf der ganzen Welt als besonders wichtige Ziele anerkannt.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Dafür müssen wir kämpfen. Darum muss es gehen.
Ich möchte ein Ziel aus dem Entwurf herausgreifen, das Ziel 8 „Nachhaltiges Wachstum, Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit“. Dabei geht es darum, was wir verändern, darum, dass wir überlegen, was wir dazu beitragen wollen. Das ist durchaus auch eine Frage, die den Handel betrifft. Dazu passt das Thema EPAs, das Sascha Raabe noch ansprechen wird. Es geht darum, wie wir Lieferketten gestalten, wie wir verbindliche Regeln aufstellen, wie Arbeitsbedingungen bei uns gestaltet sind. Aber es geht natürlich auch darum, dass andere Länder zu einem Arbeitsrecht kommen, das Menschenrechtsverletzungen gar nicht erst ermöglicht. Es sind weltweite Prozesse, mit denen wir zur Stärkung der Arbeitsrechte der Menschen beitragen müssen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Weil ich sehr wohl glaube, dass Entwicklungspolitik dazu einen Beitrag leisten kann und soll, werden wir als Koalitionsfraktionen in der nächsten Sitzungswoche einen Antrag zum Thema „Gute Arbeit weltweit“ vorlegen. Ich glaube, es ist ein guter Antrag, der einen ersten Aufschlag zu diesem wichtigen Thema darstellt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir werden uns im Rahmen der SDGs auch mit der Unterschiedlichkeit der Nationen beschäftigen müssen; das ist wichtig, um alle Länder ins Boot zu holen. Das Ziel 10 schlägt vor, sich mit dem Thema „Ungleichheit zwischen den Ländern“ auseinanderzusetzen. Das hat auch viel mit Fragen der Sicherheit und des Friedens zu tun. Auf der einen Seite geht es darum, wie man bei fragilen Staaten überhaupt Staatlichkeit aufbauen, zivile Prozesse fördern, Verwaltungen aufbauen und zu einem Mindestmaß an Sicherheit beitragen kann, zum Beispiel im Sinne von Polizeiaufbau, aber auch im Sinne von Korruptionsbekämpfung, wenn es um die Frage der Gehälter von Sicherheitskräften geht. Auf der anderen Seite müssen wir unser Verhalten anschauen und uns fragen: Wofür sind wir denn verantwortlich? Das Stichwort „Klima“ ist an der Stelle sicher ein ganz entscheidender Punkt. Welche gewachsene historische Verantwortung haben wir für die Länder des Südens? Diese können für viele Veränderungen schlicht nichts. Dafür sind wir verantwortlich.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Besonders wichtig bei diesem Ziel, die Ungleichheit zwischen den Ländern zu verringern, finde ich einen Unterpunkt, den wir uns einmal genau anschauen müssen. Da geht es um die Regulierung der Finanzmärkte, ein ganz spannendes Thema. Wie bekommt man Zugang zu vernünftigem Kapital, um Investitionen voranzubringen? Wie verhindert man das, was wir in den letzten Jahren mit einer Krise nach der anderen erlebt haben? Das hat sich ja besonders auf die Entwicklungsländer ausgewirkt. Machen wir uns nichts vor! Für diese Länder ist die Möglichkeit, sich zu refinanzieren, massiv zurückgegangen. Das sind doch ganz entscheidende Punkte, die hier zu diskutieren sind. Dafür müssen wir in der Weltgemeinschaft um Verbündete werben. Darum geht es, glaube ich, in dem Prozess im nächsten Jahr, in dem wir einiges voranbringen wollen.
Im November wird der sogenannte Synthesebericht der UN erscheinen, in dem die Zielvorgaben, die ich gerade angesprochen habe, mit den Finanzfragen – dazu hat sich auch eine Expertengruppe gebildet – in einem Bericht zusammengeführt werden. Auf der Basis dieses Berichts werden wir gemeinsam einen Antrag formulieren, der einen Beitrag dazu leisten soll, klare politische Vorgaben zu machen, was die deutsche Regierung unserer Ansicht nach in diesem Prozess tun soll.
Ich möchte noch etwas sagen. Ich erkenne in dem Antrag der Linken viele überlegenswerte und spannende Forderungen. Aber es geht um den SDG-Prozess und – mit Verlaub – nicht um ein Ich-wünsch-mir-was-Konzert. Auch ich kann mir viele Dinge vorstellen, die Sie angesprochen haben und die richtig und gut sind. Aber in diesen ohnehin schon schwierigen Prozess auch noch die Forderung nach einer Reform der UN und anderer Institutionen zu integrieren, überfrachtet diesen Prozess; es tut mir wirklich leid, das so zu sagen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich sehe, ich muss zum Ende meiner Rede kommen. – Es fehlt bei diesem Prozess einiges. Es geht um Umsetzungspläne. Es geht um Überprüfungsmechanismen. Es geht auch um die Finanzierungsfrage. Es geht um den Beitrag der Gebernationen, aber auch um die Fragen „Kapitalflucht verhindern“ und „Steueroasen austrocknen“, um die Frage „Aufbau eines funktionierenden Steuersystems“, damit die Länder des Südens eine Chance haben, sich nicht nur über Zölle zu finanzieren, sondern über reale Steuereinnahmen. Damit schließt sich der Kreis zum Thema EPAs, das ich durchaus kritisch sehe und bei dem ich viele kritische Punkte in dem vorgelegten Antrag nachvollziehen kann.
Eine Bemerkung ganz zum Schluss. Ich wünsche mir wirklich, dass wir speziell im Fall Kenia – das ist das einzige Land, dessen Waren ab dem 1. Oktober 2014 von Zöllen betroffen sein werden – zu einer konstruktiven Lösung kommen würden. Dass wir den fairen Handel von Blumen mit Zöllen blockieren, ist einfach nicht hinnehmbar.
Danke.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Als nächster Redner spricht Frank Heinrich.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 55 |
Tagesordnungspunkt | Entwicklungspolitik |