08.10.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 56 / Zusatzpunkt 1

Thomas HitschlerSPD - Aktuelle Stunde zum Rüstungsbericht und Beschaffungswesen der Bundeswehr

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dem Verteidigungsministerium ausgesprochen dankbar für diesen Bericht, auch wenn ich mich gefreut hätte, ihn vor der Presse zu Gesicht zu bekommen; aber da bin ich vielleicht etwas zu altmodisch.

Dass es beim Material der Bundeswehr Probleme gibt, ist nicht neu, das Ausmaß der Herausforderung allerdings schon. Das haben die alarmierenden Nachrichten der letzten Wochen unterstrichen. Eine kritische und gleichzeitig schonungslose Analyse ist absolut notwendig, um diese Herausforderung zu meistern. Eine solche Analyse liegt jetzt vor und offenbart in manchen Bereichen, dass in den letzten Jahren Fehlentscheidungen getroffen wurden.

Ich will diese Aktuelle Stunde nutzen, um auf einen Punkt hinzuweisen, der in diesem Papier zu wenig Beachtung findet. Baustellen gibt es nämlich nicht nur bei den Großprojekten; auch ein Blick auf die persönliche Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten lohnt sich.

Ich habe diesen Sommer genutzt, um viele Bundeswehrstandorte in unserer Republik zu besuchen. Besonders erschreckt haben mich Berichte, die ich in der letzten Woche erhalten habe. Bei einem Einsatzverband im Südwesten wurde mir ein Problem deutlich vor Augen geführt. Mir wurde berichtet, dass die materielle Einsatzbereitschaft der Grundausstattung bei Teilen der Truppe bei nur 20 Prozent liegt. Handfeuerwaffen und Nachtsichtgeräte sind nur zum Teil verfügbar.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus dem Bericht, den die Soldaten mir vorgelegt haben, wurde deutlich, dass auch für die Ausbildung eine entsprechende Ausrüstung dringend nötig ist. Nur wenn die Soldatinnen und Soldaten bestens ausgebildet sind, auch bei Tag und Nacht mit der Ausrüstung üben können, können sie den hohen Grad an Einsatzbereitschaft zeigen, den wir alle von ihnen fordern. Das ist nämlich unser Auftrag, Kolleginnen und Kollegen, den wir den Soldatinnen und Soldaten geben.

Gerade bei den Fallschirmjägern haben sich große Probleme gezeigt, also bei denen, die als Erste in den Einsatz geschickt werden und als Erste im Gefecht stehen. Die Situation ist, so meine ich, schlicht unzumutbar und auf dem schnellsten Wege zu ändern. Nur so können wir die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten gewährleisten und auch unserer Verantwortung als Auftraggeber nachkommen.

Ich hoffe, hier handelt es sich nur um ein Verteilungsproblem und nicht um ein grundsätzliches Beschaffungsproblem. Die Kosten sind im Vergleich relativ gering. Deshalb bitte ich das Verteidigungsministerium, sich dieses Punktes unverzüglich anzunehmen.

Um ähnliche Probleme auch bei anderen Standorten auszumachen, brauchen wir zusätzliche Sachstandsberichte, Sachstandsberichte über die einzelnen Verbände. Der Ausrüstungsstand sollte überall bei 100 Prozent liegen. Das muss das ausgemachte Ziel sein, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Kritik zu äußern ist relativ einfach und bequem – das haben wir heute schon mindestens zweimal gesehen –; Kritik anzunehmen, Lösungen zu erarbeiten und umzusetzen ist eine andere Frage.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])

Die wichtigste Leistung dieses Berichts ist es, die schlimmsten Mängel schonungslos offenzulegen. Damit muss aber auch die Geheimhaltungs- und Verschleierungskultur der letzten Jahre ein Ende haben. Ein solcher Kulturwechsel wäre wirklich der größte Erfolg dieses Berichts und für das Parlament unabdingbar.

Neben der Analyse finden sich auch konkrete und, wie ich finde, meist vernünftige Handlungsempfehlungen in diesem Papier, die für uns auch die Ursachen aufzeigen, und das heißt nicht automatisch: mehr Geld! Wer reflexartig ausschließlich mehr Geld als Lösung fordert, der hat den Bericht entweder nicht gelesen oder nicht verstanden. Die massive Geldverschwendung bei den Rüstungsprojekten ist doch gerade Teil des Problems, und damit muss jetzt Schluss sein, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Dafür brauchen wir vor allem eines – das wurde in der Debatte wirklich deutlich –: Wir brauchen ein besseres Management. „ Besseres Management“ heißt für mich: mehr Fachpersonal. Das Kaputtsparen bei den zivilen und militärischen Beschäftigten rechnet sich nicht; auch das zeigt der Bericht deutlich. Nur so können wir wieder auf Augenhöhe mit der Industrie verhandeln. Eigene Fachexpertise ist da dringend notwendig.

Die Bundeswehr braucht, so meine ich, ein besseres Personalmanagement mit nachhaltigen Personalentwicklungsplänen und gezielten Förderprogrammen für den gesamten Personalkörper; denn der Arbeitgeber Bundeswehr wird nur dann attraktiv, wenn wir den nachfolgenden Generationen eine Perspektive aufzeigen. Wenn wir das jetzt nicht anpacken, fällt uns der Fachkräftemangel in den nächsten Jahren deutlich und noch stärker auf die Füße, und die Probleme werden noch größer.

Auf den Prüfstand gehört ebenso das Konzept „Breite vor Tiefe“. Es hat sich weder bewährt, noch ist es zeitgemäß. Der Debattenanstoß um Schlüsselqualifikationen der Rüstungsindustrie ist daher wichtig. Dafür bin ich Ihnen auch sehr dankbar.

Wir werden also schauen müssen: Was können wir besonders gut, auch und gerade mit Blick auf unsere Verbündeten? Die Entwicklung wird daher zwangsläufig in Richtung einer europäischen Armee gehen müssen. Es ist schlicht ineffektiv und veraltet, im nationalen Klein- Klein jede Fähigkeit ein bisschen beherrschen zu wollen; noch schlimmer wäre es, eine Fähigkeit gar nicht zu beherrschen. Wir müssen stattdessen Kernprofile schärfen, in denen die Bundeswehr Topleistungen bringt, und diese dann auch mit den Topleistungen unserer Freunde und Partner kombinieren. So geht eine moderne, schlagkräftige und effektive Verteidigungspolitik für Europa, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Dieser Bericht ist ein mutiger und wichtiger erster Schritt. Den Ankündigungen müssen jetzt aber auch Taten folgen. Die Handlungsempfehlungen müssen analysiert werden, sie müssen in konkrete Vorhaben gegossen werden, und sie müssen umgesetzt werden. Wir werden diesen Prozess mit allen Kräften unterstützen. Und wir laden auch die Opposition ein: Auch Vorschläge von ihr sind hier gefragt, nicht nur unsachliche Kritik.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3962284
Wahlperiode 18
Sitzung 56
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zum Rüstungsbericht und Beschaffungswesen der Bundeswehr
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