Jürgen HardtCDU/CSU - Aktuelle Stunde zum Rüstungsbericht und Beschaffungswesen der Bundeswehr
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir verdanken es der Entscheidung der Ministerin, dass die neuen großen und in der Luft hängenden Rüstungsprojekte der Bundeswehr durch eine externe Begutachtung einer schonungslosen Analyse unterzogen wurden. Eine Liste der Mängel liegt öffentlich vor.
Frau Brugger, Sie haben gesagt, Sie hätten es satt, dass wir es immer erst aus der Zeitung erfahren, wenn irgendwo etwas schiefgeht. Hier war es anders: Die Ministerin selbst hat dieses Gutachten, in dem die Mängel der neuen großen Projekte angesprochen wurden, vorgelegt.
(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich erinnere an die Marinehubschrauber!)
Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie man es auch machen kann. Das, was Sie in diesem Zusammenhang gesagt haben, war nicht passend.
Was mich in der Diskussion der letzten Tage und Wochen schon ein bisschen beschwert – das geht uns vielleicht allen so –: Wir müssen aufpassen, dass die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die einen hervorragenden Dienst leisten und die mit überwiegend hervorragenden Waffen ausgerüstet sind, nicht den Eindruck bekommen, sie würden in einer Armee dienen, die den anstehenden Herausforderungen nicht gewachsen ist.
Wir waren vor wenigen Tagen mit dem Verteidigungsausschuss in der Infanterieschule in Hammelburg. Dort haben wir zum Beispiel den Boxer und die Infanterietruppe gesehen, Teile des Systems „Infanterist der Zukunft“. Das ist, was die Infanterie angeht, das Beste, was die NATO zu bieten hat. Hier verfügt die Bundeswehr über komplett neues Gerät, das in den letzten Jahren zugelaufen ist. Wir haben im Mai in Afghanistan den Tiger und den NH90 im Einsatz gesehen. Der NH90 hat sich bewährt und wird von allen anderen NATO-Nationen als fortschrittliches Waffensystem, als das Höchste, was man zum gegenwärtigen Zeitpunkt bieten kann, bezeichnet.
Die Vorstellung, dass die Bundeswehr in den letzten Jahren an Schlagkraft verloren hat, ist meines Erachtens falsch. Es gibt allerdings die angesprochenen Mängel. Diese Mängel sind nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Dinge seitens der Rüstungsindustrie länger dauern, als wir uns das wünschen. Die Transportflugzeuge – Transall – wären ja kein Thema, wenn wir mit dem A400M fliegen könnten. Ich erinnere daran, dass wir vor fünf Jahren über den mangelnden Zulauf der Korvetten diskutiert haben. Es gab Probleme mit dem Getriebe, also Probleme aufseiten des Herstellers der Getriebe. Dafür konnte im Verteidigungsministerium niemand etwas. Man muss von daher berücksichtigen, dass verschiedene Dinge zusammenspielen.
Das Gutachten ist ein wirtschaftliches Gutachten. Es muss jetzt durch uns, durch das Ministerium und das Parlament, um die militärfachliche und die politische Dimension ergänzt werden, die zusammen mit der wirtschaftlichen Betrachtung das Gesamtbild abgeben, damit wir wissen, was wir ändern müssen, damit es besser wird. Dazu muss man ganz deutlich sagen: Dieses wirtschaftliche Gutachten lässt die eine oder andere Frage offen, die nur wir beantworten können, die ein externer Gutachter nicht beantworten kann. Ich finde zum Beispiel, dass das Gutachten hinsichtlich der industriellen Kernkompetenzen – was muss Deutschland bzw. Deutschlands Rüstungsindustrie für die Bundeswehr und die NATO-Partner herstellen können? – etwas über das Ziel hinausgeschossen ist. Ich kann in der Vergabe eines Auftrags für ein Rüstungsprojekt an ein ausländisches Unternehmen kein Element der Beschleunigung erkennen. Wir haben bei den multinationalen Projekten die gleichen Probleme wie bei Projekten, die rein deutsch abgewickelt werden. Wir müssen diese Fragen einfach beantworten. Meines Erachtens muss eine große Industrienation wie Deutschland in der Lage sein, eigene Kriegsschiffe, eigene U-Boote und eigene Panzer zu bauen. Das gehört für mich dazu. Ob man das in jedem Einzelfall alleine machen muss, ist natürlich wieder eine andere Frage; aber die Kompetenz muss da sein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich finde, dass es hinsichtlich der Struktur des Verteidigungsministeriums und unseres Haushalts ein paar grundsätzliche Fragen gibt. Laut Gutachten gibt es allgemein bei der Vertragsgestaltung erhebliche Mängel. Bei uns gilt folgender Grundsatz: Wenn man im öffentlichen Dienst Beamter werden will, dann muss man ein Prädikatsexamen in Jura haben. Ich stelle mir die Frage, ob es nicht besser wäre, wenn wir auch dort mehr Betriebswirte, mehr erfahrene Manager hätten. Wir haben ja jetzt eine Managerin als Staatssekretärin; das ist ein schönes Beispiel. Vielleicht müssen wir an dieser Schraube drehen.
Vielleicht müssen wir auch überlegen, ob es sinnvoll ist, die Stehzeiten für die soldatischen leitenden Beamten, die als Generäle oder Obristen Dienst tun, zu verlängern. Sie wechseln den Dienstposten relativ häufig. Wir müssen überlegen, ob das für solche Projekte ein Nachteil ist, ob der eine oder andere nicht länger dabei sein sollte, damit sein Wissen über den Gesamtprozess erhalten bleibt. Ich glaube, wir werden diesbezüglich noch eine ganze Menge Aufarbeitung betreiben müssen.
Wenn wir uns Bundeswehrprojekte vornehmen, von denen wir wissen, dass sie über viele Jahre laufen, dann sind wir durch das Haushaltsrecht, nach dem am 31. Dezember eines jeden Jahres die Mittel weg sind, extrem eingeschränkt. Normalerweise, in der freien Wirtschaft, würde man, wenn im nächsten Jahr noch eine Rechnung zu bezahlen ist, eine Rückstellung bilden, und man hätte eine Gesamtübersicht über die Projektkosten. Ich glaube, wir müssen uns auch der Frage widmen, wie wir das Haushaltsrecht mit Blick auf Rüstungsprojekte, vielleicht auch mit Blick auf große Verkehrsprojekte etwas modernisieren können, sodass die strenge Jährlichkeit uns nicht behindert.
Ich wünsche mir, dass wir das Ganze jetzt als Aufbruch verstehen, um die Dinge zu ändern und zu verbessern. Ich glaube, die Regierungskoalition ist gerne bereit, die Ministerin dabei zu unterstützen.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Als letztem Redner in der Aktuellen Stunde erteile ich das Wort dem Abgeordneten Wilfried Lorenz, CDU/ CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3962335 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 56 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zum Rüstungsbericht und Beschaffungswesen der Bundeswehr |