08.10.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 56 / Zusatzpunkt 1

Wilfried LorenzCDU/CSU - Aktuelle Stunde zum Rüstungsbericht und Beschaffungswesen der Bundeswehr

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Mängel der Materialausstattung der Bundeswehr liegen spätestens seit der Abfrage der Einsatzfähigkeit der Hauptwaffensysteme der Streitkräfte auf dem Tisch. Mit der Veröffentlichung der KPMG-Studie durch die Bundesministerin der Verteidigung gilt dies auch für die Defizite im Rüstungs- und im Beschaffungswesen.

Ich sage dazu: Zum Glück herrscht jetzt Klarheit, zum Glück für unsere Soldatinnen und Soldaten, die trotz angespannter Materiallage im Inland und im Ausland hervorragende Arbeit geleistet haben und immer noch leisten. Das wird auch international anerkannt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich sage auch: zum Glück zur richtigen Zeit. Denn die veränderte sicherheitspolitische Lage erfordert zügiges Handeln.

Die Materiallage entspannen wir nur mit Ehrlichkeit, auf der Basis von Fakten und mit langfristigen Maßnahmen. Wir haben jetzt den Klarstand, auf dessen Grundlage wir kurzfristig die Ausgaben des Bundes für Materialerhaltung neu gewichten und dorthin umschichten können, wo sie am nötigsten gebraucht werden. Zum Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten und um internationale Verpflichtungen erfüllen zu können, werden wir diesen Ansatz mittelfristig und auf lange Sicht weiterverfolgen und den Verteidigungsetat erhöhen. Ja, Sie haben richtig gehört: erhöhen. Dies gilt vor allem für die Mittel für die Materialerhaltung. Denn neben der Beschaffung ist die Materialerhaltung eine der tragenden Säulen der Einsatzfähigkeit unserer Streitkräfte. Wenn Sie fragen, warum wir die Mittel erhöhen, dann möchte ich wie folgt antworten:

Erstens. Durch den verzögerten Zulauf neuer Systeme sind ältere Geräte länger im Einsatz. Das führt zu höherem Verschleiß und Überalterung der Ausrüstung. Dadurch erhöhen sich natürlich automatisch die Kosten für Wartung, Instandhaltung und Ersatzteile.

Zweitens. Wir erhöhen den Etat, weil es derzeit Engpässe bei der Ersatzteilbeschaffung gibt. Die Ursachen dafür sind auch bekannt: Einsparungen in der Vergangenheit am falschen Objekt und Abschlüsse von Verträgen, die die Versorgung mit Ersatzteilen nicht langfristig sichergestellt haben. Diese Verträge sind zum Großteil älter als zehn Jahre; ich darf nur an das Jahr 2004 erinnern. Wir reden hier allerdings nicht – ich formuliere es einmal so – über Kamele, die durch ein Nadelöhr zu zwingen sind, sondern wir reden über lösbare Probleme. Diese Probleme sind nicht zuletzt deshalb lösbar, weil die Projektleitung für Beschaffung künftig der Staatssekretärin, zuständig für Rüstung, direkt zuarbeiten wird. Das heißt im Ergebnis: kürzere Entscheidungswege.

Drittens. Wir steigern die Ausgaben, weil moderne, hochkomplexe Themen nicht zu Einsparungen bei der Materialerhaltung führen. Im Gegenteil: Wartung und Instandhaltung kann die Bundeswehr zum Teil schon heute nicht mehr und in Zukunft schon gar nicht mehr alleine leisten. Kooperationen mit der Wirtschaft, mit der Industrie sind notwendig. Das kann mehr Geld kosten, eröffnet aber auch die Möglichkeit, in partnerschaftlichen Projekten gemeinsam Risiken und Chancen zu teilen.

Nochmals: Wir brauchen eine deutliche und dauerhafte Aufstockung der Verteidigungsausgaben, nicht als Selbstzweck, sondern weil wir um unsere Geschichte wissen und in der Lage sein müssen, Frieden, Freiheit und unsere Menschenrechte weltweit zu schützen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dies haben andere Länder lange für Deutschland getan. Nun ist es natürlich auch an uns, bei der Bekämpfung von Kriegen, von Terror und von Seuchen internationale Verantwortung zu übernehmen.

Herr Gehrcke, an diesem Punkt ein Hinweis an Sie: Wir alle teilen die Freude darüber, dass sich die mordende Verbrecherbande vom sogenannten IS zurückzieht. Das haben aber nicht Friedenstauben erreicht, sondern das haben militärische Einsätze erreicht. Das haben Menschen erreicht, die mit Todesmut dafür eintreten, diesen verbrecherischen Banden endlich das Handwerk zu legen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Rüstungsgüter beschaffen wir, um unsere verfassungsrechtlichen und politischen Aufträge zu erfüllen. Nicht zuletzt schaffen wir durch die Verstetigung der Mittel auch Verlässlichkeit, die die deutsche Sicherheits- und Verteidigungswirtschaft für Investitionen braucht. Frau Ministerin, Sie haben mit beiden Abfragen die entscheidenden Schritte getan, um den Fehlentwicklungen entgegenzutreten. Ihnen sind diese Entwicklungen auch nicht anzulasten.

In der öffentlichen Debatte sind in letzter Zeit seitenweise Häme und Spott ausgeschüttet worden. Aber ich frage mich: Wo waren diejenigen, die das getan haben, als es die ersten Anzeichen für Probleme bei der Bundeswehr gab? Das sind die, die jetzt die Schuld anderen zuweisen, um von eigenen Fehlern abzulenken, die nicht bereit sind, persönliche Verantwortung für Tun oder Unterlassen zu übernehmen. Und es wurde schöngeredet, um die eigene Karriere nicht zu gefährden.

(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Meinen Sie Guttenberg oder de Maizière?)

Frau Ministerin, Sie haben die Studie vorgestellt. Es ist – das ist bereits gesagt worden – eine betriebswirtschaftliche, juristische und technische Analyse, die Anregungen für das künftige Management von Rüstungsprojekten liefert. Jetzt muss allerdings das Bundesministerium der Verteidigung eine Gesamtbewertung unter Berücksichtigung sicherheitspolitischer und militärischer Gesichtspunkte vornehmen und diese auch umsetzen. Dabei sind aus unserer Sicht international akzeptierte Kompetenzen bei Rüstungsprojekten besonders zu berücksichtigen. Schon angesprochen wurden U-Boote, gepanzerte Fahrzeuge und Handwaffen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss Folgendes sagen: Mehr denn je brauchen wir jetzt eine Kultur der Ehrlichkeit in der Bundeswehr, bei den politisch Verantwortlichen und auch in der öffentlichen Debatte. Einfache, schnelle Lösungen wird es wegen der Komplexität der Vorhaben und der einzelnen Projekte nicht geben. Statt Tarnen, Täuschen, Wegducken heißt es jetzt: Ansprechen, Analysieren, Abarbeiten.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3962338
Wahlperiode 18
Sitzung 56
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zum Rüstungsbericht und Beschaffungswesen der Bundeswehr
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta