Herr Präsident Hintze! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor vier Jahren, im Herbst 2010, erlebten wir den Höhepunkt der Krise in der Euro-Zone. Auch Irland war damals in eine schwierige Staatsschuldenkrise geraten. Der Bankensektor hat die Volkswirtschaft vor große Herausforderungen gestellt. Die Finanzstabilität der Euro-Zone war insgesamt gefährdet. Es drohten erhebliche zusätzliche Belastungen für die Weltwirtschaft.
Irland hat damals 67,5 Milliarden Euro an externen Finanzhilfen erhalten. Im Gegenzug hat es sich dafür einem strengen Anpassungsprogramm unterzogen. An diesem Anpassungsprogramm hat sich auch der Internationale Währungsfonds beteiligt, unter anderem mit finanziellen Mitteln in Höhe von 22,5 Milliarden Euro.
Heute, vier Jahre später, hat sich die Lage wesentlich verändert. Wer hätte das damals geglaubt? Heute beraten wir über den Antrag Irlands auf vorzeitige teilweise Rückzahlung erheblicher Finanzhilfen, nämlich des Anteils des Internationalen Währungsfonds in Höhe von 18,3 Milliarden Euro.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe gerade im Haushaltsausschuss den Antrag der Bundesregierung im Rahmen der Selbstbefassung vorgestellt. Es freut mich, dass keine der dort anwesenden Fraktionen dagegen gestimmt hat. Eine Fraktion hat sich mit aus ihrer Sicht guten Gründen enthalten, aber die anderen sind diesem Antrag gefolgt.
Das ist ein großer Erfolg nicht nur für Irland, sondern für Europa insgesamt. Das Land ist auf einem guten Weg. Es hat das Programm, das wir ihm auferlegt haben, Ende 2013 erfolgreich beendet und dabei alle Auflagen erfüllt.
Stichwort „Haushaltsdefizit“: Startpunkt 30 Prozent, jetzt voraussichtlich unter 5 Prozent. Konsequent umgesetzte Strukturreformen haben Irlands Wettbewerbsfähigkeit entscheidend erhöht und seit 2009 zu einer erheblichen Verbesserung der Lohnstückkosten – eine der stärksten Verbesserungen innerhalb der Euro-Zonen- Länder – geführt. Die Leistungsbilanz hat sich gedreht. Seit 2010 gibt es wieder Überschüsse, die sich auf etwa 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verstetigt haben. Und auch die Arbeitslosenquote ist in den letzten drei Jahren um 3 Prozent gesunken. Der irische Finanzmarkt hat sich stabilisiert. Der irische Bankensektor ist erheblich restrukturiert. Auch bei der Bedienung notleidender Kredite gibt es Fortschritte. Der völlig überdimensionierte irische Bankensektor hat sich von 2008 bis 2013 fast halbiert.
Sowohl zum Abschluss des Hilfsprogramms für Irland Ende des letzten Jahres als auch bei der ersten Programmüberprüfung im Frühjahr dieses Jahres hat die Troika keinen akuten Kapitalbedarf bei den drei wichtigsten Banken in Irland festgestellt. Zugleich wurden die Kompetenzen der irischen Finanzaufsicht erweitert.
Irland ist an den Kapitalmarkt zurückgekehrt, in dem gesamten Laufzeitspektrum. Es finanziert sich seit 2014 durch regelmäßige Emissionen von Staatsanleihen und Schatzbriefen vollständig selbst. Die Rendite von zehnjährigen irischen Staatsanleihen liegt derzeit bei unter 2 Prozent.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Irland hat eindrucksvoll gezeigt, dass der Kurs von Haushaltssanierung und Strukturreformen erfolgreich ist, und Irland bekennt sich dazu, diesen Kurs konsequent fortzuführen. Dies ist ein Erfolg für Irland, und dies ist ein Erfolg für die europäische Stabilisierungspolitik.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Damit gibt Irland auch ein wichtiges Signal an die Länder, bei denen das Programm noch aktiv ist – Griechenland und Zypern –, und zwar das Signal: Reformen lohnen sich, sie zahlen sich aus. Natürlich sind sie zunächst eine Belastung für Bevölkerung und Volkswirtschaft, aber am langen Ende ein positiver Beitrag für das Wachstum.
Alle diejenigen, die nicht an den Erfolg dieser Programme geglaubt haben, sollten sich angesichts so erfolgreicher Daten und einer so positiven Entwicklung einmal selbstkritisch fragen, ob sie mit ihren Untergangsszenarien, ihrer Behauptung, dass dieser Kurs falsch sei, richtig gelegen haben. Sie sollten sich vielleicht bei dem einen oder anderen, der für diesen Kurs gestanden hat und den sie persönlich angegangen sind, bei Gelegenheit auch einmal entschuldigen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Heute reden wir über ein bestimmtes Detail, nämlich die Proportionalität der entsprechenden finanziellen Engagements. Der Grundsatz der Proportionalität ist im Grunde richtig; deswegen haben wir sie in den Rückzahlungsregelungen der entsprechenden Verträge verankert. Im Falle Irlands – ich bitte Sie heute hier um Ihre Zustimmung – ist ein Abweichen von diesem Grundsatz, also eine Nichtanwendung der Parallelitätsklausel, jedoch gut begründet. Nicht nur wir haben uns das gründlich überlegt, das findet auch breite Unterstützung bei unseren EU-Partnern und bei denjenigen, die sich neben uns – der EFSM –, aber auch bilateral – Großbritannien, Schweden und Dänemark – hier engagiert haben. Die Aufhebung der Parallelität ist nicht nur im Interesse Irlands, sie ist im Interesse Europas und aller europäischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler; denn mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Irlands wird sich auch die Fähigkeit Irlands, diese Kredite zurückzuzahlen – waswir technisch die Schuldentragfähigkeit nennen –, erhöhen. Auch die Möglichkeiten, dass die europäischen Steuerzahler, bei denen wir im Wort stehen, von diesem irischen Engagement profitieren, werden durch die Teilrückzahlung der irischen IWF-Kredite erhöht. Das ist in unserem Interesse, gleichzeitig aber auch im Interesse der Iren, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Ich will darauf hinweisen, dass der Internationale Währungsfonds trotz der Rückzahlung Irlands bei der sogenannten Nachprogrammüberprüfung selbstverständlich im Boot bleibt; wir begrüßen das ausdrücklich. Gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank und gemeinsam mit der Europäischen Kommission werden wir auch in Zukunft weiterhin überprüfen, ob und wie nachhaltig Irland die Reformanstrengungen, die Europa mit seiner Solidarität ermöglicht hat, fortführt. Europa hat sich in einer für Irland sehr schwierigen Zeit solidarisch gezeigt und wird dies auch weiterhin sein. Das gilt auch für Deutschland. Wir haben bilateral mit Irland Verbesserungen in bestimmten Bereichen erreicht, beispielsweise Verbesserungen bei den Finanzierungsbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau hat sich hier außerordentlich engagiert.
Aber ich füge hinzu: Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wir erwarten auch von Irland in den nächsten Jahren Solidarität mit seinen europäischen Partnern, beispielsweise in internationalen Steuerfragen. Deutschland setzt sich dafür ein – nicht zuletzt im Rahmen des BEPS-Projekts von OECD und G 20 –, dass die Möglichkeiten multinational tätiger Unternehmen in der kreativen Steuergestaltung – die von vielen als unanständig empfunden wird –, durch Gewinnverlagerung und künstliche Gewinnkürzung ihre Steuerlast auf ein Minimalmaß zu reduzieren, abgestellt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das derzeitige irische Steuerrecht mit seinen Ansässigkeitsregelungen führt im Zusammenspiel mit dem amerikanischen und dem EU-Steuerrecht dazu, dass große internationale Unternehmen – zum wesentlichen Teil amerikanische – einen enormen Wettbewerbsvorteil gegenüber europäischen Unternehmen haben. Deswegen prüft nun auch die Europäische Kommission mit positiver deutscher Begleitung unter Beihilfegesichtspunkten die Steuerpraktiken der irischen Steuerbehörden zugunsten internationaler Großkonzerne.
Ich begrüße in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass die irische Regierung damit begonnen hat, Verschärfungen ihrer steuerlichen Ansässigkeitsregelungen zu diskutieren. Unser Ziel sollte nicht die Abschaffung jeglichen Steuerwettbewerbs sein, sondern ein fairer Steuerwettbewerb für alle in Europa. Das ist das Leitbild der internationalen Steuerpolitik hier in Europa,
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
und das bedeutet, dass auch in Irland die effektive Steuerlast der in Irland ansässigen Unternehmen im Trend höher sein wird.
Auf lange Sicht tut sich Irland mit seiner bisherigen Steuerpolitik keinen Gefallen. Selbst die irischen Wirtschaftsverbände warnen bereits, dass dies ein Reputationsschaden ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Irland ist noch nicht am Ziel. Der Weg ist noch lang, bis wir uns im Deutschen Bundestag keine Sorgen mehr über unsere europäischen Partner machen müssen. Trotzdem zahlt sich dieses Stück konsequente Reformpolitik aus.
Indem wir heute dem Antrag Irlands zustimmen, nutzen wir die Möglichkeit, unsere irischen Partner weiter auf einem guten Weg zu unterstützen. Damit helfen wir nicht nur Irland, sondern damit helfen wir auch Deutschland und Europa. In diesem Sinne werbe ich um Zustimmung.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Richard Pitterle, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3962380 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 56 |
Tagesordnungspunkt | Irland: Vorzeitige Rückzahlung der IWF-Finanzhilfe |