Richard PitterleDIE LINKE - Irland: Vorzeitige Rückzahlung der IWF-Finanzhilfe
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Irland hat zur Bewältigung der Finanzkrise knapp 70 Milliarden Euro unter anderem vom IWF, vom Euro-Rettungsfonds und von einzelnen Geberländern erhalten. Einen Teil davon will Irland nun vorzeitig zurückzahlen. Das klingt gut, auch wenn vorerst nur an den IWF zurückgezahlt werden soll.
Warum beschäftigt sich der Bundestag damit, wenn uns das nicht betrifft? Der Grund dafür ist, dass Irland eigentlich verpflichtet ist, an alle Gläubiger gleichmäßig zu tilgen, also auch an den Euro-Rettungsfonds, für den die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Deutschland und in Europa haften. Von dieser Verpflichtung will Irland befreit werden und erst einmal nur den IWF-Kredit abzahlen, um Zinsen zu sparen. Im Klartext: Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Deutschland haften über den Euro-Rettungsfonds auch weiterhin für Irland.
Herr Kampeter hat gerade erklärt, das sei kein Risiko, wenn die Entwicklung so verlaufe, wie sie vorgesehen sei. Das klingt alles schön und gut. Es setzt aber voraus, dass man ein Vertrauen zu den irischen Banken hat, das mir aufgrund der Vergangenheit schlicht fehlt. Wer sagt uns, dass diese das Land nicht wieder durch Zockerei an den Abgrund bringen?
Eine irische Volksweisheit lautet:
Lassen Sie mich daher einen Blick zurückwerfen: Bis 2007 hatte Irland nicht nur einen ausgeglichenen Haushalt, sondern sogar einen Haushaltsüberschuss. Dann musste eine Bank nach der anderen verstaatlicht werden, weil sie durch Zockerei auf den Finanzmärkten pleitegegangen sind. Irlands Staatsverschuldung ist dadurch ins Unermessliche gestiegen. Die Refinanzierungskosten waren nicht mehr zu tragen. Spekulanten haben auf Irlands Staatspleite gewettet. In dieser Situation hatte die irische Regierung Finanzhilfen beantragt.
Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Deutschland und Europa mussten für die Zockerei der Banken einspringen. Das lag im Übrigen auch im Interesse der deutschen Großbanken, die, wie die FAZ berichtete, gegenüber irischen Schuldnerinnen und Schuldnern Forderungen in Höhe von rund 138 Milliarden US-Dollar hatten. Also war die Rettung Irlands nicht allein eine solidarische Geste, sondern sie lag auch im Interesse der deutschen Großbanken.
Es ist gut, dass sich die Lage in Irland nun zu stabilisieren scheint, aber wir müssen auch fragen: Stabilisieren sich auch die Lebensverhältnisse der Menschen oder nur die der Banken und der Vermögenden?
Die Realität sieht jedenfalls düster aus. Spiegel Online berichtete zum Beispiel über einen jungen Bauarbeiter, der seit vier Jahren arbeitslos ist und keine Besserung erkennen kann. Der Familienvater lebt jetzt von Gelegenheitsjobs und einem wöchentlichen Arbeitslosengeld von 98 Euro. Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Was haben diese Menschen für eine Perspektive? Den Berichten in den Medien nach machen die Eckwerte der irischen Wirtschaft hier auch keinen großen Mut. Durch die geplatzte Immobilienblase ist allein in der Baubranche die Zahl der Beschäftigten von 270 000 auf 105 000 gesunken. Die Arbeitslosenrate liegt deutlich über 10 Prozent. Wenn sie sinkt, dann vor allem deshalb, weil Zehntausende junge Iren auf der Jobsuche das Land verlassen.
Das nächste Riesenproblem ist die mangelnde Binnennachfrage. Die Leute haben schlichtweg kein Geld. Zum Beispiel sind allein 100 000 irische Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer mit der Ratenzahlung bei ihren Immobilienkrediten mehr als drei Monate im Rückstand. Die private Verschuldung ist dementsprechend enorm hoch. Hinzu kommen die von der Troika verordneten Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst, weniger Sozialausgaben und eine höhere Mehrwertsteuer. So sieht die Realität der Irinnen und Iren aus.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, die bisherige Euro-Rettungspolitik ist nach wie vor falsch.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie ist undemokratisch, fördert Sozialabbau und spaltet Europa. Für die Vergabe von Hilfskrediten müssen einfach andere Bedingungen gestellt werden. Auch bei Irland wäre zu erwarten, dass man fordert, dass über eine Vermögensteuer diejenigen, die von der Zockerei profitiert haben, zur Kasse gebeten werden. Man hätte Irland zudem auferlegen müssen, die aggressive Niedrigsteuerpolitik bei der Körperschaftsteuer zu beenden. Doch wer hat die Sparmaßnahmen in Irland letztlich auszubaden? Wie immer die Bürgerinnen und Bürger, und das, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, ist leider auch Ihnen zuzuschreiben.
Die Linke wird sich jedenfalls weiterhin für eine gerechte Verteilung der Lasten der Euro-Krise und für eine wirksame Regulierung der Finanzmärkte einsetzen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Als nächstem Redner in der Debatte erteile ich das Wort dem Abgeordneten Johannes Kahrs, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3962381 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 56 |
Tagesordnungspunkt | Irland: Vorzeitige Rückzahlung der IWF-Finanzhilfe |