Oliver GrundmannCDU/CSU - Klimapolitik
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei der Lektüre dieses Antrags der Grünen hat es mir die letzten Tage fast die Sprache verschlagen;
(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So gut, nicht?)
glücklicherweise habe ich sie zurückgewonnen.
Wenn man sich die Ausführungen von Ihnen, Herr Hofreiter, im Parlament auch noch einmal zu Gemüte führt, könnte man vermuten, dass hier das Ende der Welt kurz bevorsteht. Trotzdem werde ich mir keine Arche Noah in den Garten stellen – ich wohne an der Küste. Ich bin nämlich der festen Überzeugung, dass sich die Große Koalition den anstehenden Herausforderungen verantwortungsvoll annimmt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ein Viertel des deutschen Stroms wird schon heute aus erneuerbaren Energien gewonnen. Dabei wird es nicht bleiben. Denn bis 2025 soll der Anteil der erneuerbaren Energien auf mindestens 40 Prozent steigen, bis 2035 sogar auf mindestens 55 Prozent. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind ehrgeizige Ziele. Das hat sich sonst bisher kein anderes Industrieland auf der Welt vorgenommen.
(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch! So ein Quatsch!)
Damit geht Deutschland mutig und entschlossen voran. Darauf können wir stolz sein.
Die Grünen wollen ein Scheitern der nationalen Klimapolitik abwenden und internationale Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. So schreiben sie im Antrag. Ein erster Schritt, meine sehr geehrten Damen und Herren, wäre darin zu sehen, diesen Antrag hier zurückzuziehen. Das will ich Ihnen auch gern begründen. Die Grünen verfolgen einen völlig falschen Ansatz. Sie wollen nicht nur eine europäische Klimapolitik, sondern sie wollen auch noch eine nationale Regelung oben aufsatteln. Das ist ein typisch grüner Irrweg.
(Widerspruch der Abg. Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Lassen Sie mich das kurz ausführen.
Für Emissionszertifikate existiert ein gemeinsamer Markt in Europa. Wenn nun eine nationale Klimapolitik den Ausstieg aus der Kohle vorschreibt, dann sinkt in Deutschland die Nachfrage nach entsprechenden Emissionszertifikaten. Logischerweise sinkt dann auch der Preis, und das europaweit. Das sind die Mechanismen von Angebot und Nachfrage. Ein bisschen Nachhilfe in sozialer Marktwirtschaft würde Ihnen von den Grünen sicherlich nicht schaden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir von der Union wissen das jedenfalls spätestens seit Ludwig Erhard.
Noch billigere Emissionszertifikate reduzieren den Anreiz, in neue Kraftwerkstechnologien zu investieren. Praktisch bedeutet das, dass alte Kohlekraftwerke in anderen Ländern Europas mehr Strom noch billiger als bisher produzieren können. Das wäre ein vollkommen falsches, ja ein verheerendes Signal. Wir in Deutschland müssten zusätzlich zu unserem bisherigen Beitrag zur Energiewende – und das ist schon ein Rucksack, den wir zu tragen haben – auch noch die Kosten für einen übereilten Ausstieg aus der Kohle tragen. Andere Länder hätten hingegen einen Kostenvorteil durch alte Kohlekraftwerke. Das wäre vollkommen absurd, denn wir würden so nichts für das Weltklima tun.
Besonders bedenklich ist, dass nationale Alleingänge zu einer umweltpolitischen Spaltung in Europa führen. Je mehr sauberen Strom die einen produzieren, desto mehr Strom können andere mit veralteten Kraftwerken generieren. Nationale Alleingänge sind kein Vorteil für das Klima, weil sich Emissionen dadurch nur in andere Länder verlagern. Das ist ein typisches Beispiel für politisches Gutmenschentum: meistens teurer und zudem auch noch wirkungslos, und für sinnvolle Maßnahmen, die wirklich nützlich sind, fehlt dann das Geld.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Union lehnt eine solche reine Symbolpolitik ab.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir bekennen uns ohne Wenn und Aber zum Klimaschutz – aber mit Sachverstand und Augenmaß, ökonomisch und effizient, ohne den Strompreis dabei durch blinden Aktionismus in ungeahnte Höhen schnellen zu lassen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt möchte ich auf etwas zu sprechen kommen, was viele praxisferne Ökoträumer gar nicht kennen: die Realität.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)
Mein Wahlkreis liegt in der Metropolregion Hamburg, zwischen Cuxhaven, Bremen und der Hansestadt Hamburg. In den letzten 45 Jahren siedelten sich hier zahlreiche Unternehmen an; es ist eine absolute Boomregion geworden. Dort befinden sich auch zahlreiche energieintensive Unternehmen. Eines dieser Unternehmen möchte ich nennen: Dow Chemical, ein Chemiewerk in Niedersachsen mit rund 1 500 Mitarbeitern. Solch ein Unternehmen ist auf eine langfristige, stabile und wettbewerbsfähige Versorgung mit Strom und Wärme angewiesen. Wir wollen, dass auch Private günstige Strompreise haben. Aber diese Industrien brauchen einfach günstigen Strom. Sonst gehen Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze unwiederbringlich verloren.
Wir reden hier von wirklich gewaltigen Strommengen: Dieses Unternehmen braucht für den laufenden Betrieb im Jahr 5 Terawattstunden Strom. Das entspricht 1 Prozent des gesamten Stroms, der in Deutschland verbraucht wird. Anders ausgedrückt: Das entspricht dem Strombedarf von knapp 1 Million Privathaushalten. Das Werk in Stade ist überhaupt kein Einzelfall. Ich könnte auch noch BASF in Ludwigshafen, die Salzgitter AG in Peine, Aurubis in Hamburg und zahlreiche andere Beispiele in Nordrhein-Westfalen, in Bayern, in Hessen, in Baden-Württemberg und auch in unseren östlichen Bundesländern nennen. Industrien brauchen Strom. Damit sind wir durch die Krise gekommen. Er ist das Lebenselixier unserer Industrie; deswegen sind wir so gut aufgestellt.
Unsere Unternehmen brauchen aber nicht nur verlässlich verfügbaren und bezahlbaren Strom, sondern auch Planungssicherheit, und das auf Dauer. Das Chemiewerk in meinem Wahlkreis hat seine Zukunft selbst in die Hand genommen: Es hat ein eigenes Konzept für eine Energieversorgung entwickelt. Das Genehmigungsverfahren läuft, auch das Engineering läuft, und es ist zu hoffen, dass sich dieses Großkraftwerksprojekt realisieren lässt. Die Lösung sieht das Unternehmen in einem kombinierten Gas-, Biomasse- und Steinkohlekraftwerk. Seien Sie nicht erschreckt! Aber das ist deren Ansatz.
(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kennen wir schon! Danke!)
Das Kraftwerk kann einen großen Teil des Wasserstoffs, der dort bei der Produktion anfällt, in Energie umwandeln; eventuell kann überschüssige Windenergie in Wasserstoff umgewandelt werden. Das würde dazu führen, dass das Kraftwerk unter den weltweit saubersten Kohlekraftwerken jenes mit den allerniedrigsten CO 2 - Emissionen wäre.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das ist praktizierter Umweltschutz, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen. Das sind hochmoderne Technologien, das schützt das Klima, schafft Arbeitsplätze, sichert Industrien in Deutschland und wäre zudem auch noch ein echter Exportschlager. Das wollen wir doch in Deutschland haben. Die Realisierung wäre ein Meilenstein für die Energieerzeugung. Wir brauchen solche innovativen Brückentechnologien. Sie schließen die Zeitfenster bis zu einer kontinuierlichen, sicheren Versorgung mit regenerativen Energien. Solche Innovationen und Technologien wollen Sie aber verbieten. Das ist typisch für Sie als Vertreter der Gegenpartei.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wer solche Brückentechnologien ablehnt, macht Deutschland von ausländischer Kernenergie abhängig. Wer Brückentechnologien ablehnt, verspielt unsere Chancen auf eine Technologieführerschaft und unsere Exportchancen. Wir werden das nicht zulassen. Wir werden die gebotenen Maßnahmen für eine erfolgreiche Energiewende mit Bedacht und mit Augenmaß entschlossen auf den Weg bringen. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Kollege Grundmann, das war Ihre erste Rede. Herzlichen Glückwunsch!
(Beifall)
Als nächster Redner spricht Klaus Mindrup.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3965829 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 57 |
Tagesordnungspunkt | Klimapolitik |