09.10.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 57 / Tagesordnungspunkt 6

Stefan RebmannSPD - Verantwortung für Produktion in Entwicklungsländern

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Kollege Movassat, aber auch Herr Minister Müller haben es schon angesprochen: Was verstehen wir unter guter Arbeit?

Jeder von uns im Plenum, die Menschen, die ihrer Beschäftigung nachgehen, junge Menschen, die sich einen Ausbildungsplatz suchen oder in der Ausbildung sind: Jeder von uns wünscht sich gute Arbeit, unter fairen Bedingungen, gut entlohnt. Wir wollen eine Krankenversicherung. Wir wollen eine Arbeitslosenversicherung. Wir haben eine Rentenversicherung. Wir haben Regeln für die Gewerbeaufsicht. Wir haben Brandschutz, der bei uns so gut funktioniert, dass der eine oder andere Flughafen nicht in Betrieb genommen werden kann.

All das ist bei uns für viele Menschen quasi eine Selbstverständlichkeit. Das ist aber keine Selbstverständlichkeit. Das haben Gewerkschaften und die Arbeitnehmerbewegung sich über Jahrzehnte hinweg erkämpft und auch immer wieder verteidigt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir müssen aber sehen – auch das ist in dieser Debatte schon angesprochen worden –, dass das nicht überall so ist. Es wird deutlich, dass wir uns jetzt auf den Weg machen müssen – das gehen wir mit dem Antrag an –, gute Arbeit auch weltweit umzusetzen und uns dafür einzusetzen, dass Arbeitnehmerrechte, betriebliche Rechte, Arbeitssicherheit, Gesundheit und eine soziale Mindestabsicherung auch weltweit umgesetzt werden.

Ich war über 25 Jahre hauptamtlicher Gewerkschaftssekretär und weiß: Es gibt viele deutsche Unternehmen, die dieser Verantwortung gerecht werden. Sie werden ihr auch in ihren internationalen Beziehungen gerecht. Sie bilden in Entwicklungsländern aus und setzen Standards. Aber auch das ist in dieser Debatte schon klar geworden: Es sind leider Gottes nicht alle Unternehmen. Der Kollege Movassat hat das Beispiel Rana Plaza angesprochen. Wir müssen sehen: Es gibt Unternehmen, auch deutsche Unternehmen, die sich einen Kehricht darum scheren, wie die Arbeitsbedingungen sind, wie die Menschen entlohnt sind und unter welchen Rahmenbedingungen die Menschen dort arbeiten müssen.

Wir waren in Bangladesch. Man muss die Zahlen immer wieder wiederholen: 1 127 Menschen kamen in Rana Plaza ums Leben. Ich sage dazu: Totschlag mit Ansage. Dort liegen heute noch Leichen. Es gibt immer noch Unternehmen, auch deutsche Unternehmen, die sich weigern, in den Ausgleichsfonds einzuzahlen. Ich finde, an der Stelle ist das Thema Freiwilligkeit beendet.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht doch nicht in Ihrem Antrag!)

Da muss die Regierung handeln, und auf diesen Weg begeben wir uns, Kolleginnen und Kollegen.

Um auch das noch einmal zu sagen: Beim 5-Euro- T-Shirt machen die Lohnkosten 1 Prozent aus. Man sieht aber auch Anzüge, die schon in Bangladesch mit Preisen von 199 oder 299 Euro ausgezeichnet sind. Wer glaubt, die Näherin oder der Näher würde dafür einen Cent mehr bekommen: weit gefehlt! Auch dort gilt der Mindestlohn, der jetzt gerade auf 53 Euro im Monat erhöht worden ist. Die Menschen müssen damit über die Runden kommen. Die Lebenshaltungskosten liegen aber bei 200 Euro im Monat.

Mir ist wichtig, im Plenum noch einmal deutlich zu machen: Es ist in erster Linie Aufgabe der Entwicklungsländer – der Regierungen, Parlamente und Arbeitgeber vor Ort –, für ordentliche Arbeitsbedingungen zu sorgen. Das darf aber nicht dazu führen, dass sich deutsche und europäische Unternehmen aus der Verantwortung stehlen und sagen: Wir machen das alles nur freiwillig.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir begeben uns mit unserem Antrag auf den richtigen Weg. Das ist der erste Antrag, der in diese Richtung geht. Wir haben aber noch eine lange Wegstrecke vor uns, bis wir von guter Arbeit weltweit reden können. Es gibt sicherlich immer wieder Spezialisten, die es mit Tricks schaffen, sich nicht an Recht und Gesetz zu halten, die Standards für Arbeitsbedingungen zu unterlaufen und den Mindestlohn nicht zu zahlen. Solche Menschen sagen sehr oft, sie seien die echten Profis im Business. Ich sage dazu: Die Titanic ist von Profis gebaut worden, die Arche Noah von Laien. Welches Schiff untergegangen ist, wissen wir. Denjenigen, die meinen, dass sie sich auf dem Rücken anderer Menschen profilieren können, müssen wir klare Kante zeigen. Wir haben in unserem Antrag 18 Punkte diesbezüglich festgeschrieben. Lassen Sie uns darüber diskutieren. Gehen wir voran, und schaffen wir eine Welt, in der es überall gute Arbeit gibt!

Allerletzter Satz, Frau Präsidentin. Wir können von den Entwicklungsländern nicht erwarten, demokratiefreundlich zu sein, sich zu engagieren und einzubringen sowie soziale Sicherungssysteme aufzubauen, wenn wir ihnen nicht gleichzeitig die Chance geben, das alles auch umzusetzen. Ein indisches Sprichwort lautet: „Du kannst nicht die eine Hälfte des Huhns kochen und die andere zum Eierlegen auffordern.“ In diesem Sinne lasst uns an die Arbeit gehen für gute Arbeit weltweit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Das war zwar ein langer letzter Satz. Aber darüber wollen wir heute einmal hinwegsehen.

Nächster Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist Uwe Kekeritz, dem ich von dieser Stelle aus ganz herzlich zu seinem heutigen Geburtstag gratulieren möchte, genauso wie der Kollegin Dr. Freudenstein, die hier zu meiner rechten Seite sitzt. Herzlichen Glückwunsch Ihnen beiden!

(Beifall)

Bitte, Herr Kekeritz.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3965910
Wahlperiode 18
Sitzung 57
Tagesordnungspunkt Verantwortung für Produktion in Entwicklungsländern
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