Jürgen KlimkeCDU/CSU - Verantwortung für Produktion in Entwicklungsländern
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal Ihnen, Herr Minister, herzlichen Dank für die offenen Worte.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)
Herzlichen Dank für die ungeschminkte Darstellung der sozialen Ausbeutung in den Entwicklungsländern.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war viel zu kurz! Das kannten wir schon alles!)
Herzlichen Dank für die verantwortungsvollen Lösungsvorschläge. Und auch herzlichen Dank für den sanften Druck auf die Industrie im Interesse der Menschen in den Entwicklungsländern.
(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Sanfter Druck“!)
Da sind wir auf einem wirklich guten Weg.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Lassen Sie mich die Problematik anhand eines Zitats weiter ausführen:
Meine Damen und Herren, diese Worte von Bundespräsident Gauck möchte ich zum Motto meines Beitrags hier und heute machen. „ Globalisierung gestalten“ bedeutet, weltweit nachhaltig zu handeln, sich der Folgen bewusst zu sein, die unser Handeln für andere hat, und vor allen Dingen negative Folgen einzudämmen.
Noch vor wenigen Jahren hätte man die Gestaltung der Globalisierung als eine ausschließliche Aufgabe der Politik – vor allen Dingen der hochentwickelten Staaten –angesehen. Viele sehen das heute noch so. Was passiert aber, wenn staatliche Institutionen ihrer Aufgabe der Normensetzung nicht nachkommen oder nicht nachkommen wollen? Auf diese Frage hätte man früher wahrscheinlich mit Schulterzucken geantwortet.
Heute sehen wir die Gestaltung der Globalisierung zunehmend als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, als Aufgabe der Politik, der internationalen Organisationen, der engagierten Nichtregierungsorganisationen, der Zivilgesellschaft und eben auch der Wirtschaft und der Verbraucher. Diese Entwicklung der Übernahme von Verantwortung für unser Handeln ist ein gesellschaftlicher Megatrend, der zugleich auch ein Pfeiler christdemokratischer Politik ist. Wir wollen die Schöpfung bewahren und wollen den Menschen auch in ihren Heimatländern ein lebenswertes Leben ermöglichen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Genau in diese Richtung zielt unser Antrag „Gute Arbeit weltweit – Verantwortung für Produktion und Handel global gerecht werden“. Schwerpunkte sind dabei die sozialen Bedingungen bei Produktion und Handel, auch und gerade in den Entwicklungsländern. Für Verbesserungen nehmen wir nicht nur Staaten und Politik, sondern eben auch die Unternehmen in Verantwortung. Diese Unternehmensverantwortung – CSR heißt das international – ist ein Schlüsselfaktor bei der Gestaltung der Globalisierung, weil wir damit die Lebensbedingungen vieler Menschen in den Entwicklungsländern verbessern können. Das bedeutet natürlich auch, dass die Menschen in ihren Heimatländern bleiben,
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, das ist Ihr Interesse!)
weil sie dort gern zur Arbeit gehen und von ihrem Lohn künftig vernünftig leben können. Nachhaltige Globalisierung wirkt der Migration entgegen. Das ist auch ein Aspekt, den wir gerade in diesen Zeiten der Flüchtlingsströme nicht vergessen dürfen. Deshalb bin ich kein Gegner der Globalisierung; denn sie ist nicht nur ökonomisch sinnvoll, sondern sie bietet durchaus auch Chancen für die Entwicklungsländer. Das gilt im Übrigen auch und gerade für die Textilindustrie.
„Globalisierung gestalten“ bedeutet aber auch, dass deutsche Unternehmen nicht Profiteure eines Manchester-Kapitalismus übelster Sorte sein dürfen, bei dem Arbeiter eingesperrt werden, ihnen Pausen und Arbeitsschutz verwehrt werden, sie in Schuldknechtschaft geraten und örtliche Mindestlöhne auch noch unterlaufen werden. Aber auch wenn noch so manches im Argen liegt, ist es heute schon so, dass viele Unternehmen aus Deutschland – auch das müssen wir feststellen – und Europa gute CSR-Strategien haben. Sie stellen sicher, dass Mindeststandards nicht nur im ökologischen, sondern mehr und mehr auch im sozialen Bereich eingehalten werden. Das ist im Übrigen auch in der Textilbranche so. Bisher sind solche CSR-Strategien unverbindlich. Wir wollen die Verbindlichkeit dieser CSR-Strategien international und national stärken und ihre Wirksamkeit erhöhen. In diese Richtung zielt unser Antrag mit der Vielzahl der Forderungen.
Es ist eine Tatsache, dass wir ohne den informierten und kritischen Verbraucher Globalisierung nicht gestalten können. Der Verbraucher hat Siegel wie Fairtrade oder das Biosiegel verstanden und akzeptiert. Im Bereich der sozialen Mindeststandards entlang der gesamten Produktions- und Lieferkette gibt es bisher noch kein bekanntes und nachvollziehbares Siegel, das dem Verbraucher eine sozialverträgliche Produktion einigermaßen verlässlich signalisiert. Das wollen wir ändern.
Wir haben mit dem „Textil-Bündnis“ ein Modell, das wir im Übrigen auch auf andere Branchen übertragen können. Ich denke an die Landwirtschaft, ich denke an die Elektronikindustrie, an die Tabakproduktion zum Beispiel oder auch an die Gewinnung von Rohstoffen. Wichtig ist dabei, dass die gesamte Produktions- und Lieferkette Beachtung findet.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber auch in Deutschland!)
Bei der Textilproduktion geht es bei der Baumwollernte los. Die Knopfherstellung oder die Herstellung von Reißverschlüssen gehören genauso dazu wie auch die Verwertung gebrauchter Kleidung. Wichtig sind auch die Transportwege. In vielen Bereichen sind die Sozialstandards bereits heute gut. So habe ich vom Verband Deutscher Reeder erfahren, dass es international verbindliche Richtlinien gibt, Sozialstandards für Seeleute, sodass der Seetransport der Kleidung von den Produktionsstandorten zu uns immerhin schon sozial nachhaltig ist.
Die Unternehmen können heute einen Beitrag für die Verbesserung der Sozialstandards leisten. Auch wir treten dafür ein. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir die Regierungen vor Ort aus ihrer Verantwortung entlassen dürfen. Ich durfte mir die Situation in Bangladesch ansehen: Korruption, laxe Bauvorschriften, Behinderung von Gewerkschaftsbildung. Das sind klar Fehler staatlichen Handelns. Wir müssen die Zahlung unserer Entwicklungsgelder noch stärker an Fortschritte in diesen Bereichen koppeln. Die Konditionierung in diesem Zusammenhang, die wir vor wenigen Jahren eingeführt haben, ist dabei, genau wie das Menschenrechtskonzept des BMZ, ein ganz wichtiger Punkt.
Meine Damen und Herren, natürlich dürfen wir nicht nur Verbesserungen einfordern, sondern wir müssen auch durch Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit daran mitwirken. Deswegen begrüße ich außerordentlich, Herr Minister, dass wir zum Beispiel in Bangladesch 10 Millionen Euro für die Etablierung der Sozial- und Umweltstandards in der Industrie einbringen, dass wir damit die Situation verbessern: Berater werden ausgebildet, Kurse für Manager werden durchgeführt, und es wird einmal deutlich gesagt, was Gewerkschaften eigentlich sind und welche Aufgaben sie haben können. Das Handlungsfeld der Entwicklungszusammenarbeit, dem wir künftig auch in anderen Regionen große Aufmerksamkeit schenken, wird hier weiter ausgedehnt.
Die Formulierung „Gute Arbeit weltweit“ im Titel unseres Antrags hört sich zunächst vielleicht ein bisschen hochtrabend an, so nach dem Motto: Na ja, wir wollen mal kurz die Welt retten. – Aber jeder Mensch in den Entwicklungs- und Schwellenländern, dessen Arbeitssicherheit steigt, dessen Absicherung sich verbessert, dessen Lohn auskömmlicher wird, ist unserer Anstrengung wert. Somit leisten wir hier gemeinsam auch mit unserem Antrag einen kleinen Beitrag zur sozialen Globalisierung.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank. – Nächster Redner für die Fraktion Die Linke ist Dr. Diether Dehm.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3965923 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 57 |
Tagesordnungspunkt | Verantwortung für Produktion in Entwicklungsländern |