Stefan HeckCDU/CSU - Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade zieht das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe nach dreijähriger Renovierungszeit in sein altes Stammgebäude zurück – für uns eine gute Gelegenheit, auch das Bundesverfassungsgerichtsgesetz zu renovieren. Es geht zwar formal nur um einen wenig geänderten Text, aber unser Vorschlag, künftig dem Plenum des Deutschen Bundestages bei der Richterwahl das letzte Wort zu lassen, ist ein nicht zu unterschätzender Eingriff in das bisherige Gefüge des Gerichts.
Nach dem, was wir hier gehört haben, ist es, glaube ich, gut, dass dieser Prozess – das gilt dann letztlich auch für eine Entscheidung –, den wir heute anstoßen, auf breiter Unterstützung fußt und dass wir das auch reichlich abgewogen haben. Denn gerade Änderungen bei der Richterwahl zum Bundesverfassungsgericht bedürfen einer sorgfältigen Prüfung. Immerhin geht es – um bildlich im Baubereich zu bleiben – um die Statik des Bundesverfassungsgerichts, das wiederum eine große Bedeutung für die Statik unseres Grundgesetzes hat. In diesem Grundgesetz – es ist eben schon zitiert worden – heißt es ganz schlicht:
Das, was in der Verfassung so einfach klingt, stellt sich in der Verfassungspraxis als gar nicht so einfache Aufgabe dar. Dementsprechend liest sich der Paragraf im Bundesverfassungsgerichtsgesetz, der das Verfahren zur Wahl der Richter konkretisiert, sehr viel komplizierter. Aus dem einen Satz im Grundgesetz sind immerhin fünf ganze Absätze im entsprechenden Gesetz geworden.
Aber auch in Zukunft wird sich das Wahlverfahren nicht auf einen einzigen Satz verkürzen lassen. Die Wahl der Richter am Bundesverfassungsgericht bleibt eine heikle Angelegenheit. Das ergibt sich schon aus der bereits angesprochenen Machtfülle, die den acht Richtern jedes Senats auferlegt worden ist. Sie wachen über die Aufrechterhaltung unserer Verfassungsordnung, und sie allein sind es, die Gesetze dieses Hohen Hauses am Ende für nichtig erklären können.
Es ist daher von ganz entscheidender Bedeutung, dass das Handeln des Bundesverfassungsgerichts mit all seiner rechtlichen, gesellschaftlichen, aber am Ende eben auch politischen Tragweite von einem soliden Fundament an Legitimität getragen wird. Dazu gehört natürlich auch die Legitimation der Zusammensetzung des Gerichts und am Ende jedes einzelnen Richters selbst. Die Richter sollen nicht nach persönlichen Ansichten richten. Für die Richter des Bundesverfassungsgerichts gilt wie für die Richter jedes anderen Gerichts in Deutschland Artikel 20 Grundgesetz: Sie sind an Recht und Gesetz gebunden. Doch gerade die Juristen unter uns wissen, dass am Ende jeder zumal verfassungsrechtlichen Fragestellung eine Wertentscheidung getroffen werden muss, die von der Persönlichkeit des Richters nicht zu trennen ist. Deshalb ist es richtig, dass wir die Legitimität der Richter auf eine möglichst breite Basis stellen.
Ich möchte einen weiteren Gedanken ansprechen: Wir leisten damit heute auch einen Beitrag zum Schutz parlamentarischer Minderheiten. Ich erwähne das, weil wir dieses Thema hier erst kürzlich kontrovers diskutiert haben. Das Bundesverfassungsgericht hatte die bisherige Rechtslage bei der Wahl der Richter 2012 ausdrücklich für verfassungskonform erklärt. Deswegen denke ich, wir sollten heute ganz selbstbewusst darauf hinweisen, dass wir keineswegs Karlsruher Vorgaben umsetzen, sondern – so sollte es der Normalfall sein – eine eigenständige politische Entscheidung treffen. Wir stärken die Minderheitenrechte hier in diesem Haus, und zugleich stärken wir die Legitimation des Bundesverfassungsgerichts. Wir bringen damit zum Ausdruck, liebe Kolleginnen und Kollegen: Politik wird weiterhin hier in Berlin und nicht in Karlsruhe gemacht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich möchte daher auch ganz deutlich sagen, was es in Zukunft nicht geben soll und nicht geben wird: Das sind öffentliche Kreuzverhöre, wie sie für die Richter des Supreme Court in den Vereinigten Staaten vorgesehen sind. Wir sind überzeugt: Es kommt auf die fachliche und persönliche Eignung der Richter an und eben gerade nicht auf die Redegewandtheit und die persönliche Meinung von Kandidaten zu tagespolitischen Themen und am Ende auch nicht auf die Fähigkeit, sich in den Medien möglichst überzeugend darzustellen. Wir alle sollten uns deshalb davor hüten, die Wahl der Richter des Bundesverfassungsgerichts zum Gegenstand parteipolitischer Auseinandersetzungen zu machen. Deshalb werden die Richter auch weiterhin ohne Aussprache gewählt werden; wir nehmen damit eine Verfassungstradition auf, welche die Würde der höchsten Staatsämter wahrt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Summe steht der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf auch unter dem Motto „Mehr Demokratie wagen“. Mit der Stärkung des Plenums bei der Richterwahl machen wir deutlich: Demokratische Legitimation ist auch für die Wahl der Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts unverzichtbar; denn Artikel 20 des Grundgesetzes stellt unmissverständlich klar, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, darunter eben auch die rechtsprechende Gewalt.
So richtig es ist, dass das Bundesverfassungsgericht unser Handeln als Bundestag kontrolliert, ist es keineswegs so, dass die Rechtsprechung quasi als unnahbare, sich selbst legitimierende Trutzburg des Rechts das Volkshandeln kontrolliert. Genau das Gegenteil ist der Fall: Das Volk kontrolliert sich selbst. Die Legitimation all unserer Verfassungsorgane geht vom Volk aus. Auch die Richter am Bundesverfassungsgericht kommen deshalb um eine solide demokratische Legitimation nicht herum.
Deswegen, Frau Künast, bin ich auch skeptisch, ob wir, nachdem wir auch im Bundestag aus guten Gründen keine Frauenquote haben, damit nun beim Bundesverfassungsgericht anfangen sollten.
Ich komme zum Schluss. Wer uns als Parlament bisweilen zu bedenken gibt – und das gelegentlich zu Recht –, was das Demokratieprinzip erfordert, der sollte auch selbst hinreichend demokratisch legitimiert sein. Dafür tragen wir heute Sorge. In den letzten Jahren haben wir einiges investiert – um wieder zu dem Bild vom Anfang zurückzukommen –, um durch Renovierungen unsere Bausubstanz landauf, landab zukunftsfest zu machen. Das gilt unter anderem für das nunmehr renovierte Hauptgebäude des Bundesverfassungsgerichts. Unterschätzen wir deshalb nicht die kleine Renovierung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes, die wir heute anstoßen. Mit diesem Plus an demokratischer Legitimation machen wir das höchste deutsche Gericht zukunftsfest.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Als letztem Redner in der Debatte erteile ich das Wort Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3966074 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 57 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes |