Olav GuttingCDU/CSU - Besteuerung von Kapitalerträgen
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! „ Groundhog Day“ bei den Linken: Altbekannt fordern sie wieder einmal die Abschaffung der Abgeltungsteuer.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das ist gut so!)
Ich sage es gleich vorweg: Wir werden das auch dieses Mal ablehnen, und zwar nicht, weil wir glauben, dass die Abgeltungsteuer der Weisheit letzter Schluss ist, nicht weil wir glauben, dass die Abgeltungsteuer etwa ein Meilenstein wäre im Sinne von Steuergerechtigkeit und Steuervereinfachung, und auch nicht, weil wir etwa glauben würden, dass es grundsätzlich richtig ist, Lohneinkünfte und Einkünfte aus Kapital unterschiedlich zu besteuern. Wir lehnen eine Abschaffung vielmehr ab, weil heute immer noch das gilt, was 2008, 2009 gegolten hat und was Peer Steinbrück damals bei der Einführung richtigerweise gesagt hat – Sie haben ihn vorhin zitiert –, nämlich 25 Prozent auf X sind allemal besser als 100 Prozent oder 45 Prozent auf nix.
Jetzt ist es natürlich einfach, mit dem Verweis auf eine Privilegierung von Kapitalerträgen gegenüber den Arbeitseinkommen eine Neiddebatte zu entfachen. Wir müssten uns dann aber auch mit den Folgen einer Abschaffung der Abgeltungsteuer beschäftigen. Während bei der Besteuerung von Kapitalerträgen vor der Abgeltungsteuer, also in der Vergangenheit, der Staat auf die ordnungsgemäße und vollständige Angabe dieser Einkünfte angewiesen war, haben wir heute die Situation, dass die auszahlende Stelle, in der Regel eine Bank, das Geld direkt an das Finanzamt abführt. Bei einer Rückkehr zum alten System, wie Sie fordern, wäre man wieder davon abhängig, dass Kapitalerträge von den Steuerbürgern vollständig angemeldet werden. Wir hätten also wieder die Situation wie in der Vergangenheit, dass hin und wieder etwas vergessen wird.
Mit der Einführung der Abgeltungsteuer und – das darf man nicht vergessen – der damit verbundenen Abschaffung der einjährigen Spekulationsfrist für Wertpapiergewinne – das kam ja zusammen – haben wir ein Stück Steuergerechtigkeit, zumindest beim Steuervollzug, geschaffen. Das war im Wesentlichen auch der Antrieb für die Einführung der Abgeltungsteuer. Was nützt es, wenn Sie einen Teil der Steuerpflichtigen mit einem gerechten Tarif belegen, gleichzeitig aber ein anderer Teil der Steuerpflichtigen quasi mit null rausspaziert. Das kann ja wohl nicht im Sinn einer steuerlichen Gleichbehandlung sein.
Fakt ist: Die Einführung damals war richtig, und die damals angeführten Gründe gelten bis auf Weiteres – das will ich hier unterstreichen – heute noch; denn auch zum jetzigen Zeitpunkt kann die Einbeziehung von Kapitalerträgen im Rahmen der regulären Besteuerung ohne irgendeine Form von Quellensteuer nicht gewährleistet werden.
(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Unsinn!)
Herr Ernst, Sie haben in der Erläuterung zu Ihrem Antrag darauf abgestellt, dass es einen Wandel gibt, dass wir zwischenzeitlich mit dem automatischen Informationsaustausch in Steuersachen vorankommen; das ist richtig. Wir befinden uns international in einem Transformationsprozess. Der automatische Informationsaustausch bedeutet geradezu einen Paradigmenwechsel im internationalen Kampf gegen Steuerhinterziehung, im internationalen Kampf um Steuergerechtigkeit.
Wir haben das Ziel, das im Ausland deponierte Schwarzgeld sichtbar zu machen. Allerdings – und auch das gehört zur Wahrheit – liegen aktuell die notwendigen Voraussetzungen für einen einigermaßen flächendeckenden automatischen Informationsaustausch noch nicht vor. Wir haben in den letzten Jahren fast 50 Doppelbesteuerungsabkommen nach OECD-Muster abgeschlossen. Wir arbeiten dafür – das tun wir gemeinsam –, dass der automatische Informationsaustausch in Europa endlich Standard wird, nicht nur in der EU, sondern in ganz Europa. Aber wir müssen anerkennen, dass die bisher geschlossenen Abkommen noch nicht ausreichen, um die Einbeziehung der Kapitaleinkünfte bei der nationalen Besteuerung sicherzustellen.
Lassen Sie mich eine kurze Bestandsaufnahme zur Abgeltungsteuer seit ihrer Einführung machen:
Erstens. Das System der Besteuerung an der Quelle funktioniert. Die Abgeltungsteuer entlastet Bürger und Verwaltung von unnötiger Bürokratie. Zum Beispiel müssen viele Steuerpflichtige heute keine Erklärung zu ihren Kapitaleinkünften, Anlage KAP, mehr abgeben.
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das ernst gemeint?)
Zweitens. Die Zahlen des Ministeriums, die uns vorliegen, belegen klar – über Zahlen kann man immer streiten –, dass die Abgeltungsteuer in allen Jahren seit 2008 zu Mehreinnahmen gegenüber der alten Regelung geführt hat, und zwar in Höhe von circa 5 Milliarden Euro.
(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Gutting, das stimmt nicht! Das ist gelogen! Das Gegenteil ist richtig!)
Sie haben die Kassenlage angesprochen. Ihre Argumentationslinie ist fehlerhaft. Sie ziehen die falschen Schlüsse. Es ist richtig, dass es kassenmäßig einen Rückgang beim Steueraufkommen gab. Das liegt aber nicht an der Abgeltungsteuer,
(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)
das liegt auch nicht an der Wirtschaftskrise, sondern das liegt daran, dass wir seit Jahren eine Niedrigzinsphase haben. Es ist völlig logisch, dass ich, wenn ich niedrigere Zinsen bekomme und niedrigere Kapitalerträge habe, auch eine geringere Kapitalertragsteuer bzw. Abgeltungsteuer zahle.
(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Gesetz selbst standen schon Mindereinnahmen drin! 1 bis 1,5 Milliarden weniger, nicht mehr!)
Was wäre die Alternative? Dazu haben wir in Ihrem Antrag nichts gefunden. Die Alternative wäre die Wiederherstellung der alten Rechtslage. Mit keinem Wort sagen Sie, wie die Besteuerung von Kapitalerträgen sichergestellt werden soll. Wir würden, wenn wir uns von der Abgeltungsteuer verabschiedeten, ein Stück Steuervollzugsgerechtigkeit abgeben. Deswegen ist die Rückkehr zur alten Rechtslage für uns derzeit nicht darstellbar.
Lassen Sie uns doch lieber gemeinsam an dem mühsamen Projekt der Bekämpfung grenzüberschreitender Steuerhinterziehung arbeiten. Lassen Sie uns gemeinsam diese Lücke bei der Steuergerechtigkeit schließen. Die OECD sieht vor, dass 2017/2018 zum ersten Mal ein automatischer Datenaustausch stattfindet. Wir werden das in diesem Parlament und vonseiten der Bundesregierung mit der entsprechenden nationalen Rechtssetzung begleiten. Das heißt, wir sind auf einem guten Weg. In absehbarer Zukunft werden wir mit der wirksamen Umsetzung des grenzüberschreitenden Informationsaustausches völlig neue Handlungsoptionen haben, um zu einer gerechten Besteuerung von Kapitalerträgen zu kommen.
Bis dahin – das will ich unterstreichen – werden wir Ihren Antrag ablehnen. Danach können wir gerne gemeinsam über eine entsprechende Lösung sprechen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Lisa Paus, Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3966121 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 57 |
Tagesordnungspunkt | Besteuerung von Kapitalerträgen |