Lisa PausDIE GRÜNEN - Besteuerung von Kapitalerträgen
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen hier über eine Steuer, die wahrscheinlich höchstens 10 Prozent der Bundesbürger wirklich kennen bzw. nachvollziehen können. Das ist das Geheimnis ihres Erfolges. Wüssten nämlich 90 Prozent der Menschen in diesem Land, worum es bei der Abgeltungsteuer eigentlich geht, dann hätten wir eine Welle der Entrüstung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Warren Buffett, der bekannte US-Milliardär, einer der reichsten Menschen in den USA, brachte es 2011 auf den Punkt: Es ist schlichtweg ungerecht, dass ich als Milliardär weniger Steuern zahle als meine Sekretärin. – Das haben vielleicht einige in Deutschland mitbekommen, es aber als typisch Amerika abgetan und gedacht, dass so etwas nur in den USA möglich ist. Aber Tatsache ist: Das, was Warren Buffett im Jahr 2011 gesagt hat, ist seit 2009 auch in Deutschland Gesetzeslage und eine Konsequenz der ersten Merkel-GroKo. Die Abgeltungsteuer gehört deswegen dringend wieder abgeschafft. Das, was Warren Buffett gesagt hat, ist wahr. Es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Es ist so aber falsch! Es ist zwischen Zinsen und Dividenden zu unterscheiden! Deshalb ist deine allgemeine Aussage falsch!)
– Du kannst ja gleich reden, Herr Binding.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Mache ich auch!)
Seit 2009 ist es so, dass Kapitaleinkommen in Deutschland niedriger besteuert wird als Arbeitseinkommen. Das heißt zum Beispiel auch, dass es, wenn man den Spitzensteuersatz in Deutschland erhöhen würde, gar nicht die Reichen in Deutschland treffen würde, weil Kapitaleinkommen nicht mehr dem Einkommensteuersatz in Deutschland unterliegt. Deswegen sage ich für uns Grüne ganz klar: Es gibt eine Steuer in Deutschland, die wir abschaffen wollen und die dringend abgeschafft gehört, und das ist die Abgeltungsteuer.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Sie ist ungerecht, und sie ist im Übrigen auch ein bürokratisches Monster. Sprechen Sie einmal mit den Steuerberaterinnen und Steuerberatern in diesem Land. Sie alle finden sie ganz furchtbar.
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Ich nicht! Sprechen Sie mit den Steuerberatern, die hier sitzen!)
Ein weiterer Grund dafür, dass sie abgeschafft gehört, ist: Kapitaleinkommen und Arbeitseinkommen müssen im Rahmen der Einkommensteuer je nach Leistungsfähigkeit gleichmäßig besteuert werden.
Jetzt sagt auch Finanzminister Schäuble: Ehrlich gesagt, auch ich finde, die ist Murks, aber wir können sie erst 2020 abschaffen – Herr Gutting, so haben auch Sie argumentiert –, weil es erst dann den automatischen Informationsaustausch gibt. Bis dahin gelte das Steinbrück’sche Wort: 25 Prozent von x ist besser als 100 Prozent von nix.
Aber der Spruch von Steinbrück war schon 2009 falsch und ist es heute noch mehr. Er war ausweislich Ihres eigenen Gesetzes schon 2009 falsch. Der Spruch besagt, dass man davon ausgeht, dass die Abgeltungsteuer zwar nicht schön ist, man hinterher aber mehr Geld einnimmt und es mehr Steuerehrlichkeit gibt. Aber ausweislich Ihres eigenen Gesetzes haben Sie schon 2009 mit Steuermindereinnahmen gerechnet, also mit weniger Geld und nicht mit mehr Geld. Das hat auch nichts mit den Zinsen zu tun. Das stand in Ihrem Gesetz. Dort stand übrigens auch, dass die Abgeltungsteuer mehr Bürokratie erzeugt und nicht weniger. Auch das Gegenteil davon haben Sie behauptet.
Die Abgeltungsteuer ist heute tatsächlich noch falscher, weil sich das Entdeckungsrisiko der Steuerhinterziehung wesentlich erhöht hat gegenüber 2009 und im Übrigen auch gegenüber 1991, als das Bundesverfassungsgericht in einem Nebensatz gesagt hat, dass man eventuell so etwas wie eine Abgeltungsteuer einführen könne. Selbst der Focus schreibt inzwischen, dass es das Bankgeheimnis in Deutschland faktisch nicht mehr gibt, weil es entsprechende Änderungen gegeben hat.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Tolle Referenz!)
Es gibt zwar noch nicht mit allen wichtigen Ländern den automatischen Informationsaustausch, aber es gibt den Informationsaustausch auf Anfrage. Es gibt CD-Ankäufe. Auch die Schweiz hat dank unserer Verhinderung des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens ihre Politik geändert.
Der Informationsaustausch wirft schon heute seine Schatten voraus bzw. zurück. Sie wie ich wissen, dass bei der Steuererklärung eine zehnjährige Verjährungsfrist gilt. Das heißt, wenn ich 2020 eine falsche Steuererklärung abgebe, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass ich auch 2019, 2018, 2017, 2016, 2015, 2014, 2013 und 2012 falsche Angaben gemacht habe. Deswegen ist es sehr wohl auch heute relevant. Die Betreffenden fangen jetzt an, darüber nachzudenken. Deswegen kann man heute die Abgeltungsteuer abschaffen. Ich sage: Man muss sie sogar abschaffen. Ich bin der Auffassung, dass man sehr gut begründen kann, warum die Abgeltungsteuer bereits heute verfassungswidrig ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Deshalb sage ich: Denken Sie noch einmal darüber nach. Herr Steinbrück selber hat ja schon gesagt, dass sie ein Fehler war. Deswegen bitte ich Sie noch einmal: Nutzen Sie die Beratungen. Bringen Sie selber Änderungen ein, damit wir die Abgeltungsteuer in dieser Legislaturperiode, möglichst noch im kommenden Jahr, tatsächlich endlich abschaffen. Eine Diskussion darüber hat es ja schon in der Koalition gegeben. Also, geben Sie sich einen Ruck, und machen Sie es auch praktisch über ein neues Gesetz.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Carsten Sieling, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3966122 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 57 |
Tagesordnungspunkt | Besteuerung von Kapitalerträgen |