Carsten SielingSPD - Besteuerung von Kapitalerträgen
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte über die Abgeltungsteuer ist so lang, wie es diese Steuer gibt. Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir hierüber aufgrund eines Antrages diskutieren. Ich glaube, diese Debatte wird geführt werden, solange es diese Abgeltungsteuer gibt.
Aber wenn sie hier berechtigt kritisiert wird, dann muss man auch daran erinnern, dass diese Steuer innerhalb des Steuersystems eigentlich ein Fremdkörper ist, dass es eine Notoperation war, als sie eingeführt wurde. Es war eine Notoperation, weil man versuchen wollte – ob das gelungen ist, ist sehr in der Diskussion –, Kapitalflucht zu begrenzen und durch Anreizsysteme zu verhindern. Nichtsdestotrotz sagen viele – das gilt weiterhin –, dass dort Elemente enthalten sind, die nicht passen. Ich will einmal den Vorsitzenden der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Herrn Eigenthaler, zitieren – das ist unbestritten ein Fachmann, der uns häufiger im Finanzausschuss bei diesen Fragen begleitet –, der sagt:
Das ist nicht falsch. Das ist völlig richtig.
Wir müssen jedoch sagen, dass wir an dieser Stelle noch nicht so weit sind. Von daher haben wir wirklich einen Auftrag. Diesen Auftrag sieht auch der Bundesfinanzminister. Ich will das ausdrücklich sagen; denn diese Koalition muss die entsprechende Sensibilität an den Tag legen. Ich habe die Ausführungen von Bundesfinanzminister Schäuble in der Haushaltsdebatte am 8. April gerne zur Kenntnis genommen:
Das ist eine richtige und wichtige Aussage; darauf muss man aufbauen.
Der Bundesfinanzminister hat ja bereits an unterschiedlichen Stellen darauf hingewiesen, dass das Ganze nicht so richtig ins System passt. Um zu zeigen, dass das eine Koalitionsmeinung ist, könnte ich jetzt auch den Vizekanzler Sigmar Gabriel zitieren, der im Mai deutlich gemacht hat, dass es natürlich nicht gerecht ist, wenn Arbeit viel stärker besteuert wird als Kapital.
Es gibt also einen breiten Konsens. Nun haben wir eine neue Lage. Die Notsituation, die 2008 noch bestanden hat und 2009 zu dieser Änderung geführt hat, ist auf dem Weg, durch den bereits angesprochenen automatischen Informationsabgleich überwunden zu werden. An dieser Stelle will ich gerne sagen, dass ich froh und dankbar bin, dass wir jetzt diesen Weg gehen. Das hat aber auch damit zu tun, dass wir in der letzten Legislaturperiode den fehlerhaften Weg des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens nicht gegangen sind, sondern dass wir eine solche Vereinbarung verhindert haben. Jetzt ist da Vernunft eingezogen. Ich höre, dass es hierzu noch in diesem Monat eine größere Konferenz geben wird, wo dies deutlich wird.
Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Von daher sollten wir im Finanzausschuss die Möglichkeit nutzen, über dieses Thema zu reden. Bevor wir dies tun, will ich aber einige Dinge klarstellen, die hier durcheinandergeraten sind. Wenn man über Alternativen und darüber redet, das Ganze in die sogenannte synthetische Einkommensbesteuerung zurückzuholen, dann muss man zwischen Zinseinkünften, Dividenden und Veräußerungsgewinnen unterscheiden. Hier scheint mir das Ganze noch etwas zu oberflächlich zu sein. Ich weise darauf hin, dass bei der Besteuerung der Zinserträge – das gilt übrigens bei allen drei Positionen – die Anrechnung von Werbungskosten nur im Rahmen des Sparerpauschbetrags möglich ist. Ein Abzug aller Kosten von den Gewinnen ist also nicht mehr möglich. So gesehen ist in die Abgeltungsteuer eine Systematik eingebaut worden, die Steuervermeidung minimiert. Damit wird man umgehen müssen.
Der Kollege Ernst hat die Einbrüche bei den Einnahmen, mit denen wir es zu tun haben, angesprochen. Natürlich sind die Vermögen gewachsen – gar keine Frage –, aber der Zinssatz ist derart eingebrochen, dass der Ertrag aus den Vermögen nicht mehr so hoch ist. Deshalb ist das Volumen der Abgeltungsteuer für Zinserträge zurückgegangen. Das ist ein Fakt. Das ist also ein Thema, mit dem man sich extra befassen muss, wenn man sich über die Wirkung noch einmal Gedanken macht.
Das zweite Thema sind die Dividendeneinkünfte. Auch hier gilt, dass nicht mehr alle Werbungskosten abzugsfähig sind. Hinzu kommt, dass das Halbeinkünfteverfahren keine Anwendung mehr findet. Man kann also nicht einfach sagen, dass die Einkünfte aus Dividenden niedriger besteuert werden. Vielmehr gibt es hier im Vergleich zur zuvor geschilderten Situation eine andere Entwicklung, weshalb wir uns damit auseinandersetzen müssen, dass man, wenn man zum vorherigen System zurückkehrt, das Halbeinkünfteverfahren nicht wieder aktivieren kann.
Auch bei den Veräußerungsgewinnen ist es so – dies gilt jedenfalls für die zukünftigen; bei denen aus der Vergangenheit sieht es anders aus –, dass die Spekulationsfrist weggefallen und damit eine stärkere Besteuerung möglich ist. Ich will mit diesen drei Punkten auf Folgendes hinweisen: Dieses Thema ist nicht sehr einfach. Von daher sollten wir an dieser Stelle die Chance nutzen, das Thema solide und systematisch anzugehen. Auch ich wünsche mir, dass wir nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten. Wenn der automatisierte Informationsaustausch kommt, dann wollen wir das Thema angehen. Dann muss man wirklich so weit sein, dass man 2017– meines Erachtens könnte man das bis 2017 schaffen – diese steuerliche Ungleichgewichtung, diese Unwucht verändern kann. Wenn man das erreichen will, muss man früh damit anfangen. Deshalb ist es gut, dass wir hier eine Beratungsmöglichkeit haben.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD)
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Philipp Graf von und zu Lerchenfeld, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3966126 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 57 |
Tagesordnungspunkt | Besteuerung von Kapitalerträgen |