09.10.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 57 / Tagesordnungspunkt 10

- Besteuerung von Kapitalerträgen

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Herr Präsident! Hohes Haus! Lieber Kollege Ernst, ich bin immer wieder begeistert davon, wie Sie vor Tatsachen einfach die Augen verschließen können. Es ist ja nicht so – der Kollege Sieling hat es gerade sehr deutlich erklärt –, dass die Vermögen heute noch genauso hoch verzinst werden, wie das früher der Fall war. Nein, die Zinsen sind dramatisch gesunken. Infolgedessen ist natürlich auch das Aufkommen aus dieser Steuer zurückgegangen.

Liebe Kollegin Paus, wenn Sie erklären, dass Sie mit Steuerberatern sprechen, dann sage ich Ihnen: Hier sitzen, soweit ich sehe, vier, mit denen Sie gut sprechen könnten. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das täten. Kommen Sie doch einfach einmal auf uns zu. Dann können wir die Dinge fachlich und in Ruhe sehr gut besprechen.

Ihr Antrag, liebe Kollegen von den Linken,

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Ist sehr gut!)

ist im Grunde genommen von der Steuersystematik her durchaus hervorragend. Letztendlich ist die pauschale Abgeltungsteuer ein Systembruch in unserem wirklich sehr komplizierten Einkommensteuerrecht. Wenn man jetzt aber steuersystematisch diskutiert, dann sind vielleicht auch andere Fragen erlaubt: Ist es denn steuersystematisch zweifelsfrei, Kapitaleinkünfte überhaupt zu besteuern und, wenn ja, in welcher Höhe? Das Kapital, das die Grundlage dieser Einkünfte darstellt, stammt letztlich aus Einkünften, die schon einmal versteuert worden sind. Derjenige, der durch einen entsprechenden Konsumverzicht Kapital angehäuft oder angesammelt hat,

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Millionäre, Milliardäre und Konsumverzicht?)

wird durch diese Mehrfachbelastung eventuell steuerlich schlechter gestellt als derjenige, der sein ganzes Einkommen konsumiert und keine Rücklagen bildet.

Ich fordere jetzt nicht die Abschaffung der Besteuerung von Kapitaleinkünften. Das wäre sicherlich falsch.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Konsequent wäre das!)

Aber man muss in der Steuersystematik auch solche Fragen angehen. Außerdem glaube ich, dass wir im Moment auf die Einnahmen aus dieser Steuer gar nicht verzichten können.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Die konsumverzichtenden Millionäre!)

Ich will auch nicht so weit gehen wie viele ernstzunehmende Wissenschaftler, die genau diese vollständige Abschaffung der Besteuerung von Kapitaleinkünften fordern, mit einer Begründung, die durchaus nachvollziehbar ist. Sie argumentieren, dass durch diese Besteuerung die Kapitalkosten insgesamt in die Höhe getrieben werden; denn wenn die Zinserträge versteuert werden müssen, dann müssen die Erträge aus einer Kapitalanlage den Sparer nicht nur für den Konsumverzicht entschädigen, sondern auch die Bezahlung dieser Steuer ermöglichen, also steigen die Kapitalkosten.

Der Ökonom Manfred Rose hat dazu in seinem Aufsatz „Reform der öffentlichen Finanzen zur Stärkung der Standortqualität“ ausgeführt, dass das Sparen für die Zukunft gegenüber dem Konsum in der Gegenwart diskriminiert wird. Das gilt heute natürlich umso mehr, weil die niedrigen Zinsen, die man zurzeit erzielen kann, in Bezug auf das Anlagekapital der Sparer unter Berücksichtigung der Inflationsrate real zu einem tatsächlichen Werteverzehr führt.

(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu viel Konsum ist aber im Moment nicht das Problem in Deutschland, würde ich sagen!)

Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage des Kollegen Ernst. Mögen Sie diese zulassen?

Mit Freude.

Mit Freude. – Herr Kollege Ernst, bitte schön.

Herr Graf Lerchenfeld, ich habe aufmerksam Ihren Ausführungen gelauscht. Sie haben gesagt, die Zinsen seien gesunken. Können Sie mir dann erklären, warum allenthalben, in jeder Statistik, nachzulesen ist, dass trotzdem die Geldvermögen insbesondere der ganz besonders reichen Menschen in unserem Lande massiv zugenommen haben? Offensichtlich haben sie sich den Zinsen, die Sie angesprochen haben, entziehen können. Sonst wäre das Vermögen schließlich nicht in dieser Weise gewachsen.

Zweitens. Ihren Ausführungen entnehme ich auch, dass Sie es prinzipiell für richtig halten, dass Kapital geringer besteuert wird, und es sich nicht um eine Notsituation handelt, in der dies gemacht wurde, sondern dass es eine prinzipielle Frage ist, ob versteuertes Einkommen noch einmal zu versteuern ist.

Wollen Sie mir zustimmen, dass es dann auch eine Lösung wäre, Schwarzarbeit, die in diesem Lande wirklich keiner will, dadurch zu verringern, dass man sagt: Schwarzarbeiter zahlen nur den halben Steuersatz und den halben Satz ihrer Sozialversicherungsbeiträge. – Das wäre dann auch ein Anreiz für sie, sich nicht mehr der Steuerzahlung zu entziehen, sondern sich geradezu freudig an den Fiskus zu wenden und zu sagen: Ich bin Schwarzarbeiter und möchte jetzt nur den halben Steuersatz zahlen. – Das wäre doch genau dasselbe wie bei denen, die Kapitaleinkünfte haben und sie nicht ordentlich versteuern.

Wenn wir aber ein Gesetz haben, nach dem Kapitaleinkünfte zu besteuern sind, wäre es dann nicht sinnvoller, noch stärker die Voraussetzungen dafür zu schaffen – wie es manche Vorredner schon gesagt haben –, dass wir an die entsprechenden Daten herankommen – was teilweise inzwischen schon der Fall ist; viele zeigen sich selber an, weil sie Angst haben, erwischt zu werden –, um zu einer vernünftigen und gerechten Besteuerung aller zu kommen statt vor allem zur Besteuerung des Arbeitnehmers, der seine Steuer gleich vom Lohn abgezogen bekommt? Er sieht das Geld erst gar nicht, im Gegensatz zu dem, der seine Kapitaleinkünfte selber versteuert.

Lieber Kollege Ernst, dass die Vermögen angestiegen sind, liegt sicherlich nicht daran, dass die Zinsen gesunken sind – das können sogar Sie in jeder Zeitung lesen –, sondern es liegt teilweise daran, dass andere Einkünfte erzielt worden sind. Dem müsste man vielleicht statistisch noch einmal nachgehen.

Außerdem denke ich, Sie haben mich nicht ganz verstanden. Ich habe nicht gesagt, dass ich die Kapitalertragsteuer abschaffen will, sondern ich habe nur gesagt: Ich will die Sache systematisch zu Ende denken. Ich bin davon überzeugt, dass die Kapitalertragsteuer richtig ist. Ich bin auch dafür, dass sie gerecht ausgestaltet werden muss. Wenn wir die Abgeltungsteuer mit einem systematischen Fragezeichen hinterlegen, führt das natürlich auch dazu, dass man andere Fragen stellen muss.

Was die Schwarzarbeit angeht, fehlt mir ein bisschen das Verständnis. Denn letztendlich ist das angesparte Vermögen – das habe ich ausgeführt – schon einmal aus versteuertem Einkommen bzw. aus Konsumverzicht erzielt worden,

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Konsumverzicht bei den Millionären und Milliardären?)

sodass jetzt bei den Zinsen eine Mehrfachbesteuerung erfolgt. Schwarzarbeit wird, glaube ich, nicht mehrfach besteuert.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Aber der Anreiz ist doch derselbe!)

– Der Anreiz spielt in diesem Fall keine Rolle, sondern es geht darum, dass man sich grundsätzlich überlegt, ob man angespartes Kapital tatsächlich noch einmal und damit mehrfach besteuern soll.

Es gibt noch den Wunsch der Kollegin Paus nach einer Zwischenfrage bzw. Zwischenbemerkung.

Gerne.

Bitte schön, Frau Kollegin.

Ich bin ja froh, wenn die Kollegin uns Steuerberater jetzt befragt.

Es muss nicht alles öffentlich stattfinden, aber das können wir jetzt machen.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ist Steuerberatung jetzt hier überhaupt erlaubt? – Heiterkeit)

Genau. Das ist eigentlich nicht erlaubt, Herr Graf Lerchenfeld. Sie können aber sichergehen, dass ich mit zahlreichen Steuerberatern neben meinem eigenen in engem Kontakt stehe. Sie wissen auch, dass ich ein gutes Verhältnis zu Ihren Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion pflege. Wir haben aber auch genug andere Dinge zu tun, sodass wir nicht immer völlig überblicken, was in der Praxis abgeht. Wenn Sie ein bisschen ehrlich zu sich selber sind, dann würden Sie das auch bestätigen.

Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil Sie das neue Ungerechtigkeitsproblem angesprochen haben, dass die Ersparnisse sozusagen gegenüber dem Konsum benachteiligt seien. Das stimmt nicht. Wir müssen beides ganz normal der Einkommensteuer unterwerfen. Dann würde sich die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit richten. Das ist das Einzige, was ich möchte: die gerechte und gleiche Besteuerung von Kapital und Arbeit.

Aber selbst wenn ich Ihren Gedanken verfolge, dass man das Kapital zusätzlich privilegieren müsste, muss ich Sie fragen: Ist das das aktuelle Problem in Deutschland? Wenn Sie recht hätten und daraus Verhalten folgen würde, dann hätten wir zu viel Konsum in Deutschland. Wenn man sich die Wirtschaftszahlen in Deutschland anschaut, dann stellt man fest, dass das nicht unser Problem ist. Im Gegenteil: Wir haben eine massive Investitionsschwäche. Sie lesen offenbar ebenfalls Zeitung – darauf haben Sie mehrfach hingewiesen – und haben sicherlich festgestellt, dass wir Einbrüche zu verzeichnen haben und dass es ganze Sektoren in Deutschland gibt, die nicht mehr investieren, weil sie die Märkte nicht sehen, auf denen sie ihre Produkte verkaufen können. Glauben Sie wirklich, dass das Problem in Deutschland ein zu hoher Konsum ist?

Das Problem in Deutschland ist sicherlich nicht ein zu hoher Konsum. Im Gegenteil: Man hat gerade in den letzten Jahren deutlich gemerkt, dass sehr viele Leute aufgrund der zurückgehenden Zinsen investiert haben, zum Beispiel in ihre Häuser. So wurden neue Fenster eingebaut und die Wärmedämmung verbessert. Das ist ein ganz vernünftiges ökonomisches Verhalten. Auf diese Art und Weise hat die Binnenkonjunktur unseren Wirtschaftsaufschwung von innen her einigermaßen gestützt. Ich habe nur gesagt: Wenn wir systematisch denken, dann müssen wir bis zum Ende denken.

Ich bin nicht der Meinung – das habe ich mehrfach betont –, dass die Abgeltungsteuer unbedingt beibehalten werden muss. Natürlich müssen Kapitalerträge besteuert werden; das ist gar keine Frage. Aber wir müssen bedenken: Durch die Abgeltungsteuer ist eine Vielzahl von Sparern in die Steuerehrlichkeit zurückgeführt worden. Wie viele Leute haben gar nicht gewusst, dass sie ihre Kapitaleinkünfte tatsächlich versteuern müssen? Wie viele kleine Sparer haben gedacht, dass sie das nicht tun müssen? Durch die Abgeltungsteuer ist gerade unter dem Gesichtspunkt der Steuerhinterziehung mehr Steuerehrlichkeit erreicht worden.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Es gab viele, die gar nicht gewusst haben, dass sie Steuern zahlen müssen!)

– Richtig, es gab viele, die gar nicht gewusst haben, dass sie Steuern zahlen müssen.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Uli Hoeneß!)

– Uli Hoeneß hat es sicherlich gewusst und hat den falschen Weg gewählt.

(Zurufe von der SPD: Den falschen Steuerberater!)

– Er hat keinen Steuerberater genommen, sondern er hat sich einen ausgeschiedenen Finanzbeamten geholt, der ihn beraten hat.

(Heiterkeit)

Ich glaube, dass wir auf diese einfache Form der Steuerzahlung schon allein deshalb nicht verzichten können, weil es – das haben meine Vorredner schon deutlich ausgeführt – kein umfassendes Informationsaustauschsystem gibt, das uns tatsächlich in die Lage versetzt, alle Kapitaleinkünfte zu erfassen und entsprechend zu besteuern. Die Abgeltungsteuer stellt sicherlich eine Vereinfachung im bürokratischen Bereich dar. Aber wir müssen uns in den nächsten Jahren mit der Abgeltungssteuer intensiv befassen; denn wenn das Informationsaustauschsystem deutlich verbessert wird – das wird es ganz bestimmt –, dann wird es uns in die Lage versetzen, hier eine entsprechende Besteuerung durchzuführen. Die Bundesregierung bemüht sich seit geraumer Zeit, hierfür die Voraussetzungen zu schaffen. In Australien wurde beim Gipfel der Finanzminister der G 20 ein großer Schritt nach vorne gemacht. Für diese Bemühungen gilt unser Dank dem Bundesfinanzminister und allen Mitarbeitern seines Hauses.

Wenn die Voraussetzungen tatsächlich geschaffen sind, müssen wir darüber nachdenken – ich bin dem Kollegen Sieling sehr dankbar, dass er die Kompliziertheit der Materie deutlich gemacht hat –, wie wir in Zukunft die Kapitaleinkünfte gerecht besteuern. Ich glaube, dass wir hier noch einen weiten Weg vor uns haben. Wir werden uns damit in den nächsten Jahren intensiv befassen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Als letztem Redner in der Aussprache erteile ich das Wort dem Abgeordneten Lothar Binding, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3966161
Wahlperiode 18
Sitzung 57
Tagesordnungspunkt Besteuerung von Kapitalerträgen
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