09.10.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 57 / Tagesordnungspunkt 12

Ute BertramCDU/CSU - Psychiatrisches Entgeltsystem

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute rufen wir wieder das Thema PEPP, also das pauschalierende Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik auf. Aber das Thema hat sich verändert. Der Bundestag hat durch das GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz die gestaffelten Einführungsfristen um jeweils zwei Jahre verlängert. Damit wird PEPP mehr Zeit gegeben, um den hohen Ansprüchen, die wir an das neue Vergütungssystem stellen, besser gerecht werden zu können. Die Koalition ist nicht mit der Brechstange gekommen. Wir setzen damit bewusst ein Zeichen, um konstruktiver Kritik entgegenzukommen und den optierenden Einrichtungen mehr Zeit zu geben, auf die Ausgestaltung des PEPP Einfluss zu nehmen. Allen Beteiligten ist mittlerweile bewusst: Wer sich PEPP verweigert, nimmt auf das neue Entgeltsystem keinen Einfluss.

Das lernende System PEPP konnte in den letzten Monaten, seit März, respektabel weiterentwickelt werden. Anfang September hat das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, das InEK, die mittlerweile dritte Version des Entgeltkatalogs für PEPP vorgestellt. Der GKV- Spitzenverband, der Verband der Privaten Krankenversicherung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft haben sich Ende des letzten Monats hierauf verständigt.

Für 2015 haben wir nun folgendes Bild: Grundlage für die Kalkulation 2015 sind die Kalkulationsdaten von 85 Einrichtungen mit über 205 000 vollstationären und teilstationären Fällen. Das entspricht einer Steigerung von rund 22 Prozent. Der Umfang der Kalkulationsdaten hat auch in der Psychosomatik zugenommen.

Die Vergütungssystematik wird grundlegend verändert. Neu ist die Einbeziehung des Entlassungstages in die Kalkulation und die Abrechnung der Entgelte. Die Differenzierung innerhalb von PEPP erfolgt nun nicht mehr durch Vergütungsstufen, sondern durch eine einheitliche Vergütung je Tag in Abhängigkeit von der Anzahl der Berechnungstage. Außerdem werden ergänzende Tagesentgelte als neue Vergütungselemente eingeführt. Damit kann wechselnder Behandlungsaufwand im Verlauf einer Behandlung berücksichtigt werden. Ich denke, dies alles kann als Zwischenstation durchaus positiv bewertet werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ein sensibler Punkt im Zusammenhang mit PEPP ist die Beendigung der Geltungsdauer der Psychiatrie-Personalverordnung zum 1. Januar 2019. Das ist mir sehr bewusst. Die Vertragsparteien zum Krankenhausfinanzierungsgesetz haben bislang die Maßstäbe und Grundsätze dieser Personalverordnung bei der Vereinbarung des Budgets und der Pflegesätze zugrunde zu legen. Nun tritt diese Psych-PV zu dem Zeitpunkt außer Kraft, zu dem die Konvergenzphase des PEPP einsetzt. Hier wird nun befürchtet, dass damit ein Einfallstor zum Personalabbau geschaffen wird.

Nach § 137 Absatz 1 c im SGB V ist dem Gemeinsamen Bundesausschuss die Aufgabe übertragen worden – ich zitiere – „Empfehlungen für die Ausstattung der stationären Einrichtungen mit dem für die Behandlung erforderlichen therapeutischen Personal“ zu beschließen. Diese Befugnis des G-BA tritt damit an die Stelle der Psych-PV, die übrigens auch keine Personalsicherung darstellt, sondern nur der Budgetfestlegung dient. Mit Interesse haben wir auch den Hinweis des G-BA in der Sachverständigenanhörung im Gesundheitsausschuss am 7. Mai dieses Jahres aufgenommen, der Nachfolgeregelung der Psych-PV mehr Verbindlichkeit als nur einen Empfehlungscharakter zukommen zu lassen. Das wollen wir offen prüfen.

Freilich heißt das noch nicht, dass ansonsten die Kritik an PEPP erloschen wäre. Nach wie vor werden Thesen vertreten, die gerade nicht überzeugen. Gelegentlich – wer weiß, vielleicht auch noch heute hier im Plenum – ist noch zu hören, mit den degressiven Tagessätzen würden Fehlanreize gesetzt, die dazu führen, dass Patienten aus ökonomischen Motiven heraus zu früh aus dem Krankenhaus entlassen werden. Die Tagessätze bilden die durchschnittlichen Behandlungskosten pro Patient ab. Dass sie hierbei einen degressiven Verlauf haben, entspricht dem tatsächlichen Verlauf der Kostenentstehung.

Zu einer Unterversorgung wird es dadurch nicht kommen. Eher das Gegenteil ist der Fall: Würden Psych-Einrichtungen Patienten zu früh entlassen, würden sie auf zusätzliche Erlöse verzichten. Das Szenario, ein Patient werde zu früh aus dem Krankenhaus entlassen, tritt allenfalls dann ein, wenn die Aufnahmekapazität einer Einrichtung nicht ausreicht und dem akuteren Fall gegenüber dem weniger akuten Fall Vorrang eingeräumt werden muss. Ich möchte denjenigen sehen, der dann anders entscheidet. Vor allem aber ist es nicht das Thema von PEPP, sondern der gesamten psychiatrischen und psychosomatischen Versorgungssituation einschließlich der ambulanten Versorgung, die Vorrang gegenüber der stationären Versorgung hat.

Mit PEPP wird häufig die Forderung verknüpft, dass eine Verzahnung mit der ambulanten Versorgung sichergestellt werden muss. Keine Frage: Die Schnittstellenproblematik zwischen der stationären und der ambulanten Versorgung kann PEPP ebenso wenig lösen wie das jetzige Vergütungssystem. Schließlich geht es hier ja nur um ein Vergütungssystem von Krankenhäusern der Psychiatrie und der Psychosomatik.

Ich finde es merkwürdig; denn nach § 140 a SGB V können Verträge für eine übergreifende Versorgung zwischen Krankenkassen und den Leistungserbringern längst geschlossen werden. Diese Vorschrift besteht seit Dezember 1999, also seit rund 15 Jahren. Seit Juli 2012 wird diese Vorschrift durch § 64 b SGB V flankiert, wonach eine sektorenübergreifende Leistungserbringung auch Gegenstand von Modellvorhaben sein kann. Unabhängig davon, was immer dazu geführt haben mag, dass eine solche Leistungserbringung noch nicht über örtliche und regionale Insellösungen hinaus entwickelt worden ist, sehe ich hier die Partner im Gesundheitswesen in der Pflicht. Ihnen kommt die Aufgabe zu, Parameter für eine integrierte Versorgung zu entwickeln, die möglichst flächendeckend anwendbar sind.

Und es ist nicht sachgerecht, PEPP mit der Frage sektorenübergreifender Leistungserbringung zu befrachten. Dennoch will ich den Akteuren ein wenig auf die Sprünge helfen. Ziel soll ja sein, die Durchlässigkeit zwischen stationärer und ambulanter Versorgung flächendeckend einzuführen. Wegen des Grundsatzes „ambulant vor stationär“ heißt dies, dass ganz überwiegend eine Überleitung von der stationären Versorgung hin zur ambulanten Versorgung stattfinden muss. Zwar ist das auch umgekehrt zu betrachten, aber nicht vorrangig.

Weiterhin muss der Grundsatz berücksichtigt werden, dass gerade im Bereich der Psychiatrie und der Psychosomatik ein ganz besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Therapeuten bestehen muss. Das heißt, ein Wechsel in der Person des Therapeuten ist immer heikel und sollte möglichst vermieden werden.

Zu beachten ist ferner, dass der stationäre Sektor mit angestelltem Personal arbeitet, während der ambulante Sektor freiberuflich geprägt ist. Was folgt hieraus? Wie können diese Feststellungen rechtlich und organisatorisch umgesetzt werden? Hierzu rege ich folgenden Vorschlag zur Prüfung an: Stationäre Einrichtungen besetzen den erkannten Personalbedarf im Bereich der Psychotherapeuten mit eigenem Personal nicht zu 100 Prozent, sondern beispielsweise zu 85 oder 90 Prozent. Der ungedeckte Personalbedarf, der Rest, wird zu den Honorarkonditionen der freiberuflichen Therapeuten eingekauft. So könnte eine sektorenübergreifende Versorgung durch Überlappung gelingen. Aus dem somatischen Bereich kennen wir dies bereits unter dem Stichwort „Belegärzte“. Bedenkenträger werden jetzt einwenden, dass dieser Vorschlag mit multiprofessioneller Hilfe nicht in Einklang zu bringen ist. Denen antworte ich: Das mag ja sein, aber gerade dieser Patientenkreis, der solche multiprofessionelle Hilfe benötigt, ist nicht derjenige, der ambulant weiterbehandelt werden kann.

Um aber auf das ursprüngliche Thema zurückzukehren: PEPP kann für eine Einführung der sektorenübergreifenden Versorgung zwar nicht der Problemlöser sein, er steht ihr aber auch nicht im Wege.

Nach allem bleibt festzustellen: Der heute zur Abstimmung anstehende Antrag verkennt die Chancen, die PEPP bietet, und es entspricht einfach nicht dem aktuellen Stand des neuen Vergütungssystems. Die Karawane ist einfach weitergezogen. Da bleibt nur noch Ablehnung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten Harald Weinberg, Fraktion Die Linke, das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3966266
Wahlperiode 18
Sitzung 57
Tagesordnungspunkt Psychiatrisches Entgeltsystem
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