09.10.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 57 / Tagesordnungspunkt 14 + ZP 5

Peter SteinCDU/CSU - Hungerbekämpfung

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „ Eine Welt ohne Hunger“ ist die aus meiner Sicht wichtigste Sonderinitiative des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung für diese Legislatur. Alleine das zeigt schon, wie unnötig dieser Antrag zu diesem Zeitpunkt ist.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, na, na!)

Minister Gerd Müller hat regelmäßig und persönlich diesen Schwerpunkt herausgearbeitet und betont, wie sehr ihm das eine Herzensangelegenheit ist. Ich darf auch einen seiner Staatssekretäre zitieren, der den Hunger auf der Welt als die größte Menschenrechtsverletzung bezeichnete. Dem füge ich nichts hinzu. Ich sage Ihnen: Die CDU/CSU-Fraktion steht geschlossen hinter dieser fokussierten Ausrichtung auf die Reduzierung des Hungers und die Mangel- und Unterernährung.

(Beifall bei der CDU/CSU – Niema Movassat [DIE LINKE]: Dann können Sie unserem Antrag ja zustimmen!)

„Hunger bekämpfen, Recht auf Nahrung stärken“ haben Sie Ihren Antrag genannt. Allein dieser Titel bleibt weit hinter unseren Zielstellungen, unseren Sonderinitiativen und der Arbeit der vergangenen Jahre zurück. Wichtig ist dabei, klarzustellen, dass es viele unterschiedliche Ursachen für Hunger gibt: Trockenheit, Wassermisswirtschaft, fehlende Arbeitskräfte auf dem Land, Bürgerkriege, Naturkatastrophen,

(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Korruption!)

mangelnde Infrastruktur, fehlende Ausbildung, schlechtes Saatgut und Düngemittel, fehlendes Kapital, Streit um Bodenrechte,

(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Kommunismus!)

Piratenfischerei und auch ungerechte Vergabe von Fischereirechten, um nur einige Faktoren zu nennen. Aber auch die teils übermächtige Konkurrenz der Industrieländer und in einzelnen Staaten auch Landgrabbing können eine Ursache sein; das will ich gar nicht verschweigen.

Wegen all dieser verschiedenen Gründe muss es auch verschiedene Lösungsansätze geben. In Asien und Lateinamerika wurden auf dem Gebiet der Hungerbekämpfung große Fortschritte gemacht. Das ist bereits ein Erfolg der globalen Zusammenarbeit. In vielen Regionen Afrikas dagegen ist die Versorgung der Bevölkerung selbst mit den einfachsten Grundnahrungsmitteln immer noch nicht möglich und gegeben. Wir teilen bis dahin Ihre Feststellung, dass Hunger weiterhin das größte Gesundheitsrisiko weltweit ist. Ich denke, in der Situationsbeschreibung – darüber haben wir uns im Ausschuss schon öfter ausgetauscht – und in Ihrem ersten Ansatz sind wir uns einig.

Leider fallen Sie im weiteren Verlauf Ihres Antrags wieder in die stereotypen Feindbilder zurück und zeichnen die Welt in Schwarz und Weiß:

(Beifall bei der CDU/CSU)

auf der einen Seite das Ideal des ökologischen Kleinbauern, der mit dem Ochsenpflug arbeitet

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht einmal! Der Kleinbauer in Afrika hat keinen Ochsen!)

und dabei das Saatgut verwendet, das seine Vorfahren über Jahrhunderte selbst immer wieder vermehrt haben – was ein Teil des Problems ist –, und auf der anderen Seite der reiche Westen mit seinen multinationalen Konzernen, deren Ziel nur Profit und in der Zukunft die Abhängigkeit der Bauern ist.

Meine Damen und Herren, es hat nichts, auch wirklich gar nichts mit fehlendem Enthusiasmus und Engagement für entwicklungspolitische Belange zu tun, wenn man erkennt und akzeptiert, dass die Realität vielschichtiger ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit muss immer auch mit den Rahmenbedingungen umgehen, die vor Ort geboten sind. Zu helfen und zu verbessern, ist daher auch eine Aufgabe. Die Entwicklungszusammenarbeit, die am Ende gezielt hilft und den Menschen vor Ort und der Regierung ihrer souveränen Staaten wesentliche Entscheidungen weitgehend selbst überlässt, ist eine gute Zusammenarbeit. Genau das tun wir als CDU/CSU-Fraktion zusammen mit unseren Kollegen der SPD. Sie schreiben es selber in Ihrem Antrag: Die Bundesregierung hat den Kampf gegen Hunger zum Schwerpunkt gemacht.

Im Haushalt 2014 wird über die gesamte Legislaturperiode ein deutlicher Akzent auf diesen Sektor gesetzt. Dabei wird in der Sonderinitiative „Eine Welt ohne Hunger“ mindestens 1 Milliarde Euro pro Jahr auf diesem Gebiet eingesetzt. Der Schwerpunkt des Engagements ist dabei Afrika – eine zweite Sonderinitiative.

Wir sind der Überzeugung, dass wir in der Zusammenarbeit privatwirtschaftliches Engagement in den Zielländern brauchen, weil wir ohne privates Engagement den weltweiten Kampf gegen Hunger und Mangelernährung nicht gewinnen können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Man erhält dadurch einen größeren finanziellen Spielraum; bei der GFP beispielsweise erhöht er sich ungefähr im Verhältnis eins zu sechs. In diesem Kontext stehen wir als Fraktion zu unserem Engagement im Rahmen der German Food Partnership, aber auch der Alliance und des World Food Programme der Vereinten Nationen.

Geld ist nicht der einzige Grund. Es braucht Wissenschaft und Forschung. Es braucht Entwicklung und Bildung. Es braucht Infrastruktur und Material, und es braucht auch Einkommen, beispielsweise in den Städten, damit die Menschen dort die Lebensmittel überhaupt bezahlen können. Alle zuletzt genannten Beiträge können im Wesentlichen nur aus der Wirtschaft geliefert werden. Deshalb ist die Zusammenarbeit in diesem Bereich unbedingt notwendig.

Weil wir uns Regeln geben, gerade auch über die GFP, stellen wir mit diesem Ansatz die deutsche Entwicklungszusammenarbeit nicht hinter deutschen Wirtschaftsinteressen zurück, sondern wir binden diese ein. Wir nehmen das Know-how und die Produkte deutscher Unternehmen sehr gerne mit, weil sie gut sind.

Darüber hinaus geht es in den Partnerschaften im Wesentlichen um die Vermittlung von Wissen. Die Mitarbeiter der GIZ sind maßgeblich daran beteiligt und erst in zweiter Reihe Mitarbeiter von Unternehmen. Die Expertise – das ist ganz klar geregelt – ist zu wenigstens 70 Prozent von Mitarbeitern der GIZ zu liefern. Der Vorwurf, mit diesem Ansatz würden regionale Besonderheiten ignoriert, ist aus meiner Sicht unverständlich, weil das gesamte Wissen, das die GIZ in den Veranstaltungen vermittelt, gerade in den lokalen Kontext und in bereits bestehende Entwicklungsstrategien in den Ländern und Projekten eingebettet wird.

Die GFP ist zudem noch ein recht junges Programm. Um auch dort im weiteren Prozess noch voneinander zu lernen, ist es aus unserer Sicht unverständlich, warum Sie es stoppen wollen. Sie wollen evaluieren. Wie wollen Sie das tun, wenn Sie es vorher gestoppt haben? Wir sind gerade ein Jahr dabei, und ich glaube, es ist wichtig, diesen Weg erst einmal weiterzugehen. Ich bin davon überzeugt: Wir werden gute Ergebnisse bekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es geht, wie gesagt, in weiten Teilen um grundlegendes agrarisches Wissen wie effektiver Wassergebrauch, sinnvolle Fruchtfolge, nachhaltiger Einsatz von Düngemitteln, die Anpassung an Klimabedingungen usw. Die Menschen allein nach der Idealvorstellung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft zu versorgen, wird sie nicht auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten. Denn auch in Afrika und Asien ist die Globalisierung angekommen, auch auf dem Land. Selbst die europäischen Bio-Kleinbetriebe, die sicherlich gute Vorbilder sein können, weisen jedoch Betriebsstrukturen auf, die sich mit denen in Afrika niemals vergleichen lassen werden. Das kann man nicht exportieren. Wir müssen die Landwirtschaft in Afrika mit eigenen Formen in der Entwicklung voranbringen. Dazu brauchen sie – das bieten wir ihnen an – unsere Hilfe und Unterstützung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Agrarmarktspekulationen – das hatten Sie angesprochen – und großflächige Landnahme sind in den letzten Jahren tatsächlich stark in die öffentliche Kritik geraten. Das war auch wichtig. Aber gerade das Handeln Deutschlands in diesen subjektiven Kontext zu stellen, ist unredlich. Ich zitiere aus Ihrem Antrag:

Das schreiben Sie. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, das ist starker Tobak. Ich warne davor, hier Ihre sehr spezielle Wahrnehmung zum Gegenstand von Bundesanträgen in diesem öffentlichen Raum zu machen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Niema Movassat [DIE LINKE]: Lesen Sie die Berichte, die es dazu gibt!)

Die Rahmenbedingungen sind bei weitem nicht in allen Zielländern die gleichen. Vielerorts herrschen, was die Landtitel angeht, chaotische Zustände. Damit muss man arbeiten, wenn man dort weiterhin engagiert sein möchte. Die Alternative wäre, mit solchen Ländern überhaupt nicht mehr zusammenzuarbeiten. Das kann nicht unser Ziel sein. Ich behaupte: Keine internationale Einrichtung der Entwicklungszusammenarbeit arbeitet vor diesem Hintergrund so sorgfältig und überprüft wie die DEG; das wissen Sie.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte auf die von Ihnen angesprochene Infrastruktur zurückkommen. Hier rennen Sie – ich bin Planer von Beruf – offene Türen ein. Wegen der Kürze der Zeit kann ich darauf in dieser Debatte nicht ausführlicher eingehen. Wir werden sicherlich noch ausreichend Gelegenheit haben, darüber zu diskutieren.

Wir dürfen keine Lösung von vornherein ausschließen und müssen die notwendigen Entscheidungen den Menschen und den Regierungen vor Ort überlassen. Wir als CDU/CSU-Fraktion bemühen uns um ein differenziertes Weltbild in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Alternativlose Fundamentalkritik an bestehenden Mechanismen führt nirgendwohin und hilft den Menschen vor Ort nicht wirklich weiter.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen wir mit Blick auf die Sonderinitiative im Kampf gegen den Hunger nicht locker. Es ist gut, dass dieses Thema immer wieder oben auf der Agenda steht. Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung im nächsten Jahr in Paris gerade hierzu starke Beiträge liefern wird. Die Koalition ist engagiert bei der Sache. Pro Jahr 1 Milliarde Euro für den Sektor Ernährung und Hungerbekämpfung sind keine Erdnüsse, sondern richtig viel Substanz. Das ist so viel wie nie zuvor. Wir nehmen die Herausforderung an. Dank der Haushälter ist seit gestern Fakt, dass das so kommen wird. Wir verstehen die nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit als das wichtigste globale und außenpolitische Wirkungsfeld für die nächsten Jahrzehnte.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Der Kollege Uwe Kekeritz hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3966425
Wahlperiode 18
Sitzung 57
Tagesordnungspunkt Hungerbekämpfung
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