Peter MeiwaldDIE GRÜNEN - Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer kann etwas gegen die Umstellung der Biokraftstoffquote auf Treibhausgasemissionen haben? Niemand. Aber man muss nicht glauben, dass hierdurch Klimaschutz im Verkehr tatsächlich verwirklicht wird. Dazu, wie man Klimaschutz im Verkehr umsetzen kann, sage ich nachher noch etwas.
Durch eine Bemessung anhand der Treibhausgaseffekte sollen zukünftig Anreize zur Dekarbonisierung fossiler Kraftstoffe und ein echter Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden. Das haben wir gerade vom Kollegen Möring noch einmal gut erklärt bekommen. Doch genau hier springt Ihr heute vorgelegter Gesetzentwurf leider immer noch zu kurz. Biosprit, insbesondere der der ersten Generation, wird nämlich trotzdem im Rahmen der Treibhausgasquote mit null bilanziert. Auch bei dieser Novelle ist es nämlich möglicherweise bewusst versäumt worden, die sogenannten ILUC-Faktoren, Indirect Land Use Change – Kollege Lenkert hat es gerade implizit mit eingebracht –, bei der Treibhausgasbilanzierung von Biokraftstoffen zu berücksichtigen. Das ist leider nicht geschehen.
Werden indirekte Effekte, angefangen bei der Landvertreibung bis zum Anbau von Reis auf ehemaligen Waldflächen, in die Bilanzierung mit einbezogen, leistet Agrosprit der ersten Generation kaum einen Beitrag zur Verbesserung der Klimabilanz.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Nach Berechnungen der Europäischen Kommission aus 2012 – das ist ja noch nicht so lange her – kann Ethanol aus nachwachsenden Rohstoffen immerhin zu etwa 50 Prozent Treibhausgaseinsparungen führen. Biodiesel dagegen, egal ob aus Rapsöl oder dem oftmals verteufelten Palmöl, kommt bei der Treibhausgasbilanz insgesamt schlechter weg, als wenn man fossile Rohstoffe verbrennt. Das beruht auf Zahlen, die die OECD vorgelegt hat.
Diese verheerende Bilanz bei der Beimischung zum Kraftstoff weiterhin zu akzeptieren, ist ein schwerer Geburtsfehler dieser Novelle.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Im Änderungsantrag der Koalition verweisen Sie zwar auf anerkannte Zertifizierungssysteme. Diese beziehen Sie aber nur auf die Herstellungskette und leider nicht auf die ILUC-Einberechnung. Ich fordere daher die Bundesregierung dringend auf, das Ganze in kurzer Zeit weiterzuentwickeln und die ILUC-Faktoren in die Treibhausgasbilanzierung der Biokraftstoffe verbindlich einzubeziehen. Das ist die Grundlage für eine ehrliche Treibhausgasbilanzierung.
Wie kann also die auch von uns Grünen erwünschte Treibhausgasminderung im Mobilitätssektor gelingen? Eine THG-Minderungsquote kann dabei nur ein kleiner Baustein sein. Es geht erst einmal darum, Nutzungskonkurrenzen zu vermeiden; denn diese führen ja neben der Verschlechterung der Treibhausgasbilanz auch zu ansteigenden Nahrungsmittelpreisen. Die OECD geht für 2017 von einer Bandbreite von 6 bis 15 Prozent aus. Die Auswirkungen von Landvertreibungen haben wir erst im Sommer auf einer Ausschussreise nach Kolumbien wieder miterleben müssen. Auch die Gefahren für die Biodiversität sind natürlich nicht zu leugnen: Sumatra-Tiger, Sumatra-Nashörner und Orang-Utans sind vom Aussterben mittlerweile massiv bedroht.
Also müssen wir uns bei der Nutzung von Biomasse auf die Kaskadennutzung konzentrieren. Dazu haben wir hier deutlich zu wenig Anreize. Wir müssen Biomasse nämlich zunächst stofflich nutzen, bevor wir sie dann in einem zweiten oder dritten Schritt in die energetische Nutzung über abfall- und reststoffbasierten Biosprit in die Mobilitätskette einspeisen. Dazu gibt es in dem vorliegenden Gesetzentwurf leichte Anreize. Deswegen werden wir ihn auch nicht komplett ablehnen. Aber das, was geregelt wird, ist deutlich zu wenig.
Frau Schwarzelühr-Sutter – Frau Ministerin Hendricks ist nicht da –, machen Sie sich doch ehrlich. Sorgen Sie dafür, dass eine ehrliche Bilanzierung der Treibhausgaseffekte den Biospritproduzentinnen und -produzenten der zweiten Generation eine reale Marktchance gibt und dass Umwelt- und Sozialstandards zukünftig eingehalten werden. Hören wir endlich auf, Essen in Motoren von Autos zu verbrennen, und steigen endlich in eine Mobilitätswende ein, die ihren Namen auch verdient.
Biosprit wird in diesem Zusammenhang, auch aufgrund der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Rest- und Abfallstoffmengen – das haben wir schon an verschiedenen Stellen gehört –, nur eine kleine Rolle beim Klimaschutz im Verkehrsbereich spielen können, vielleicht im Flugverkehr, wo flüssige Kraftstoffe nur sehr schwer zu substituieren sind.
Für den Landverkehr brauchen wir stattdessen endlich ein Tempolimit – das bringt sehr viel mehr für den Klimaschutz als Biosprit –, einen deutlichen Einstieg in die Elektromobilität, vernetzte Angebote aus Bahn, Bus, Fahrrad und Carsharing. Daran können wir gemeinsam arbeiten. Dann stimmen wir auch gern wieder Gesetzentwürfen zu.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr Kollege Meiwald. – Nächste Rednerin in der Debatte: Kollegin Ulli Nissen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3966588 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 57 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes |