Nicole GohlkeDIE LINKE - Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b)
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Kolleginnen und Kollegen! Vor acht Jahren – auch ich hole aus – hatte die Bundesrepublik Besuch von Vernor Muñoz, dem damaligen UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Bildung. Das Ergebnis seines Abschlussberichtes war eine Ohrfeige. Er kritisierte scharf die mangelnde Chancengleichheit und die zunehmende Verlagerung von Bildungszuständigkeiten auf die Länderebene; denn dadurch, so Muñoz, verliere der Bund zunehmend die Möglichkeit, eine einheitliche Bildungspolitik und gleiche Chancen im Bundesgebiet zu gewährleisten. Er stellte fest, dass Bildungschancen und Bildungswege in Deutschland stark davon abhängen, wo man geboren ist, welches Schulsystem vor Ort existiert und wie zahlungskräftig gerade das jeweilige Bundesland ist. Da hätten bei allen – sogar bei Ihnen von der Union – alle Alarmglocken läuten müssen.
(Beifall bei der LINKEN)
Stattdessen sind acht Jahre vergangen. Was ist in dieser Zeit passiert? Der Wettbewerbsföderalismus unter den Ländern wurde weiter verschärft. Als Krönung haben Sie das Kooperationsverbot eingeführt, das Verbot der Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Bildung, in der Kultur und auch in anderen Bereichen. Das Fazit dieser Entwicklung ist ausgewiesenermaßen miserabel. Trotzdem weigert sich die Regierung, eine wirkliche Korrektur vorzunehmen. Für die allgemeine Bildung, für die Schulen und Kitas wollen Sie weiterhin keine Verantwortung übernehmen. Lediglich für die Hochschulen soll eine Finanzierung durch den Bund ermöglicht werden, aber nur – und jetzt kommen die Einschränkungen – in Fällen überregionaler Bedeutung und nur dann, wenn alle Bundesländer zustimmen. Ein einziges Bundesland – ich weiß gar nicht, warum ich jetzt auf Bayern komme –
(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Weil es so schön ist!)
kann hier alles blockieren!
„Besser als gar nichts“ ist doch jetzt im Kern die Argumentation der SPD.
(René Röspel [SPD]: Das stimmt! – Rainer Spiering [SPD]: Damit haben wir Deutschland zum Erfolg gebracht!)
Ich glaube, Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dass Sie sich da etwas schönreden; denn der Verdacht, dass es mit dieser Grundgesetzänderung gerade nicht um die Stärkung der Grundfinanzierung aller Hochschulen geht, sondern dass damit eigentlich nur die Lieblingskinder und Eliteprojekte der Regierung gepampert werden sollen, liegt sehr nahe!
(Beifall bei der LINKEN – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Lesen Sie doch mal die Begründung des Gesetzes!)
Herr Rupprecht hat es doch gerade bestätigt. Er hat gerade genau beschrieben, worin er die Kompetenz des Bundes sieht: im internationalen Wettbewerb und in Exzellenz. Er hat es gesagt!
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Schauen Sie in die Gesetzesbegründung!)
Die Exzellenzinitiative läuft 2017 aus, und es ist doch auffällig, dass genau jetzt die Konservativen auf einmal ihr Interesse an einer Lockerung des Kooperationsverbotes nur für den Hochschulbereich entdecken. Dass das, was die Regierung hier vorlegt, nicht genug ist, sagen Ihnen sogar Akteure und Institutionen, bei denen es mir wirklich schwerfällt, sie zu zitieren. Auch die Bertelsmann-Stiftung, die Robert-Bosch-Stiftung und die Telekom-Stiftung haben kürzlich das Verantwortungswirrwarr in der Bildung bemängelt und kommen zu dem Schluss, dass der Bildungsföderalismus in Deutschland unter systemischen Blockaden leidet und die Lockerung des Kooperationsverbotes für Einzelfälle im Hochschulbereich nicht ausreichend ist. Genau das ist es: Bei diesem Gesetzentwurf geht es nur um Einzelfälle und eben nicht um die Breite. Deswegen ist dieser Entwurf auch nicht der Spatz in der Hand, ein Schritt in die richtige Richtung oder etwas Ähnliches. Vielmehr ist es zu wenig und eine falsche Entscheidung, sich nur um Elite und Exzellenz in der Hochschule zu kümmern und den Rest außen vor zu lassen.
(Beifall bei der LINKEN)
Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, falls es Ihnen im internen Koalitionsstreit, der Sie derzeit ein bisschen umtreibt, gerade entfallen sein sollte: Sie regieren gerade. Dann tun Sie das aber auch, und nehmen Sie Ihre Aufgaben wahr! Zum Beispiel wäre es Ihre Aufgabe, sich um die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet zu kümmern, und nicht, aus ideologischer Verbohrtheit den Wettbewerb unter den Bundesländern wichtiger zu nehmen als gute Bildung von der Kita bis zur Hochschule.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Als nächster Redner hat der Kollege Ernst Dieter Rossmann das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3969916 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 58 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b) |