Oliver KaczmarekSPD - Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ob das jetzt die ganze Hand, der kleine Finger, ein Drittel oder wie auch immer ist, ich will es mal so formulieren: Zur Kooperation im gesamten Bildungsbereich ist das heute der erste wichtige Schritt. Der Süden der Republik – es ist ja nicht nur Herr Kretschmann zu überzeugen, sondern Herr Spaenle auch noch – braucht noch ein bisschen Zeit auf dem Weg der Erkenntnis. Die räumen wir denen auch ein.
Es ist wichtig, dass wir mit dieser geplanten Grundgesetzänderung auch etwas anfangen. Das ist ja hier bereits in einigen Beiträgen deutlich geworden.
(Beifall bei der SPD)
Es stehen einige Entscheidungen an. Der Blick in den Koalitionsvertrag hilft, um zu sehen, was auf der Agenda steht: Hochschulpakt, Exzellenzinitiative, Pakt für Forschung und Innovation, Qualitätspakt Lehre – das sind Elemente, die das Wissenschaftssystem strukturell beeinflusst und die internationale Sichtbarkeit Deutschlands als Wissenschaftsstandort nach vorne gebracht haben. Diesen Impuls wollen wir inhaltlich und strategisch nachhaltig aufgreifen, weiterentwickeln. Das ist die Herausforderung für diese Wahlperiode.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Darüber hinaus haben wir vereinbart, die Grundfinanzierung der Hochschulen zu verbessern – das steht im Koalitionsvertrag –, die akademische und berufliche Bildung besser miteinander zu verzahnen sowie planbare und verlässliche Karrierewege in der Wissenschaft zu schaffen. Deswegen mein Appell an dieser Stelle: Der Bund muss seinen Gestaltungsraum, der ihm neu eröffnet wird, umfassend sehen. Exzellenz, damit auch die internationale Sichtbarkeit des Wissenschaftsstandortes, und die Breitenförderung sind für uns untrennbar miteinander verbunden. Das müssen wir konzeptionell untermauern.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Tankred Schipanski [CDU/CSU])
Meine Damen und Herren, Kooperation bedeutet, dass mindestens zwei gleichrangige Partner auf Augenhöhe miteinander kooperieren. Deswegen möchte ich gerne zwei Anmerkungen zum Föderalismus machen.
Die erste ist: Der natürliche Kooperationspartner des Bundes – das ist doch banal – in der Bildungspolitik, in der Wissenschaftspolitik sind die Länder. Unser Föderalismusverständnis unterstreicht auch vor diesem Hintergrund in Zukunft die grundsätzliche Zuständigkeit der Länder für die Wissenschaft.
(Beifall bei der SPD)
Das belegt auch ein Blick in die Zahlen. Die Gesamtausgaben – ich habe es bereits an diesem Platz gesagt, möchte es aber wiederholen – für die Hochschulen tragen die Länder zu etwa zwei Dritteln, und der Bund leistet einen wichtigen Beitrag von – gesteigert – etwa einem Achtel. Wir sollten bei unseren Debatten im Deutschen Bundestag nicht den Eindruck erwecken, als wäre es genau umgekehrt. Die Länder haben die Grundzuständigkeit, und das wird auch so bleiben. Und die leisten damit auch eine ganze Menge.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Eine zweite Anmerkung zum Föderalismus: Die Aufhebung des Kooperationsverbotes bedeutet eben nicht die Aufhebung des Subsidiaritätsprinzips. Alles das, was in den Ländern entschieden werden soll und muss, muss auch dort entschieden werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Und wir haben auch die Aufgabe, das zu respektieren. Das betrifft beispielsweise auch die Entscheidung der Niedersächsischen Landesregierung, in die frühkindliche Bildung zu investieren.
(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Da gibt es eine Vereinbarung!)
Das ist doch eine Entscheidung – ich lasse jetzt mal beiseite, dass es weltexklusiv ist, wenn einige hier behaupten, vorschulische Bildung habe nichts mit schulischer Bildung zu tun –, die der Landtag getroffen hat, weil es offensichtlich einen Bedarf gibt. Und wir – das ist unser Föderalismusverständnis – haben diese Entscheidung an der Stelle zu akzeptieren.
Wir sollten nicht den Eindruck erwecken, dass die Bundesländer mit der BAföG-Entlastung nicht richtig umgehen können. Gestern ist hier Nordrhein-Westfalen genannt worden. Ich finde, man muss damit redlich umgehen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Die können überhaupt nicht mit Geld umgehen!)
An der Stelle ein Hinweis: Allein für die Ausfinanzierung des Hochschulpaktes II – dieses Bundesland trägt allein die Hälfte des Aufwuchses, den die KMK jetzt noch einmal oben draufgelegt hat, weil dort so viele Leute studieren – werden zwischen 2015 und 2020 2,4 Milliarden Euro mehr aufgewendet. Die BAföG-Entlastung – ich sage dies nur, weil es ganz wichtig ist; ohne dem wäre es nämlich gar nicht möglich, in den Hochschulpakt weiter zu investieren, auch was den Hochschulpakt III angeht – wird in dem gleichen Zeitraum 1,7 Milliarden Euro betragen. Das ist also ein wichtiger Beitrag zur Entlastung der Länder. Aber wir sollten nicht so tun, als wenn die mit dem Geld nicht umgehen könnten. Sie investieren genau in diesen Zweck, nämlich in die Verbesserung der Studienbedingungen und der Wissenschaft.
(Beifall bei der SPD)
Deshalb komme ich zu der Schlussfolgerung: Wer Kooperationen will, der braucht auch eine Kultur der Kooperation.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die drei Hochschulpakte sind ein gutes Beispiel für gelungene Kooperation; andere Beispiele sind hier schon angesprochen worden. Aber von diesem Platz soll mir bitte keiner erzählen, dass diejenigen, mit denen wir kooperieren wollen und müssen, zur Kooperation gar nicht in der Lage oder willens sind. Das entspricht nicht den Tatsachen. Wir sollten im Interesse des Parlaments eine andere Tonart einschlagen.
Herr Kaczmarek, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rupprecht?
Ja, gerne.
Eine Frage zu stellen, nachdem ich heute schon reden konnte, ist fast schon unfair, aber diese Sache brennt mir auf den Nägeln.
Sie sprechen von einer Kooperationskultur. Ich glaube, zur Kooperation gehört Vertrauen. Es ist doch so: Wir haben aus unserem Haushalt 1,17 Milliarden Euro bereitgestellt, um 35 Prozent der von den Ländern zu tragenden BAföG-Kosten zu übernehmen. Wir schultern diesen Kraftakt. Es gibt eine Vereinbarung zwischen den Vertretern von Bund und Ländern, dass diese freiwerdenden Mittel Schulen und Hochschulen zugutekommen. Wenige Tage später sagt der Ministerpräsident von Niedersachsen: Diese Vereinbarung interessiert uns nicht, wir investieren das Geld da, wo wir wollen. – Ich möchte ernsthaft die Frage stellen, ob das vertrauensfördernd ist.
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das stimmt so nicht! Das ist nach der Vereinbarung ausdrücklich möglich! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sehen Sie sich die Vereinbarung genau an! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Kennen Sie die Vereinbarung?)
Ich bitte um Verständnis: Zur Kooperation, zur Zusammenarbeit gehört Vertrauen. Vertrauen heißt, Vereinbarungen einzuhalten.
Vertrauen heißt, dass wir darauf vertrauen, dass die Länder verantwortungsvoll mit dem Geld umgehen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir werden nur dann dagegen protestieren, wenn wir Grund zu der Annahme haben, dass das nicht der Fall ist. Ich sage noch einmal: Die Annahme, dass die vorschulische Bildung nichts mit der schulischen Bildung zu tun habe, teile ich nicht. Deswegen können wir es einer Landesregierung, die einen offensichtlichen Bedarf aufgreift, nicht vorwerfen – das wäre absurd –, dass sie in frühkindliche Bildung investiert. Das halte ich für keinen Beitrag zu einer Kooperationskultur.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Kaczmarek, es gibt den Wunsch nach einer zweiten Zwischenfrage, und zwar vom Kollegen Hubertus Heil.
Gern, natürlich.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Es ist ungewöhnlich, sich hier zu Wort zu melden; denn wir beide, Herr Rupprecht und ich, haben in der Debatte bereits gesprochen. Aber als Niedersachse fühle ich mich doch herausgefordert, etwas dazu zu sagen.
Herr Kaczmarek, könnten Sie dem Kollegen Rupprecht, unserem geschätzten Koalitionspartner,
(Michaela Noll [CDU/CSU]: Betonung auf „geschätzt“!)
bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass es eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern gibt, die die Verwendung der Mittel schwerpunktmäßig im Bereich Hochschule und Schule sieht? Das macht Niedersachsen im Übrigen auch.
(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Genau das macht es nicht!)
Schwerpunkt heißt aber auch: Man kann bei Bedarf davon abweichen. Da die Vorgängerregierung – das war eine schwarz-gelbe – zu wenig im Bereich von Kitas gemacht hat, gehört das Geld in den Kitabereich.
Der Bildungsbegriff ist umfassend. Die Verwendung der Mittel auf diese Weise ist rechtlich möglich. Das ist keine falsche Verwendung der Mittel, was der Fall wäre, wenn das Geld beispielsweise in den Ausbau von Parkbuchten gesteckt würde. Das Geld geht in Niedersachsen eins zu eins in die Bildung: in Schule, Hochschule und Kita. Könnten Sie den Kollegen einfach bitten, dass er das zur Kenntnis nimmt?
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Soweit dies in Form einer Frage geschieht, wird den Anforderungen Rechnung getragen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Herr Kollege Heil, ich bedanke mich für den Hinweis und werde Ihre Worte bei geeigneter Gelegenheit in einem Gespräch übermitteln.
(Heiterkeit)
Ich will zum Schluss kommen. Ich glaube, wir sollten verhindern, dass Kooperationen in Zukunft eine Sache – mit Verlaub, Frau Ministerin – der Staatssekretäre und Minister auf der Verwaltungsebene werden. Wir sollten ein Interesse daran haben, dass das Parlament bei zukünftigen Kooperationen deutlich mehr mitarbeitet. Deswegen brauchen wir inhaltliche Debatten, um diesen großzügigen Rahmen, den wir geschaffen haben, voll auszunutzen. Wenn das der Kerngehalt und das Wesen der Debatten für die Zukunft sind, dann bin ich da sehr zuversichtlich.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Als letzte Rednerin in dieser Debatte hat die Kollegin Dinges-Dierig das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3970002 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 58 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b) |