10.10.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 58 / Tagesordnungspunkt 22

Alexandra Dinges-DierigCDU/CSU - Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b)

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unter dem Eindruck der gerade geführten Debatte will ich Ihnen Folgendes sagen: Ich war vorgestern, am Mittwochabend, in Bad Honnef und habe dort an einem Treffen von über 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Funktionären unserer Hochschulen, aber auch außeruniversitärer Forschungseinrichtungen teilgenommen, bei dem es zu einer sehr heftigen Diskussion kam. Sie war deshalb heftig, weil die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht wussten, dass ein Vertreter der Politik im Raum war. Ich war zwar anwesend, irgendwo zwischendrin, aber ansonsten waren sie unter sich. Sie haben dann über die Politik hergezogen und gefordert, dass die Politik das einmal zur Kenntnis nehmen sollte.

(Michaela Noll [CDU/CSU]: Das ist aber normal!)

Auf der einen Seite war es amüsant. Auf der anderen Seite denke ich: Das, was wir hier heute abgeliefert haben, ging ein Stück in diese Richtung. Ich habe das Gefühl, dass wir uns vielleicht doch ein bisschen zu viel mit uns selber, der Verteilung von Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Ländern und nicht so sehr mit dem Kern, nämlich der Zukunft unserer Gesellschaft und dem Beitrag der Wissenschaft dazu, beschäftigen. An dieser Stelle sollten wir die Emotionen hier im Saal ein bisschen runterfahren und sagen: Unser Wissenschaftssystem, wie wir es heute haben, übt international unglaubliche Anziehungskraft aus.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie üben jetzt das Politiker-Bashing, das Sie selber kritisieren! Unglaublich!)

Auch Stefan Hell, der bekanntermaßen gerade den Nobelpreis erhalten hat, hat das vor zwei Tagen gesagt. Die Wissenschaftslandschaft in Deutschland wird international nun ganz anders wahrgenommen. Das ist natürlich ein Verdienst von Bund und Ländern, die einen gewissen Rahmen gesetzt haben. In allererster Linie ist es aber ein Verdienst der Wissenschaft selber. Deshalb möchte ich an der Stelle einfach einmal Danke an die Wissenschaft sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist jetzt eine Botschaft!)

Wir wissen natürlich auch, dass wir nicht stehen bleiben dürfen. Deshalb diskutieren wir ja auch und fragen uns: Wie könnte es denn weitergehen? Was haben wir für Erkenntnisse aus den letzten Jahren und Jahrzehnten gewonnen? Wir lagen weit zurück. Herr Rossmann, ich glaube, Sie haben Ihre Ausführungen mit einer Rückbetrachtung auf das Jahr 1969 angefangen.

(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: 1949!)

– 1949 sogar. Entschuldigung. – Wo wollen wir denn nun eigentlich hin, und welche Rolle spielt denn jetzt der Artikel 91 b Grundgesetz in dieser ganzen Ausführung?

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, da bin aber gespannt, was Sie uns erzählen!)

Ich möchte vorab an dieser Stelle betonen: Ich selber bin überzeugt vom Föderalismus. Föderalismus bedeutet für mich auch die Achtung der Entscheidungen derjenigen, die Verantwortung tragen. Das sind in dem Fall die Länder, die hier heute leider nicht vertreten sind; darüber haben wir aber schon gesprochen. Föderalismus bedeutet aber auch: Wir haben eine Chance, um die besten Wege zu ringen und dann voneinander zu lernen. Auch das haben wir immer getan.

Ich weiß, wie schwierig es ist, nach draußen verständlich zu machen, warum es eigentlich sinnvoller ist, dass mehrere Länder eine Verantwortung haben, als dass der Bund sagt: Da soll es langgehen. – Das ist sehr schwierig. Wenn man vor Ort mit den Bürgerinnen und Bürgern spricht – hier greife ich ein Stück weit auf meine Zeit vor meiner Mitgliedschaft im Bundestag zurück –, muss man ihnen deutlich machen, dass nicht allein der Wechsel der Schule wegen eines Umzugs von einem Bundesland in ein anderes ein Problem ist, sondern dass jeder Wechsel einer Schule, auch innerhalb eines Bundeslandes, nicht unerhebliche Probleme mit sich bringt. Das liegt daran, dass die handelnden Personen vor Ort die Qualität bestimmen. Die Schulen kennen ihre Kinder vor Ort, und auch die Universitäten und Fachhochschulen wissen, mit welchen Studierenden sie es zu tun haben und mit welchem Lehrpersonal die größten Chancen bestehen, das Beste aus ihnen herauszuholen. Deshalb unterstütze ich die föderale Grundordnung hundertprozentig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Dinges-Dierig, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gehring zu?

Ja, gerne.

Nachdem wir eben Zeuge öffentlicher Verhandlungen innerhalb der Koalition über die Interpretation einer Bund-Länder-Vereinbarung in Bezug auf das Bildungs- und Wissenschaftspaket wurden und Sie für die Unionsfraktion gerade ausgeführt haben, dass Sie unseren Föderalismus sinnvoll finden und die Entscheidungen der Länder achten, möchte ich Sie fragen: Achtet denn die Unionsfraktion die Handlungsfreiheit der 16 Bundesländer, die auf der Basis der gemeinsamen Vereinbarung zum 6-plus-3-Milliarden-Paket jetzt 16 individuelle Bildungs- und Wissenschaftspakete schnüren und genau von dieser Freiheit, die die Vereinbarung lässt, Gebrauch machen? Es wäre am Ende einer solchen Debatte sicherlich eine spannende und wichtige Klarstellung gegenüber den Ländern, die, wie Sie gerade betont haben, im Rahmen der Bund-Länder-Vereinbarung Handlungsfreiheit haben und diese jetzt 16-mal ausüben.

Herr Gehring, ich sage hier ganz deutlich, dass ich die Entscheidungen der Länder respektiere, sofern sie sich an Vereinbarungen, und zwar Vereinbarungen im Sinne des ehrbaren Kaufmanns – nicht im Sinne eines Staatsvertrags –, halten.

(Beifall bei der CDU/CSU – Rainer Spiering [SPD]: Das war keine schlechte Antwort! – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Die Frage war gut und die Antwort auch!)

Meine Damen und Herren, die grundlegende Verantwortung für die Hochschulen haben die Länder, und das wird und soll auch so bleiben; das hatte ich eben ausgeführt. Es stellt sich aber jetzt die Frage, in welchen Wissenschaftsbereichen wir durch eine Veränderung des Artikels 91 b Grundgesetz noch mehr und stärker kooperieren können als bisher. Was bringt uns das für Vorteile?

Ich sage ganz klar: Wenn wir auf die Herausforderungen der Zukunft eine Antwort haben wollen und wenn wir dabei Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit – das Thema hatten wir neulich im Ausschuss – berücksichtigen wollen, das heißt, wenn wir der Gesellschaft von morgen etwas hinterlassen wollen, worauf sie aufbauen kann, dann brauchen wir einerseits eine verlässliche Grundfinanzierung durch die Länder und andererseitseine stetige Zusammenarbeit von Bund und Ländern in ausgewählten Bereichen. Das halte ich für sehr wichtig. Deshalb appelliere ich ganz deutlich an die Länder, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und nicht – das befürchte ich ein bisschen – zu denken, sie könnten aufgrund der erweiterten Bund-Länder-Zusammenarbeit vielleicht an der einen oder anderen Stelle bei der Grundfinanzierung sparen. Das darf nicht passieren. Die Zusammenarbeit bedeutet ein Plus und kein Substitut.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte noch einmal auf die Tagung zurückkommen. Es ging dort schwerpunktmäßig um die Exzellenzinitiative und deren Zukunft. Ich glaube, es ist wichtig, einmal zu erkennen, was durch die Kooperation eigentlich erreicht worden ist. Deshalb ärgere ich mich immer über den Begriff „Kooperationsverbot“;

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber der stimmt!)

denn das gab es ja gar nicht.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist 2006 eingeführt worden!)

Die Kooperation der vergangenen Jahre hat zu einem Paradigmenwechsel im Wissenschaftsbereich geführt. Wir haben eine Dynamik im Wissenschaftsbereich, die uns niemand vorausgesagt hat. Kanada und die USA haben vor 15 Jahren noch nicht einmal mit dem linken Auge geblinzelt, wenn es um den Wissenschaftsstandort Deutschland ging. Heute lädt Kanada Deutschland ein, um uns zu fragen: Wie macht ihr das eigentlich? Was habt ihr in den letzten zehn Jahren gemacht? Ihr seid ganz oben. – Kanada wird demnächst sogar unsere Exzellenzinitiative in den wichtigen Linien übernehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben in diesem Bereich drei ganz wichtige Punkte: Wir haben die Nachwuchsförderung – ohne die besten Köpfe geht es nicht –, wir haben die Kooperation zwischen den Wissenschaftseinrichtungen, und zwar sowohl zwischen Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen als auch zwischen Hochschulen und Fachhochschulen, und wir haben veränderte Hochschulstrukturen. Genau da können wir jetzt Entwicklungen verstetigen, und dazu leisten wir mit der Änderung des Artikels 91 b unseren Beitrag.

Exzellente Forschung schafft auch exzellente Lehre; das ist ganz wichtig. Exzellente Forschung und exzellente Lehre motivieren junge Menschen, diesen Weg zu gehen. Deshalb ist es dringend notwendig, dass wir hier weitermachen. Nur dort haben wir die gut ausgebildeten Köpfe, die wir morgen brauchen, in Ergänzung zu unserem hervorragenden Berufsbildungssystem.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Die Änderung des Artikels 91 b Grundgesetz wird uns – davon bin ich fest überzeugt – die für die Hochschulen und damit für die Gesellschaft entscheidenden Zukunftsfragen im gemeinsamen Ringen besser beantworten lassen. Deshalb begrüße ich die neue Formulierung für den Hochschulbereich sehr. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass die deutsche Forschungslandschaft das genauso sieht wie wir.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3970007
Wahlperiode 18
Sitzung 58
Tagesordnungspunkt Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b)
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