Mechthild HeilCDU/CSU - Zinssätze für Dispo- und Überziehungskredite
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „ Und sie bewegen sich doch“ – mit dieser positiven Nachricht beginnt der Artikel über die Dispozinssätze in der Oktoberausgabe der Zeitschrift Finanztest. Gemeint sind die Banken, die dem politischen und dem öffentlichen Druck nachgegeben haben – das gebe ich zu – und ihre Dispozinssätze gesenkt haben. Seitdem wir über die Höhe der Dispozinssätze sprechen, werden sie von Monat zu Monat gesenkt, und das ist auch gut so. Das ist genau das, was wir erreichen wollten. Die Banken haben sich bewegt, und das ganz ohne staatlichen Eingriff.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das belegt auch die aktuelle Studie der Stiftung Warentest. Rund drei Viertel der über 100 Banken, die noch im letzten Jahr besonders hohe Zinssätze gefordert haben, sind günstiger geworden. Ich kann an dieser Stelle nur sagen: Schade, dass sich Grüne und Linke nicht darüber freuen können. Aber ich sage auch ganz deutlich: Wir sind hier noch nicht am Ende der Entwicklung. Liebe Banken, es ist noch viel Luft nach oben. Nicht jeder in der Branche scheint den Pfiff gehört zu haben. In Deckung zu gehen, den Kopf einzuziehen mit der Vorstellung: „Der Sturm wird schon an uns vorüberziehen; die Politik beruhigt sich schon wieder“, das ist zu kurz gedacht. Das werden wir nicht akzeptieren.
Unsere Erwartungen an die Bankenbranche sind klar: Gehen Sie mit Ihren Kunden fair um! – Erst wenn die große Mehrheit der Kunden die Höhe der Dispozinsen für angemessen hält, sind wir, aber auch Sie von den Banken, zufrieden und am Ziel. Vorher werden die öffentlichen Debatten und auch die politische Diskussion – das garantiere ich – nicht enden. Deshalb sei noch einmal ganz klar gesagt: Wir erwarten ein Austarieren der Interessen der beiden Beteiligten, der Banken und der Kunden. Aber wir wollen, wenn irgend möglich, keinen staatlichen Eingriff. Denn die Nachteile, die ein staatlich verordneter Deckel für die Verbraucher hätte, liegen auf der Hand:
Der erste Nachteil. Wenn wir staatlich bestimmen, welche Höhe für einen Dispozinssatz vertretbar ist, werden sich alle Banken an diese Höhe halten. Nehmen wir an, er liegt, wie Sie gefordert haben, bei 7 Prozent. Warum sollte eine Bank dann noch billigere Zinssätze anbieten? Warum sollte eine Bank, die heute Zinssätze von 4 oder 5 Prozent anbietet – es gibt sogar Banken, die 2 Prozent oder einen Zinssatz von null anbieten –, den Zinssatz dann nicht auf 7 Prozent erhöhen? Heute bieten Banken niedrigere Zinsen an, weil sie sich einen Wettbewerbsvorteil erhoffen. Kommt der Deckel, wird jede Bank sofort sagen: 7 Prozent gilt allgemein als fair, also halten wir uns daran. Mehr verlangt keiner von uns. Warum sollten wir mehr tun? – Das kann doch nur zulasten der Verbraucher gehen. Deswegen sind wir dagegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich gebe Ihnen einen zweiten Aspekt zu bedenken: Wenn wir das zulassen, scheren wir wieder alle Banken über einen Kamm. Wir wissen aber natürlich alle – ich habe das schon mehrmals gesagt –, dass die Banken nicht gleich sind. Man kann eine Direktbank nicht mit einer Filialbank vergleichen. In Bezug auf die Bereitstellung der Infrastruktur ist eine Filialbank natürlich komplett anders aufgestellt als eine Direktbank. Sie hat deshalb auch andere Kosten zu tragen. Ein Dispodeckel kann dem nicht gerecht werden.
Ich komme zu einem zweiten Nachteil für die Verbraucher, den Sie mit Ihrem Dispodeckel aushecken. Die Höhe des Zinssatzes spiegelt auch immer das Ausfallrisiko wider. Für manche Kunden würde der von Ihnen vorgeschlagene Deckel bedeuten, dass sie keinen Dispokredit mehr erhalten. Sie hätten dann in einem Monat, in dem das Geld vielleicht ganz knapp ist, keine Möglichkeit, in den Dispo zu gehen und ihr Konto zu überziehen.
In der Sachverständigenanhörung zu diesem Thema – auch Sie waren da anwesend – wurde vonseiten der Schuldnerberatung zwar auch der Wunsch geäußert, dass die Banken dem einen oder anderen Schuldner zum Eigenschutz keinen Dispo einräumen mögen. Das ist aber etwas komplett anderes. So etwas wäre eine Übereinkunft zwischen der Bank und dem Kunden, der sich in Begleitung eines Schuldnerberaters befindet – also quasi eine Selbstverpflichtung. Das wäre auch absolut sinnvoll. Dagegen haben wir überhaupt nichts. Was aber für diesen speziellen Einzelfall sinnvoll ist, taugt noch lange nicht als Prinzip für die Kunden, welche hier und da einmal einen Dispo beanspruchen wollen. Ein Dispo nur für Reiche kann doch wohl nicht im Sinne der Opposition – der Linken und der Grünen – sein!
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie schwadronieren da wieder mal was zusammen!)
Es gibt aber noch einen anderen Aspekt, den die Schuldnerberater in die Diskussion einbringen. Ein niedriger Dispozinssatz – wie Sie ihn fordern – kann auch verführerisch sein und die Verschuldung verstärken. Als Banken angekündigt haben, den höheren Zinssatz abzuschaffen, haben einige Schuldnerberater aufgeheult, damit werde eine Hürde auf dem Weg zur weiteren Überschuldung abgeschafft. Frau Künast, das ist die Argumentation der Schuldnerberater, nicht meine. Die Schuldnerberater befürchten, dass die Schuldner nach dem Motto „Mir fehlt Geld; dann gehe ich halt zur Bank, wo ich einen Dispo habe und Geld bekomme“ handeln. Diese Entwicklung wollen wir von der CDU/CSU – ich hoffe, das gilt auch für die SPD – nicht befeuern.
Ich komme zum dritten Nachteil, den der Deckel hätte. Der Dispozins ist nur eine von mehreren Preiskomponenten bei einem Girokonto. Wenn wir ihn deckeln – also auch die Kosten für die Verbraucher an dieser Stelle deckeln –, kann das nur zu einer Verlagerung der Gebühren führen. Die Banken werden sich ihr Geld irgendwo anders holen. Vielleicht werden dann die Kontoführungsgebühren erhöht. Vielleicht werden sie überhaupt erst eingeführt. Oder sonstige Dienstleistungen – zum Beispiel Buchungen und TAN-Erstellungen – würden kostenpflichtig.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Solch ein Misstrauen gegen die Banken!)
Auch das ist nicht im Sinne der Verbraucher, und unterm Strich wäre es für sie auch teurer.
Es könnte natürlich sein, dass Sie von den Linken und von den Grünen auch diese Kosten deckeln wollen. Was wäre dann Ihr nächster Schritt? Würden Sie immer weiter auf dem Weg der Regulierung durch den Staat gehen? „ Durch den Staat“ ist eigentlich falsch formuliert; denn die Linken und die Grünen wissen selbst immer besser, was für den Einzelnen gut ist nach der Devise „Wenn der Verbraucher nicht mehr entscheiden kann, ist er am besten in dieser schönen grün-roten Welt geschützt“. In einer Welt ohne Selbstbestimmung will ich nicht leben. Deshalb sagen wir auch ein ganz klares Nein zu Ihren Forderungen.
Einmal abgesehen von diesen ideologischen und manchmal vielleicht auch populistischen Zielen,
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind doch die Partei des Populismus!)
frage ich: Was wollen Sie denn eigentlich mit diesem Deckel erreichen? Wenn es Ihnen darum geht, dem Verbraucher zu günstigen Konditionen zu verhelfen, ist Ihr Antrag eigentlich überflüssig.
Es gibt schon Banken, deren Zinssätze unter 5 Prozent liegen. Sie sehen: Der Wettbewerb funktioniert. Sie haben eben erwähnt, es sei sehr kompliziert, eine Bank zu wechseln. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, eine Zeitung, die zu lesen ich nur jedem empfehlen kann, stand ein wunderbarer Artikel einer Journalistin, die versucht hat, die Bank zu wechseln. Ich rate jedem: Kaufen Sie sich die Zeitung – sie ist letzten Sonntag erschienen –, lesen Sie den Artikel, und dann werden Sie sehen, dass dieser Artikel keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben kann. Es ist ein einzelner Bericht einer einzelnen Journalistin.
Wenn es Ihnen darum geht, die Menschen mit dem Dispodeckel vor Überschuldung zu schützen, dann setzen Sie komplett an der falschen Stelle an.
(Caren Lay [DIE LINKE]: Wir wollen faire Preise!)
Sie wollen ein Symptom bekämpfen, ignorieren aber die Ursachen. Der Dispozinssatz ist nicht die Ursache für Verschuldung. Der Dispokredit ist ein flexibles Produkt, das nicht dazu gedacht oder geeignet ist, dauerhaft in Anspruch genommen zu werden.
Deswegen finde ich den Vergleich des Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes Georg Fahrenschon sehr treffend. Er sagte: Der Dispokredit ist vergleichbar mit einem Taxi. Ein Taxi ist kurzfristig abrufbar, der Kunde ist flexibel, und er kann jederzeit aussteigen. Wenn er allerdings zum Beispiel von Berlin nach München fahren möchte, dann sollte er sich nach einer anderen Fahrgelegenheit umsehen.
So ist es eben auch beim Dispokredit. Er ist geeignet, um flexibel Engpässe auszugleichen, aber nicht, um dauerhaft genutzt zu werden. Wenn das aber passiert, macht es wenig Sinn, am Produkt herumzuschrauben, sondern man muss stattdessen die Ursachen für die Überschuldung angehen. Deshalb werden wir die Banken verpflichten, Kunden, die erheblich oder dauerhaft ihr Konto überziehen, über Umschuldungsmöglichkeiten mit besseren Konditionen zu beraten.
Ich halte es auch für völlig inakzeptabel, wenn Banken ihre Zinssätze nicht transparent machen. Es gibt heute zwar schon weitreichende Informationsverpflichtungen – die Konditionen müssen veröffentlicht werden –, aber ich frage mich wirklich: Warum findet man sie bei manchen Banken nicht im Internet? Ist das kundenfreundlich? Da kann ich nur sagen: Das ist es nicht. Warum muss man bei manchen Banken bis in die letzte Ecke der Filiale gehen, um den Aushang zu finden, auf dem die Konditionen stehen? Ist das kundenfreundlich? Auch da muss ich sagen: Natürlich ist das nicht kundenfreundlich. Warum gelingt es dem einen oder anderen Journalisten überhaupt nicht, die Zinssätze herauszufinden? Das ist sicherlich nicht in Ordnung. Da muss sich etwas ändern. Das ist in erster Linie eine Sache der Aufsicht. Wenn sich das nicht ändert, dann müssen wir als Politiker – das garantiere ich – da herangehen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Aber, ehrlich gesagt, so weit muss es nicht kommen. Deshalb mein Appell an die Banken: Es kann auch anders funktionieren. Die vergangenen Monate haben es gezeigt. Viele Banken haben ihre Zinssätze für die eingeräumten Überziehungen gesenkt und für die darüber hinausgehende eingeräumte Überziehung abgeschafft. Diesem guten Beispiel müssen einfach noch mehr Banken folgen. Aber ein rot-grüner Deckel ist einfach der falsche Weg. Er ist nicht zum Vorteil der Verbraucher. Wir lehnen deshalb Ihre Forderungen ab.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Nicole Maisch.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 58 |
Tagesordnungspunkt | Zinssätze für Dispo- und Überziehungskredite |