10.10.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 58 / Tagesordnungspunkt 25

Martin PatzeltCDU/CSU - Vereinbarte Debatte zum Weltmädchentag

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich möchte zunächst meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass diese Debatte geführt wird. Sie ist richtig und wichtig, und meine Vorredner haben bereits ausgeführt, warum das so ist. Uns obliegt die Aufgabe – auch wenn wir an diesem Freitagnachmittag in relativ kleiner Zahl versammelt sind –, die Aufmerksamkeit, zumindest in unserem Land, auf die Problematik zu richten, die vielfach mit Fakten, Zahlen und Daten beschrieben wurde.

Es kann einen grausen. An die vorhergehende Debatte über die Todesstrafe schließt sich nun die Debatte über den Weltmädchentag an. Ich gebe Ihnen recht, Herr Kekeritz: Es ist ein Anlass zur Freude, dass es Mädchen gibt.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Dass es den Tag gibt!)

Ich bin sehr dankbar, dass ich als Mann hier reden darf. Ich tue das aus ganzem Herzen, weil wir alle unser Leben einer Frau verdanken

(Annette Groth [DIE LINKE]: Das ist wahr!)

und weil ich glaube, dass die Frauen eine gewisse Verantwortung dafür tragen, wie Männer werden.

Die primäre Sozialisation, die wir alle erfahren, wird von unseren Müttern geleistet. Wenn man das Übel an der Wurzel packen will – meine Vorredner haben richtige und empfehlenswerte Vorschläge gemacht, die ich aufgreifen will –, dann muss man meiner Meinung nach den Fokus auf die Rolle der Mutter richten; denn Frauen leisten Sozialisationshilfe für ihre Kinder.

Das Thema Bildung ist diskutiert worden. Herr Kekeritz, ich denke, das ist doch etwas vielschichtiger; denn wer lesen und schreiben kann, der hat auch die Möglichkeit, sich zu informieren und über Medien und Literatur andere Bilder von Welt, von Gesellschaft und von Selbstverständnis zu entwickeln. Das ist die Voraussetzung dafür, dass eine Frau, die ein Kind zur Welt bringt und in seinen ersten Lebensjahren begleitet, für sich selbst ein Gefühl der Würde und des Wertes entwickelt.

Ich will all die Zahlen und Fakten, die genannt worden sind, nicht wiederholen. Der Report von „Plan International“ ist wirklich eine sehr umfängliche und hilfreiche Analyse dessen, was sich im Moment in der Welt abspielt. Ich kann dem Verein „Plan International“ nur danken, dass er damals die Initiative ergriffen hat. „ Plan Canada“ hat dafür gesorgt, dass die UN diesen Aktionstag initiiert haben. Wir als Deutsche haben uns ein paar Jahre später diesem Mahntag angeschlossen.

Mit dem Report hat der Verein „Plan International“ den Ball wieder aufgenommen. Er bleibt kontinuierlich dran, und dafür wollen wir danken. Das macht einmal mehr das Zusammenspiel von zivilen Trägern und von Initiativen aus der Gesellschaft heraus deutlich, die solche Themen im Zusammenwirken mit der Politik immer wieder ins Bewusstsein rücken. So können wir einen größtmöglichen Effekt erzielen.

Da hier schon vieles gesagt wurde, was ich nicht wiederholen möchte, will ich den Blick auf die gegenwärtige Situation richten: Jeder Mann, der mordet, der tötet, der ein schlechtes Bild von Frauen hat, der sich Massenbewegungen anschließt und sich unkontrolliert verhält, ist – das habe ich schon gesagt – irgendwann einmal erzogen worden. Wir haben in den letzten Tagen von Minister Müller gehört, was er durch Augenzeugen erfahren hat; er war sichtlich berührt davon. Eine Frau hat ihm berichtet, wie ein ganzes Dorf von der IS-Truppe behandelt wurde: 500 Männer mussten beiseitetreten und wurden vor den Augen der Kinder, ihrer Kinder, erschossen. Die Frauen mit Kindern wurden ausgesondert. Alle jungen Frauen, alle Mädchen wurden an die Soldaten vergeben, jeweils zwei oder drei, und die übrig gebliebenen wurden in vergitterten Autos davongefahren, zum Verkauf auf dem Sklavenmarkt weitergeschickt. – Das alles passiert gegenwärtig, heute und jetzt. Deswegen ist auch die Frage nach den Waffen nicht so einfach zu beantworten, Frau Groth. Wir haben alle die Pflicht, das nach unserem Selbstverständnis und vor dem Hintergrund unseres Grundgesetzes Mögliche zu tun, um solchen entarteten, archaischen, furchtbaren Geschehnissen entgegenzutreten, notfalls auch mit Gewalt, mit international abgestimmter Gewalt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Jurk [SPD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch der Blick nach innen, in unser Land, ist wichtig. Die Medienberichte aus den Flüchtlingslagern zeigen, dass dort auch kleine Mädchen leben, dass Kinder und Frauen in Massenlagern unter Männern leben. Personen, die sich fremd waren, müssen vielleicht jahrelang zusammen weiterleben. Wir haben auch die Aufgabe, in unserem Land, in unserer unmittelbaren Nähe zu schauen, wo es Mädchen und Frauen gibt, die unter menschenunwürdigen Zuständen leben; denn auch sie stehen unter dem Schutz unseres Grundgesetzes. Wir haben alle Anstrengungen darauf zu richten, dass die Rechte und die Würde von Frauen und Mädchen auch in unserer unmittelbaren Nähe gewahrt bleiben. Alle Appelle, die wir in die weite Welt hinaussenden, was wir richtigerweise tun, verpuffen und verlieren ihre Wirkung, wenn wir nicht ganz deutlich und für alle nachvollziehbar sagen: Dort, wo wir Verantwortung übernommen haben, handeln wir unter Achtung der Menschenwürde.

In diesem Zusammenhang möchte ich an meinen Appell erinnern, darüber nachzudenken, Frauen und Kinder – vornehmlich – in privaten Verhältnissen unterzubringen, um sie so schnell wie möglich aus den Massenunterkünften zu befreien. Das ist nur eine Anregung. Das kann aber nur, wer dazu in der Lage ist. Das ist aber ein Baustein in der Palette möglicher Initiativen. Ich bin froh, dass es jetzt, wo sich die Nachrichten über die Situation in den Flüchtlingslagern verdichten, in Deutschland in vielen Städten und Gemeinden bürgerliche und kirchliche Initiativen und Hilfen für die Flüchtlinge gibt, die hoffentlich nur vorübergehend, aber vielleicht auch dauerhaft bei uns bleiben.

Die Hilfe für bedrängte Mädchen und Frauen in der Welt ist ein ethisches Gebot. Das ist auch etwas, was wir für uns tun; denn die furchtbaren Geschehnisse, die wir alle jetzt zur Kenntnis nehmen müssen, beängstigen uns zunehmend, die einen mehr, die anderen weniger. Grund für all diese Geschehnisse ist, dass es in den Entscheidungsetagen Männer gibt und auch Frauen, die mit Gewalt Konflikte lösen wollen, die mit alten, archaischen Weltbildern agieren, die den Krieg und die Gewalt als Lösungsmuster bei Konflikten und Ungleichheiten betrachten.

Ich kann nur immer wieder nachdrücklich und aus tiefster Überzeugung dafür werben, Folgendes zu bedenken: Die Entwicklungshilfe, die wir leisten, alle Gelder, die wir für Bildungsinitiativen in Ländern ausgeben, in denen es kein funktionierendes Bildungssystem gibt, dienen dazu, den Frieden auf der Welt zu mehren und die Situation von Frauen und Kindern zu verbessern. Wir müssen mit unseren NGOs Gespräche darüber führen, in welcher Weise sie in den Ländern Unterstützung leisten, an welche Bedingungen sie ihre Unterstützung knüpfen und – auch das wurde schon genannt – wen sie für ihre Aufgaben in Anspruch nehmen und zu Hilfe rufen.

Wir alle sagen: Bildung kostet Geld. Das ist wahr. In vielen Ländern mangelt es auch deshalb an Bildung, weil die Länder das dazu notwendige Geld nicht haben. Bei den Preisen, die wir für Produkte aus Entwicklungsländern zahlen, schließt sich der Kreis. Wenn wir als einer der reichsten Teile dieser Welt so wenig für Produkte zahlen, dann kann die Armut, die letzten Endes auch Bildungsarmut bedeutet, nicht beseitigt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege, Sie denken an die Zeit, ja?

Ja. – Sie sehen also, hier schließt sich der große Kreis. Wir müssen Verständnis dafür schaffen, dass es nicht dabei bleiben kann, dass wir nur die eine Gruppe im Auge behalten.

Ich sage Ihnen: Heute Nachmittag feiern wir unser jährliches Herbstfest. Meine sechs Enkeltöchter werde ich dort wiedersehen. Ich freue mich darauf. Ich werde dies auch vor dem Hintergrund der Diskussion, die wir hier geführt haben, erleben. Ich glaube, wir alle haben genug zu tun, um hier am Ball zu bleiben.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulla Schulte, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3970231
Wahlperiode 18
Sitzung 58
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte zum Weltmädchentag
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